Merkmale von S/4 in der Cloud
Der Beitrag in der Februarausgabe über die Hinterfragung der S/4-Strategie von SAP hat viel Staub aufgewirbelt. Das kann mit ähnlichen sensiblen Themen im selben Zeitraum auch in anderen Medien zu tun haben oder mit der unmittelbar bevorstehenden Ad-hoc-Meldung der SAP zum Ergebnis 2021. In dieser wurde unter anderem besonders betont, dass die größte Steigerung zum Jahresergebnis das Cloudgeschäft beitrug.
Der Wandel zum Cloud-ERP-Marktführer ist für SAP kein einfacher Weg. Zu Beginn der Cloudära war strategisch zu entscheiden, die R/3-Version cloudfit zu machen oder den Weg gleich mit einer neuen Technik zu bestreiten. Für die Bestandskunden wäre die R/3-Variante für die Cloud auf jeden Fall einfacher und günstiger gewesen, weil sie sich einen Technikwechsel erspart hätten. Allerdings hätten bei dieser Strategie die Neukunden nicht mitgespielt, was SAP im Softwarevertrieb hart getroffen hätte. So ergab sich für alle Kunden das zweischneidige Schwert: einerseits das schon fällige neue ERP-System S/4, andererseits die damit verbundene Komplexität, sowohl für die On-prem-, Hybrid- als auch Cloudlösungen. Für SAP steckt aber mehr dahinter. SAP muss im Wesentlichen für alle Plattformen die Software nur einmal entwickeln und kann dafür allen Bestands- und Neukunden die S/4-Lizenzen verkaufen.
Die S/4-Entwicklung ist für alle Kundengruppen in vielen Bereichen technisch eine große Herausforderung, wobei man erst im Detail gravierende Unterschiede erkennen kann. Die größten Verbesserungen gibt es durch die Hardwareentwicklung und mit der neuen In-Memory-Datenbanktechnologie in der Performance. In den Bereichen der Softwareoberfläche, den Funktionen und Prozessen sowie bei der Integration sind die Neuerungen sehr unterschiedlich ausgefallen.
Am schwersten tut sich SAP bei der Softwarefläche. Hier wurde statt eines harten Schnitts ein fließender Übergang gewählt. Die vielen Anpassungen des alten SAP GUI und die Einführung von Fiori bei den Kernsystemen sind nur ein Teilerfolg. Damit wurde aber eine einheitliche Oberfläche vergeben, was bei vielen Kunden beim Vergleich mit anderen Anbietern nicht gut ankommt. Verschärft wird das Thema der einheitlichen Oberfläche um eine weitere Facette durch die vielen Softwarezukäufe, wobei hier die Kunden etwas toleranter sind. Bei den Funktionen und Prozessen gibt es in den Modulen sehr unterschiedliche Ausprägungen.
In manchen Bereichen findet man kaum Neuerungen und andere Module werden hybrid oder für die Cloud neu entwickelt. Auch was die Fertigstellung der Lösungen betrifft, gibt es laut den Roadmaps lange Zeiträume und Unterschiede zwischen Cloud und On-prem. Allgemein bekannt ist nach wie vor das wichtigste und noch in Umsetzung befindliche Thema der Integration aller großen Softwarezukäufe. Cloudlösungen können von den Kunden nur erfolgreich betrieben werden, wenn eine volle Softwareintegration aller Kernapplikationen gegeben ist.
Neben den passenden Cloudlösungen ist für die Kunden auch die entsprechende Betriebsführung ein wichtiger Schwerpunkt. Den besten und günstigsten Cloudpartner zu finden ist aktuell am Sourcingmarkt eine eigene Herausforderung. Im Bereich der diversen Outsourcer und Hyperscaler findet gerade ein Marktumbruch beziehungsweise eine Marktkonzentration statt.
Beim Cloudthema sollte auch ein Augenmerk auf die Kosten und Risiken in Verbindung mit den Vor- und Nachteilen gelegt werden. Die periodischen Mietkosten sind unabhängig von der Bilanzstrategie in Summe auf jeden Fall teurer als die Kauflizenzen. Die Cloudanbieter leben von den Kundenabhängigkeiten zeitlich und preislich gesehen sehr gut. Die Vorteile liegen bei den gleichbleibenden und damit kalkulierbaren Kosten, in der Flexibilität je nach Vertragsgestaltung und im reduzierten Aufwand.