Plant Maintenance im Zuge von Digitalisierung
Instandhalter sind von Hause aus keine IT-Profis. Natürlich wissen sie mit EDV umzugehen. Tiefes technisches Verständnis von ERP-Systemen, Netzwerktechnologien oder Datenbanken gehört jedoch nicht zum Standardprofil. Oft ist dieses Know-how auch gar nicht erforderlich. Denn viele Unternehmen nutzen nur die rudimentären Funktionen der innovativen Technologien, die sie im Einsatz haben – oder wickeln operative Prozesse ganz klassisch ab: Der Auftrag wird ausgedruckt und verteilt, Störfälle und erledigte Aufgaben auf Papier notiert, die Daten ins System übertragen und gegebenenfalls ein Protokoll gescannt. Ein solches Prozedere dauert lange, ist fehleranfällig und führt dazu, dass sich Mitarbeitende nicht auf ihre eigentliche Tätigkeit konzentrieren können.
Störungen im Schichtbuch notieren
So ging es bis vor Kurzem auch den Mitarbeitenden von Deutz. Das Unternehmen steht seit rund 160 Jahren für Entwicklung und Produktion von innovativen Antriebssystemen im Off-Highway-Bereich. So erfolgreich und zeitgemäß der Konzern insgesamt aufgestellt ist, beim für die Produktion so wichtigen Störungsmanagement mangelte es lange an Durchgängigkeit und Nutzerfreundlichkeit. In der Gehäusefertigung notierte man Störungen in einem Schichtbuch, also auf Papier, in der Motormontage in einer Excel-Tabelle. In der Kurbel- und Nockenwellenfertigung schließlich, wo schon lange an jedem Arbeitsplatz ein PC stand, gab der zuständige Mitarbeitende die Stördaten über die SAP-Fiori-Oberfläche ins SAP-PM-System (Plant Maintenance) ein.
„Ein Problem war, dass SAP PM nicht wirklich aus Sicht eines Instandhalters geplant und konstruiert wurde“, so Hans-Günther Hensengerth, Leiter der Instandhaltung für die Komponentenfertigung und die Motormontage im Werk Köln von Deutz. Hinzu komme, „dass die Fiori-Oberfläche nicht Smartphone-tauglich ist, also einen PC erfordert“.
Was sich Hensengerths Team deshalb wünschte, war eine Lösung, die den Prozess von der Störungsmeldung bis zur Instandsetzung vereinheitlicht, verschlankt und beschleunigt – und die Produktion dazu motiviert, jeden Fehler so schnell wie möglich zu melden. Ideal wäre ein Maintenance-Frontend, nutzerfreundlich und per Smartphone – ortsunabhängig – bedienbar, mit Schnittstellen zur Datenhaltung im SAP-System.
Auf der Suche nach einer neuen Lösung war eine Sorge, dass die Einführung unvorhersehbare Kapazitäten verschlingen könnte, insbesondere für das Einpflegen der Daten. Mit Mobile Maintenance von T.Con fand der Instandhaltungsleiter das passende System: „Zum einen erfordert die Lösung keine zusätzliche Datenhaltung -außerhalb des SAP-Systems. Zum anderen sprach uns die anschauliche und intuitive Nutzerführung direkt an.“
Zweifel bei der Umsetzung gab es dennoch. Besonders kompliziert und zeitraubend waren interne Diskussionen mit dem Controlling. Ursprünglich wollten der Instandhaltungsleiter und seine Leute jede Störung als eigenständigen Auftrag verbuchen und abrechnen, was aber aus Sicht der Kollegen einen zu hohen Kontrollaufwand erfordert hätte. Die Lösung des Konflikts bestand darin, alle Störungen einer Maschine pro Monat zu einem Sammelauftrag zusammenzufassen.
Und auch unter den Instandhaltern musste Überzeugungsarbeit geleistet werden. Einige hatten Angst vor zu viel Kontrolle, wenn durch die GPS-Anbindung der Technik – theoretisch – jeder Gang zum Bäcker während der Arbeitszeit getrackt werden kann.
Solche Bedenken verflogen schnell, als die Vorteile der neuen Technik für alle sichtbar wurden. Förderlich war hier sicher auch das frühzeitige Einbinden des Betriebsrats, der ständig über alle Fortschritte des Projekts im Bilde war. Um die Anwendung zu testen und ihre Möglichkeiten möglichst nachhaltig in den Herzen und Köpfen des Teams zu verankern, installierte Hans-Günther Hensengerth in jeder der vier Abteilungen zwei Key User. Diese beschäftigten sich zwei Monate lang ausgiebig mit der Technik, trainierten anschließend ihre Kollegen und fungierten auch darüber hinaus als Ansprechpartner.
