Digitalisierung: 1610 für 2017
Ziemlich hoch ist der Veränderungsdruck, dem Unternehmen durch die Digitalisierung ausgesetzt sind. Andererseits versuchen praktisch alle Firmen der IT-Branche, diesen Tatbestand für sich probat auszunutzen, um sich als ein bevorzugter Partner für die Business Transformation zu positionieren oder in ein besonders innovatives Licht zu rücken.
Einen recht großen Rückhalt mit einer gehörigen Portion Vertrauen in puncto Digitalisierung genießt SAP dabei im angestammten Kundenkreis, wenngleich der hier auch auf andere mögliche Partner schielt, wie eine Erhebung zum Thema der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) unter Mitgliedern im Februar 2016 zutage förderte.
„Es freut mich ganz besonders, dass die DSAG-Umfrage bestätigt hat, dass 82 Prozent der Befragten der SAP eine sehr hohe oder hohe Bedeutung in Sachen Digitalisierung zumessen, als geschätzter Partner auf dem Weg in die digitale Transformation zu sein“
strich Bernd Leukert, Mitglied des SAP-Vorstands und zuständig für Produkte & Innovation, mit einer sichtlich zufriedenen Miene zu Beginn seiner Keynote im Rahmen des diesjährigen DSAG-Jahreskongresses in Nürnberg im September heraus.
In welcher Art und Weise der Walldorfer Softwarekonzern dabei die doch hohen Erwartungen der eigenen Community erfüllen kann oder wird, muss sich selbstverständlich noch zeigen.
Kein einfacher Spagat
Welche Produktweiter- sowie -neuentwicklungen SAP ins Digitalisierungsrennen schickt oder hier SAP–Kunden lösungsseitig unterstützen will, brachte Leukert den fast viereinhalb tausend DSAG-Kongressteilnehmern in Nürnberg näher – wie immer freundlich und unaufdringlich; zwar mit einem Schuss Marketing- oder Vertriebsintension, jedoch nicht in einer Art, die in die Schublade „Glorifizierung der eigenen Sache“ passt.
Wie er erklärte, gebe es eine zentrale Herausforderung: den Spagat zwischen der heute nicht selten komplexen und wenig flexiblen Systemlandschaft auf der einen Seite und der Anforderung nach Agilität, nach Geschwindigkeit, nach Innovation auf der anderen.
Dieser Spagat sei nicht immer einfach zu bewerkstelligen, und:
Bernd Leukert, Mitglied des SAP-Vorstands:
„Ihre Systemlandschaft – jetzt mal unabhängig von On-premise, Cloud oder als Hybrid – muss daher aus zwei Bereichen bestehen: einerseits einer Basis, mit der Sie Ihre digitalen Kernprozesse für die digitale Wirtschaft vorbereiten.
Ich nenne das den digitalen Kern.
Und andererseits einer agilen, flexiblen Umgebung, in der Sie Ihr Know-how, Ihr IP, in individuelle Software umwandeln. Hier passiert die Differenzierung – und ganz wichtig: ohne ein Vendor-Lock-in.
Nur so wird es Ihnen möglich sein, die notwendigen unterschiedlichen Dinge mit notwendigen Innovationsgeschwindigkeiten, die der Markt fordert, zu unterstützen.“
Bereits vielfach herausgestellt wurde von SAP, dass es sich bei dem digitalen Kern um S/4 Hana handelt. Und bei der von Leukert benannten Differenzierung mittels einer agilen, flexiblen Umgebung um die Hana Cloud Platform, kurz: HCP.
Auf beide für SAP wichtigen Säulen innerhalb der gesamten Produktstrategie fokussierten sich seine Ausführungen im Wesentlichen.
Zu S/4 merkte der SAP-Technikchef an, dass
„es uns schon ein wenig mit Stolz erfüllt, dass wir heute, gerade mal nach 18 Monaten, mehr als 3.700 S/4-Hana–Kunden haben, von denen über 1.300 entweder in Projekten in Kürze live gehen oder bereits in einem Live-Produktivbetrieb sind“.
Wobei es sich laut SAP interessanterweise um viele Neukunden handelt. Der Anteil (an den 3.700): rund 40 Prozent.
