SAP die Treue schwören
Ich habe eine Einladung zu einer Konferenz des Würzburger Beratungshauses Barc bekommen, darin fand ich den bemerkenswerten Satz: Die Inkompatibilität von SAP- und Nicht-SAP-Daten bremst Unternehmen aus! Eine alte Erkenntnis, die auch SAP schon vor vielen Jahren hatte. Leider bog SAP an falscher Stelle ab und manövrierte sich mit dem Data Hub ins Abseits.
Fast alle Analysten sind sich einig, dass die ERP-Anwender zu viel Zeit mit dem Sammeln und Aufbereiten von Daten verbringen, anstatt zu versuchen, diese zu verstehen und zu analysieren. Das Heben des Datenschatzes ist viel zu aufwändig und dagegen helfen weder eine schnelle Datenbank noch ein moderneres ERP. Es stellt sich somit sehr wohl die Frage: SAP die Treue schwören oder Alternativen suchen?
Mit S/4 und Hana, wenn es einmal operativ laufen würde, gehen wir den bekannten ERP-Weg der vergangenen 50 Jahre konsequent weiter. Auch wenn Hana besser ist als AnyDB und S/4 besser ist als R/3, ECC 6.0 und die SAP Business Suite 7, bleibt die Ausrichtung dieselbe. Mit Rise bekommt der SAP-Bestandskunde vom Guten eben noch mehr ins Haus geliefert, aber es ändert sich nichts Grundsätzliches. Aktuell ist eine nahezu perfekte Business Suite 7 einem S/4, das schlecht customized ist, ebenbürtig. Verbessern sich Hana und S/4, dann geht es linear in die richtige Richtung. Gut gemachte Transformation ist aber ein disruptiver Prozess.
SAP die Treue schwören ist ein vernünftiger, wenn auch teurer Weg. SAP ist ein sicheres und stabiles Fundament, aber SAP ist auch überbezahlt. Im Vergleich mit Mitbewerbern ist SAP zu teuer. Die SAP-Plattformen erfüllen naturgemäß ihren Zweck. Die Bestandskunden haben in ECC oder S/4 investiert und kein Interesse daran, dieses ERP nun zu zerstören. Was SAP-Anwender jedoch wollen, so die Meinung von Ex-SAP-CEO Bill McDermott, sei eine Hyperautomatisierung, die das erwähnte Zusammenführen von Daten und auch Algorithmen ermöglicht.
Generell hält es McDermott für einen Fehler, wenn Unternehmen zwar über digitale Transformation sprechen, diese aber auf hergebrachte Art umsetzen. Viele ERP-Anwender rüsten ihre Systeme aus dem vergangenen Jahrhundert auf und verwechseln das mit digitaler Transformation. „Und leider stecken sie ihre gesamten Ressourcen in diesen Bereich“, erklärte McDermott auf einer Veranstaltung in Den Haag, die ich im Mai dieses Jahres besuchte. Bei der digitalen Transformation geht es nicht darum, die alten Dinge ein wenig besser zu machen. Es geht darum, das System zu verändern – ein Gamechanger.
In den kommenden Jahren werden viele Bestandskunden der SAP die Treue schwören und unter Aufbringung hoher Projektkosten S/4 Hana customizen. Gleichzeitig werden sich aber meine Nachfolger, die jungen CIOs, um Alternativen umschauen, weil sie erkennen werden, dass Rise, Data Hub, NetWeaver und Hana nicht unbedingt schlecht sein müssen, aber nicht mehr zeitgemäß sind.
Wahrscheinlich stehe ich noch unter dem Einfluss der Veranstaltung in Den Haag, denn immer mehr setzt sich bei mir die Ansicht durch, dass bei Unternehmen, die den traditionellen ERP-Weg mit Hana und S/4 beschreiten, bald Ernüchterung einkehren wird, weil wir SAP-Bestandskunden die digitale Transformation in der Perspektive des 20. Jahrhunderts betrachten. Bill McDermott meinte, im Vergleich dazu gebe es jetzt eine neue Welt, die sich der Macht der Hyperautomatisierung bewusst wird. Um den anfangs erwähnten Datenschatz zu heben, werden wir diese Metaebene brauchen.
Mit der aktuellen S/4-Produkt-Roadmap hinterfragen viele Bestandskunden und DSAG-Mitglieder ihre Strategie für Big Data, BI/KI und Analytics. Und noch etwas habe ich in Den Haag gelernt: Das Unternehmen von Bill McDermott will eine Kooperation mit dem Process-Mining-Spezialisten Celonis. Zusätzlich bedient sich McDermott der Werkzeuge des dänischen SAP-Migrationsspezialisten Gekkobrain. Mit Gekkobrain können SAP-Bestandskunden die Abap-Modifikationen analysieren, die in ERP/ECC eingebaut wurden, und Teile davon rationalisieren und auf einer Metaebene ausführen. Also werde auch ich unserer SAP die Treue schwören und mich nach Alternativen umschauen, um in einigen Jahren einem Nachfolger ein zeitgemäßes System zu hinterlassen.
2 Kommentare
NoName2
Nun ja, viel mehr steht doch die Frage im Raum, wieso man sich überhaupt für SAP entscheiden kann:
– alt
– teuer
– nicht Anwenderfreundlich
und der neu erfundene Asset Manager ist eine Zumutung und hat nichts, aber auch gar nichts mit einer modernen App zu tun.
Ich empfehlen allen Entscheidungsträgern wärmstens eine sinnvolle, moderne Lösung zu nehmen und nicht nur wegen einem allfälligen Payback sich für SAP zu entscheiden
Peter M. Färbinger, E-3 Magazin
Im Prinzip haben Sie natürlich recht. Aber bei vielen SAP-Bestandskunden steht die Frage im Raum, was passiert mit den Altlasten und dem Investitionsschutz. Wenn ein ERP-Anwender 25 Jahre in sein System investiert hat, dann ist viel Prozesswissen, sind viele Geschäftsdaten, eine IT-Infrastruktur und ERP-Architektur vorhanden, die bereits neben den SAP-Lizenzen einen wesentlichen Wert darstellen. Auf der „grünen Wiese“ würde ich auch nicht mehr mit SAP beginnen, aber mit einer erfolgreichen R/3-Vergangenheit, muss zwangsläufig die Situation anders bewertet werden – SAP die Treue schwören, oder?