SAP braucht eine Strategie
Christian Klein hat seine SAP in einen sicheren Hafen gebracht. Der Aktienkurs ist zufriedenstellend und die Bestandskunden besänftigt. Die Mitarbeiter sind nicht übermäßig demotiviert und einige Partner sind überraschend optimistisch. Was fehlt, ist ein Plan, wie es weitergehen soll.
SAP-Chef Christian Klein wirkt tiefenentspannt. Er fährt mit der Bahn zum Weltwirtschaftsgipfel nach Davos. Alles ist gut und alles ist unter Kontrolle. Auch während der Bühnenauftritte zur Sapphire in Orlando und Barcelona sahen die Bestandskunden und Partner einen gut gelaunten und selbstsicheren Christian Klein.
Die diesjährige SAP-Hauptversammlung verlief ohne Eskalationen: Professor Plattner bekam für sich selbst, sein Team aus Aufsichtsrat und Vorstand sowie für seine Anträge eine sehr breite Unterstützung durch die Aktionäre.
SAP-Chef Christian Klein braucht keine Visionen zur ERP-Zukunft, er versucht, seine SAP vor dem Kollaps zu bewahren – das ist lobenswert, aber nicht strategisch! Das Bemühen von Christian Klein und seinen Vorstandskollegen kann zusammengefasst werden: Wir garantieren einen Support für S/4 Hana bis 2040, kein anderer IT-Anbieter verpflichtet sich ähnlich weitreichend.
Im Umkehrschluss bedeutet der S/4-Support bis 2040: Christian Klein hat keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Es gibt keine Vision für einen S/4-Nachfolger. Die ERP-Strategie beruht allein auf Hana und S/4. Peinlich für Christian Klein ist der Umstand, dass seine Bestandskunden, die Community und der SAP-Anwenderverein DSAG schon wesentlich weiter sind. Eine DSAG-Diskussion zeigte das Potenzial der SAP Business Technology Platform (BTP) und des daraus resultierenden Embedded Abap, auch genannt Steampunk, der SAP-eigenen Programmiersprache. Einige Experten sind sich sicher, dass BTP und Steampunk die SAP-Basis für einen Nachfolger von S/4 Hana sein müssen.
2024 wird alles besser, wenn Punit Renjen den Aufsichtsratsvorsitz von Professor Hasso Plattner übernimmt. Gleichzeitig laufen 2024 viele Aufsichtsratsmandate aus, sodass Punit Renjen die Chance besitzt, sich ein neues, innovatives Team zusammenzustellen. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende wäre gut beraten, wenn er es ähnlich wie Jim Hagemann Snabe bei Siemens macht. Der ehemalige SAP-Co-CEO Snabe lässt seine Aufsichtsräte ein Mal pro Jahr von einer externen Personalberatungsagentur evaluieren. Bei Siemens gibt es Aufsichtsratsposten nicht aufgrund freundschaftlicher Beziehungen, sondern ausschließlich nach einem strengen Leistungskatalog.
Die alternative Aufsichtsratskultur eines Jim Hagemann Snabe ist vielleicht ein Grund, warum er nach seinem Ausscheiden aus dem SAP-Vorstand niemals daran dachte, bei Professor Hasso Plattner wieder anzuheuern. Denn bis 2024 gilt im SAP-Aufsichtsrat noch ausschließlich die Stimme von Plattner.
Für eine erfolgreiche SAP-Zukunft braucht Punit Renjen einen agilen, innovativen Aufsichtsrat. Er braucht Personen, die mit Kompetenz, konstruktiver Kritik und scharfem Verstand ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und gleichzeitig mit Erfahrung und Visionen die richtigen Ratschläge einem runderneuerten Vorstand offen und transparent vermitteln.