Großer Hoffnungsträger, insbesondere für 2017, ist sicherlich die neue S/4-Version (Major Release), die da schlicht mit dem Zahlenkürzel 1610 daherkommt und auf 1511 folgt.
Dabei kann man die neue Version durchaus als einen wichtigen Markstein in der Entwicklung von S/4 sehen. Denn erstmals werden jetzt in S/4 alle Transaktionen durchgehend, also auch komplexe Transaktionen, Fiori-mäßig unterstützt, was bei 1511 nicht der Fall war.
Und oder auch: Mit der Version 1610 stellt SAP mehr Logistikfunktionalität bereit; zum Beispiel Funktionalität, die in neuer Art und Weise SCM-(Supply Chain Management-)Prozesse unterstützt. Wie etwa aATP, was für advanced Available to Promise steht.
Leukert gab bei der Veranstaltung der DSAG bekannt, dass künftig regelmäßig Informationen in Sachen S/4-Roadmap – sowohl für die Cloud– als auch für die On-premise-Versionen – zur Verfügung gestellt werden und man damit „einem Wunsch der DSAG nachkommt“.
Informationen zu Hana (Plattform, Datenbank) selbst standen nicht auf der Keynote-Agenda des SAP-Vorständlers.
SAP will mehr Roadmap-Infos liefern
Man muss kein Prophet sein: Für 1610 wird es 2017 einen gewissen, wahrscheinlich auch beachtlichen S/4-Rückenwind geben und sich damit der S/4-Anwenderkreis erweitern, unabhängig vom Thema Digitalisierung – vergleichbar vielleicht mit dem Umstand seinerzeit, als der Walldorfer Softwarekonzern R/3 in der Version 2.0 vorgelegt hatte.
Zur Erinnerung: Hier waren mit R/3 ebenfalls erstmals weitreichende Logistik-Funktionen wie PP, MM oder SD zur Verfügung gestellt worden und hatte das spätere Erfolgsprodukt R/3 quasi zum Fliegen gebracht.
Allerdings hängt die tatsächliche Marktdurchdringung von mehreren Faktoren ab.
Für Bestandskunden gilt es schließlich, eine Reihe von Herausforderungen beim Umstieg von der Business Suite in Richtung S/4 zu meistern: „Brown-Field-“ oder „Green-Field-Ansatz“ beim Wechsel, Fragen der Lizenzen und Supportwahl (Standard- oder Enterprise-Support), Wahl des geeigneten Implementierungs- und Hana-Infrastrukturpartners, Änderungen bei der Infrastruktur generell, Knowledgeware-Aufbau für S/4 und Hana und anderes mehr.
„Neben S/4 Hana als die zukünftige Business Suite und insbesondere für die Business Transformation benötigen Sie auch eine agile und flexible Plattform – eine Umgebung, in der Sie Ihre differenzierenden Lösungen erstellen können“
gab SAP-Technikchef Leukert den DSAG-Jahreskongressteilnehmern mit Nachdruck mit auf den Weg.
Ferner sagte er: Eine standardisierte Plug-and-Play-Lösung, um die angedachten und anvisierten Veränderungen (im Bereich der Digitalisierung) umzusetzen, werde es nicht geben.
Basis seien nach wie vor Standardanwendungen und Best-Practices für Best-Practice-Prozesse, und die müsste man unternehmensspezifisch erweitern, so sein Ondit.
Dreh- und Angelpunkt hier: die Hana Cloud Platform.
„Die HCP ist mehr als eine gewöhnliche Entwicklungsumgebung, wie sie Amazon, Google, Microsoft und andere zur Verfügung stellen.“
Sie basiere auf einer Standardplattform, die Geschwindigkeit geben könne und die auch Standardservices sowohl im technischen wie auch im betriebswirtschaftlichen Bereich zur Verfügung stelle, konzedierte er.
Demnach ist die HCP eine digitale Enterprise-Plattform, mit der Anwender Zugriff auf ihre heutigen Prozesse und insbesondere auf die Daten ihrer Prozesse haben.
Zugegriffen wird über den sogenannten API Business Hub, der einen Katalog in Form von Micro Services zur Verfügung stellt. Standardisierte Schnittstellen werden exponiert,
„aber nicht nur exponiert für Sie und Ihre Partner, sondern auch exponiert für unsere eigenen Entwickler. Auch wir werden in Zukunft Innovationen sehr schnell auf der HCP ausliefern, und sehen da die Hana–Cloud-Plattform vielleicht auch als Erweiterungsplattform für unser bestehendes Portfolio“
so Leukert.