Statusanzeige jeder Meldung durch das System
Im April 2021 ging die T.Con-Lösung, intern MoMa genannt, bei Deutz live – und strukturiert die Arbeit der Abteilung seitdem höchst wirkungsvoll. Eine Störung in der Motorenmontage zum Beispiel meldet der Leitstand unmittelbar an die Instandhaltung. Die Mitarbeitenden sehen sie in der MoMa-App auf ihrem Smartphone und können sich den Job selbst zuweisen, also quasi die Hand heben. Oder der Meister verteilt die Wartungstickets auf seine Leute. Das System unterstützt ihn dabei, indem es sowohl die Auslastung jedes einzelnen Mitarbeitenden als auch den Status der Störungsmeldungen dokumentiert.
Das gelingt auf höchst anschauliche Weise: Zeigt die App einen Maulschlüssel und eine Mutter getrennt voneinander in Rot, wurde die Störungsmeldung noch keinem Mitarbeiter zugewiesen. Sind Schlüssel und Mutter vereint und Orange, ist dies geschehen. Ist der Maulschlüssel grün abgebildet, dann ist die Störmeldung abgeschlossen. Ein roter Streifen neben dem Symbol zeigt an, dass die betreffende Störung zum Stillstand der Maschine geführt hat – und entsprechend priorisiert beseitigt werden muss. Außerdem sieht der zuständige Meister stets, welches Auftragsvolumen jeder Mitarbeitende vor sich hat und kann neu angezeigte Instandhaltungsjobs entsprechend verteilen.
Datenqualität und Kosteneinsparung
Hilfreich ist auch, dass sich in der App Bilder hinterlegen lassen – beispielsweise um Transportschäden an zugelieferten Teilen zu dokumentieren. Außerdem zeigt MoMa die Verfügbarkeit von Ersatzteilen an. Dazu muss der Instandhalter lediglich den QR-Code des betreffenden Teils scannen – schon informiert ihn die App darüber, ob und wo es auf Lager ist.
Der beschriebene Prozess erleichtert nicht nur die tägliche Arbeit. MoMa verbessert auch die Datenqualität, indem die App anhand der Störfälle die Historie jeder Maschine dokumentiert und einmal im Monat detailliert auf einem Dashboard anzeigt, wie häufig Instandhaltungen gefordert waren und mit welchem Aufwand. Anhand der mit der Störanalyse gewonnenen KPIs lässt sich für jede Maschine eine individuelle Risikobewertung erstellen. Dadurch sind Planung und Abwicklung der Instandhaltung deutlich kalkulierbarer geworden als zuvor. Instandhaltungsleiter Hensengerth schätzt dabei vor allem die Tatsache, dass er alle gewünschten und notwendigen Daten über eine einzige App abfragen kann – anstatt sich durch mehrere unterschiedliche Anwendungen klicken zu müssen.
In Zukunft sollen im sogenannten „Betriebsmittelbau Drehen Fräsen Schleifen“ über die App auch die Bestellungen abgewickelt werden. Beispiel: Werden drei Spannbacken für eine Fräsmaschine benötigt, dann verwandelt MoMa diesen Wunsch mit wenigen Klicks in einen Auftrag und sendet ihn an den Betriebsmittelbau.
Insgesamt arbeiten am Standort Köln rund 140 Mitarbeitende mit dem System, im Kleinserien- und Servicewerk Ulm sind es 40. Hier ging MoMa im vergangenen Dezember mit der Störerfassung live. Sobald die Wartungspläne in SAP eingepflegt sind, wird auch in Ulm die gesamte Instandhaltung über die App abgewickelt. Ebenso soll die Einführung in Herschbach im Westerwaldkreis laufen, wo Deutz ein Kompetenzzentrum für Anbauteile wie Nebenabtriebe, Ventilsteuerungen oder Thermostatgehäuse betreibt. Dort fiel der Startschuss für MoMa Ende März 2023; mittelfristig werden hier 20 bis 30 Menschen mit dem System arbeiten.
Unterm Strich ist Hans-Günther Hensengerth hochzufrieden mit der neuen Technik, die Deutz nach seiner Berechnung nicht nur Durchgängigkeit, Nutzerfreundlichkeit und eine stark verbesserte Datenqualität beschert hat, sondern auch Einsparungen von etwa fünf Prozent.
Die Mitarbeitenden mitnehmen
Nach den Lessons Learned aus dem Projekt gefragt, muss er nicht lange überlegen: Zunächst müsse man genau durchdenken, welche Schnittstellen im Unternehmen betroffen sind. Zu glauben, eine solche Software berühre nur die Instandhaltung und das Controlling, sei ein Irrtum. Zweitens sei es wichtig, gegenüber dem Betriebsrat von Anfang an mit offenen Karten zu spielen und die Mitarbeitenden von Beginn an mitzunehmen. „Wenn die Hälfte der Leute gegen eine solche Einführung ist, ist sie sehr schwer durchzusetzen“, so Hensengerth. Eine zentrale Rolle spielten dabei die Key User, Kollegen, die den anderen die Technik erklären, Begeisterung wecken und bei Bedarf Fragen beantworten.