Über den Wolken
Eine Cloud-Exitstrategie der SAP gibt es nicht – auf ewig in den Wolken. „Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, bleiben darunter verborgen und dann würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ So heißt es in einem Lied von Reinhard Mey. In dem Song geht es um das Gefühl der Freiheit und wie man die Sorgen und Nöte einfach hinter sich lässt, wenn der Flieger abhebt. Bezieht man das auf die SAP-Cloud, nehmen derzeit die Ängste und Sorgen allerdings zu.
In der Digitalisierung ist der nächste, logische Schritt die Verlagerung der Daten und Anwendungen in die Cloud, schon allein deswegen setzt SAP zunehmend auf die Cloud. Aber: Schnallen Sie sich besser an und bringen Sie Ihre Sitze in eine aufrechte Position, denn es gibt einiges zu beachten.
Die angebotenen Lizenzmodelle der SAP beinhalten nur Cloud oder On-prem, der Kunde muss also zwischen diesen beiden Varianten entscheiden oder schlicht beide erwerben und parallel betreiben. Lassen wir mal außen vor, was mit unseren Daten passiert, wenn die Republikaner in den USA die nächste Präsidentschaftswahl gewinnen, setzt der Cloud Act jetzt schon alle Regularien der DSGVO außer Kraft und zwingt US–Cloud-Provider, gespeicherte Daten auf Anfrage der US-Behörden zugänglich zu machen (siehe Microsoft Ireland).
Bleiben wir beim Flieger und dem Point of no Return (Umkehrgrenzpunkt). Es gibt einen Punkt auf der Flugroute, der überschritten eine Umkehr zum Ausgangspunkt unmöglich macht. Mit der Cloud Extension Policy bietet SAP die Möglichkeit für Anwendungen, die in die Cloud verlagert werden sollen, die bisherigen Lizenzen bzw. einen Teil davon aus der Wartung zu nehmen. Dies muss vor Abschluss des Vertrages festgelegt werden, eine nachträgliche Verhandlung ist nicht möglich.
Anfang 2022 kündigte SAP automatische jährliche Preiserhöhungen für Cloud-Lösungen an. Begründet wurde dies unter anderem mit der steigenden Inflation. Unerwähnt blieb jedoch, dass Listenpreise für Cloud-Produkte bereits quartalsweise steigen. Weiterhin führen die umsatzbasierten Metriken in Zeiten der Inflation ebenfalls zu einer Kostensteigerung, ohne dass Unternehmen am Ende wirklich mehr verdienen. 3,3 Prozent jährliche Preiserhöhungen in der Cloud, Erhöhung der Wartungsgebühren für On-prem, regelmäßige teils starke Erhöhung der Listenpreise für Cloud-Produkte, Mehrkosten durch zum Teil inflationsbedingte Kostensteigerung, ohne dass da-raus Erlöse generiert werden. Sind das dunkle Wolken am Horizont?
Die Nutzungsmetrik für die S/4 Enterprise Management Cloud lautet Full Use Equivalent (FUE). Jeder FUE-Nutzer entspricht einer bestimmten Anzahl von Einzelpersonen, die zum Zugriff auf bestimmte Lösungsfunktionen des Cloud Service berechtigt sind. FUE ist ein komplexes Regelwerk mit genauen Anweisungen, wie Unternehmen On-prem verlassen können, um Cloud-ready zu sein.
Der Weg in die Cloud ist eine Einbahnstraße. Die Annullierung der On-prem-Lizenzen jedoch und FUEs wandeln existierende Lizenzen in Cloud-Subskriptionen, damit verliert das Unternehmen jede Autonomie über sein ERP. Eine Cloud-Exitstrategie der SAP gibt es nicht. Eine Rückkehr in die alte ERP-Welt mit eigener Entscheidungshoheit ist nicht vorgesehen. Das Fehlen eines Cloud-Exits macht FUEs gefährlich. Eine Exitstrategie kann nur gelingen, wenn man die alten Lizenzen auf ewig im Firmensafe belässt (Stichwort Back-Maintenance) und teuer neue nachkauft.