Wer zukünftig nicht auf integrierte End-to-End-Prozesse verzichten wolle, der finde mit der Hana Cloud Integration die obligatorische Integrationstechnologie und -methodik, um sowohl SAP-Produkte als auch bestehende Legacy-Produkte miteinander zu integrieren.
Sei es von „Cloud zu Cloud“ oder von „Cloud zu On-premise“. Und dabei werde der Integrations-Content zwischen den SAP-Produkten von SAP ausgeliefert.
Sofern es Partnerprodukte gäbe, würden auch Partner auf dieser Plattform ihren Integrations-Content zur Verfügung stellen.
Doch damit nicht genug. SAP wird nach den Worten von Bernd Leukert alle Prozesse, die auf der Hana Cloud Platform laufen, auf OpenStack und Cloud Foundry zur Verfügung stellen.
Das heißt, so der Technikchef weiter, dass SAP einen Abstraktions-Layer in seine Cloud einführen werde, wodurch eine flexible Migration einer Infrastruktur von SAP zu (beispielsweise) Amazon, oder zu jedem weiteren Infrastrukturprovider zur Verfügung stehen wird.
Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von Cloud Foundry und OpenStack. Via HCP werde es obendrein möglich sein, „eine Multitenant-Hadoop-Filesystem-Installation aus der SAP Cloud nicht nur zu betreiben, sondern zu konsumieren“.
Eine Basis hierfür: die SAP-Akquisition der Firma Altiscale, die unmittelbar vor dem DSAG-Jahreskongress bekannt wurde.
Leukert berichtete in Sachen HCP obendrein, dass es bereits mehr als 4.000 Kunden und über 500 SAP-Partner gibt, mit dreistelligen Wachstumsraten in jedem Quartal.
Eine HCP-Nutzung für Anwender der klassischen Business Suite (mit Any-DB) soll übrigens möglich sein.
BW/4 Hana geschickt eingeflochten
Geschickt ließ der SAP-Verantwortliche für Produkte & Innovation das am 7. September angekündigte BW/4 Hana in seine DSAG–Keynote einfließen: Neben der reinen Verwaltung von Daten (genannt von Leukert im Zusammenhang mit der wertschöpfenden Hadoop-Nutzung) in den End-to-End-Prozessen werde es nach wie vor eine Notwendigkeit eines Business Information Warehouse geben.
Und zwar,
„um veredelte Daten durch wertschöpfende Erkenntnisse letztendlich in Entscheidungen umzusetzen“.
Es basiert nach eigenen Angaben auf drei Design-Leitlinien: einem fundamental simplifizierten Datenmodell, einer neuen User Experience und es ist auf High-Performance ausgelegt.
So kann das neue BW als Cloud– (über die SAP Hana Enterprise Cloud, HEC) wie als On-premise-Lösung eingesetzt werden. Auch gebe es einen Kooperationsvertrag mit Amazon AWS – also die Option, BW/4 auf AWS zu betreiben.
Zurück zur Digitalisierung. Hier spielt das Thema Internet of Things (IoT) eine für die SAP durchaus gewichtige Rolle, vor allem vor dem Hintergrund
„der Differenzierung der bestehenden Prozesse durch neue Geschäftsmodelle“
wie es Leukert formulierte, und er fügte hinzu:
„Das Internet der Dinge ist ein strategischer Bereich, in den wir massiv investieren.“
So werden demzufolge Bereiche wie Extended Supply Chain mit IoT-Lösungen erweitert, der Bereich Manufacturing mit Industrie 4.0, die komplette Logistik, das Assetmanagement oder auch neue Geschäftsmodelle wie Product as a Service, Connected Cars, Smart Cities, Digital Farming.
Alle Bereiche, so Leukert, die SAP adressiere und wo man gemeinsam in Kooperationen mit SAP–Kunden neue Lösungen entwerfe.
Dafür habe man auf der HCP IoT Application Services erstellt, „die generisch zur Verfügung stehen und sie (gemeint die SAP–Kunden) unterstützen, genau solche differenzierenden Anwendungen zu bauen“.