Erwartungen mit S/4 Hana
Viele SAP-Bestandskunden stehen vor einem S/4-Projekt, sind gerade dabei oder überprüfen nach dem Projektabschluss die ursprüngliche Erwartungshaltung. Meine langjährige Erfahrung aus vielen Projekten hat gezeigt, dass die anfängliche Erwartung der Kunden über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Wird diese durch abweichende Ergebnisse enttäuscht, kippt die Motivation und die Akzeptanz ist auf Dauer geschädigt. Die Auswirkungen sind in jeder Hinsicht teuer. Ich möchte daher auf einige Anhaltspunkte bei den S/4-Transformationen hinweisen, bei welchen infolge diverser SAP-Marketing- und -Produktstrategien die Erwartungshaltung zum sensiblen Thema werden kann.
Performance und Wartungsende
Seit der großen Ankündigung des SAP-Gurus Hasso Plattner 2015 betreffend den großen SAP-Technologiewechsel mit der „In-memory-Datenbank Hana und S/4“ sind immerhin schon sieben Jahre vergangen. Die SAP-Marketingmaschinerie hat die Erwartungen der gesamten SAP-Community weltweit mit zahlreichen Argumenten entsprechend hochgehalten. Die positive Stimmung wurde allerdings gedämpft, als SAP gleichzeitig auch das Wartungsende von ERP/ECC 6.0 per 2025 bekannt gab, welches in Folge jedoch aufgeweicht wurde. Viele Firmen und Kunden fühlten sich mit der Doppelstrategie unter Druck gesetzt. Die von Plattner persönlich umfangreich begleitete und finanzierte Entwicklung der „In memory“-Technologie brachte eine deutliche Verbesserung der Performance. Das hat zwar große Euphorie ausgelöst, aber es hat sich schnell gezeigt, dass die wirklich betroffene Big-Data-Zielgruppe doch sehr klein war. Für die überwiegende Mehrheit der SAP-Kunden war dieses Argument allein noch kein Grund für einen doch recht aufwendigen und teuren Technologiewechsel.
Komplexität
Die Ausgangslage für SAP waren das über Jahrzehnte modifizierte R/3 und die zahlreichen Zusatzentwicklungen der Kunden als Teil der massiv gewachsenen Komplexität. Diese Feststellung ist insofern interessant, als die Möglichkeit für Modifikationen und Eigenentwicklungen ein wichtiger Auslöser für die SAP-Erfolgsgeschichte war. Böse Zungen behaupten, dass SAP durch die vielen Kundenänderungen den Softwaresupport nicht mehr entsprechend gewährleisten konnte. So wurde eine Simplifizierung der Datenstrukturen und Applikationen wie auch mit der Rückkehr zur Standardsoftware eine Reduzierung der Komplexität in Aussicht gestellt. Infolge funktionaler Einschränkungen hält sich die positive Erwartungshaltung jedoch in Grenzen. Viele Kunden bezweifeln zudem, dass mit Einbindung der Cloudlösungen in hybride Systemlandschaften die Komplexität tatsächlich reduziert wird.
Cloud
Der SAP-Chef und brillante Verkäufer McDermott hat sich mit S/4 Hana dem weltweiten IT-Trend der Cloudlösungen angeschlossen. Die Vorteile für die Kunden wurden professionell vermarktet, aber sehr unterschiedlich angenommen. Der wirkliche Nutznießer war aber SAP selbst, die sich mit den neuen Cloudlizenzen das notwendige Wachstum sichern und strategische Zukäufe finanzieren konnte. Die Hoffnung der SAP-Kunden wurde aber nicht erfüllt, weil die gewohnte Qualität der Integration der neuen Lösungen nicht erreicht wurde. Außerdem wurde die Cloud-only-Strategie von SAP nicht angenommen, weil die Bestandskunden mehrheitlich hybride Systemlandschaften (on-prem mit Cloudlösungen) bevorzugen. Auf Druck der SAP-Anwendergruppen wurde diese auf eine Cloud-first-Strategie geändert. Die Bestandskunden mit On-prem-Systemen erwarten bei allen Neuentwicklungen auch eine Gleichbehandlung mit den Cloudlösungen. Gemäß Aussagen des SAP-Chefs Christian Klein beim DSAG-Jahreskongress 2022 in Leipzig scheint er diese Ansprüche der großen Zielgruppe von hybriden Systemlandschaften zumindest erkannt zu haben.
Dieser Text soll sensibilisieren, welchen Einfluss die Perspektive auf ein S/4-Projekt haben kann.