SAP BTP: The Next Big Thing
Steampunk findet der SAP-Bestandskunde auf der Business Technology Platform als Abap-Environment. Damit können Side-by-Side-Erweiterungen (siehe Grafik auf der folgenden Seite) verwirklicht werden, die dann mit der S/4-Cloud über APIs kommunizieren. Und Steampunk gibt es auch in der S/4-Cloud als Embedded-Version. Damit hat der Abap-Programmierer neben Web-Services, OData und RFC APIs auch noch die Option, direkt über freigegebene CDS Views auf der Datenbank zu arbeiten. Dieses Programmiermodell nennt sich Abap-Cloud. In der S/4-Cloud ist dies eine interessante Option, größere Systemanpassungen im gleichen Stack zu entwickeln – Daten müssen also zum Verknüpfen nicht repliziert werden.
SAP bekommt mit S/4 nicht nur die Datenbank Hana, sondern auch ein neues Basiskonzept. Es hat lange, für manche SAP-Bestandskunden zu lange, gedauert, bis sich die SAP-Verantwortlichen auf ein Konzept zur Konsolidierung des Y/Z-Namensraums und der zugekauften Applikationen einigten. Nun steht mit der BTP, Business Technology Platform, ein verifiziertes Framework zur Verfügung und mit dem SolMan-Nachfolger ALM, Application Lifecycle Management, ein hinreichend gutes IT-Werkzeug.
Abap ist relevant und wird es auch in Zukunft sein. Für S/4-Bestandskunden bietet SAP das erwähnte Abap-Cloud-Entwicklungsmodell an. Abap-Cloud erlaubt es, upgradestabile und cloudfähige Lösungen und Erweiterungen zu bauen. Je nach Szenario können Bestandskunden oder SAP-Partner ihre Abap-Cloud-Erweiterung direkt auf dem S/4-Hana-Stack oder auf der BTP bauen. Innerhalb der Community spricht man hier auch von Embedded Steampunk bzw. Steampunk. Das Entwicklungsmodell Abap-Cloud ist auf der BTP und in allen S/4-Editionen, also Public Cloud und Private Cloud (On-prem), verfügbar.
Zukunft: BTP
SAP Business Technology Platform könnte in der Community zur Vision werden, die über S/4 hinausgeht. Es gibt bei SAP Überlegungen, die BTP inklusive ihrer Frameworks für viele Jahre als ERP-Plattform zu nutzen. Die Abteilung von SAP-Executive Martin Heinig trägt den etwas kryptischen Namen „New Ventures und Technologies“, dennoch beschäftigt er sich mit ganz realen und relevanten SAP-Themen, etwa wie die Business Technology Platform in fünf bis zehn Jahren beschaffen sein könnte. Das ist für die gesamte SAP-Community, Bestandskunden und Partner eine sehr wichtige Frage und gleichzeitig beruhigende Botschaft.
Auf dem Steampunk- und BTP-Summit 2024 in Heidelberg soll diese BTP-Roadmap diskutiert und gezeigt werden, dass SAP mit dieser Plattform weitreichende Pläne hat. Investitionen von Bestandskunden und Partnern werden damit langfristig Bestand haben – vielleicht sogar über S/4 hinaus.
Plus Abap
Für Abap-Erweiterungen, die direkt auf dem S/4-Stack laufen (Embedded Steampunk), wird zwischen verschiedenen Editionen unterschieden. Zum einen der Public Cloud, wo nur Abap-Cloud verwendet werden kann und keine Modifikationen möglich sind. Auf der anderen
Seite steht die Private Cloud (On-prem), wo Abap-Cloud empfohlen ist und klassische Abap-Erweiterungstechniken sowie Modifikationen weiterhin möglich sind.
Unmittelbar daraus ergibt sich für die SAP-Bestandskunden nun die Frage: Ist für den SAP-Anspruch „Clean Core für SAP S/4 Hana“ nun Steampunk eine Gefahr? Abap-Cloud erlaubt keine Modifikationen. Abap-Cloud ist in der Public Cloud das einzig verfügbare Abap-Entwicklungsmodell. In der Private Cloud (On-prem) können SAP-Bestandskunden ihren klassischen Abap-Code schrittweise in Richtung Abap-Cloud transformieren und haben damit zusammen mit der SAP BTP einen planbaren und gangbaren Weg zu einem Clean Core, siehe auch Interview mit SAP-Partner Heiko Edelmann auf den folgenden Seiten und seine Erfahrungen mit dem alten und neuen Programmierframework.
Steampunk bzw. das zugrunde liegende Modell Abap-Cloud spricht vor allem professionelle Entwicklerinnen und Entwickler an. Mit Abap-Cloud können Kunden mit den bewährten Abap-Development-Werkzeugen für Eclipse im Entwicklungsteam eine neue Applikation entwickeln und professionelle Debugging-, Refactoring-, Code-Analyse- und Test-Tools nutzen. Neben den SAP-Bestandskunden können SAP-Partner Steampunk und Abap-Cloud für ihre Add-on-Lösungen nutzen.
Alles BTP plus Steampunk
Die Anstrengungen der Bestandskunden und SAP-Partner werden durch den strategischen Schritt, die BTP auch bei den Hyperscalern zu positionieren, deutlich abgesichert. Die BTP oder 2017 noch unter der Bezeichnung SAP Cloud Platform steht schon seit damals bei den Hyperscalern zur Verfügung. Dieser prinzipiell erfreuliche Umstand wurde von SAP jedoch nur marginal kommuniziert. Aber schon 2017 zeichnete sich eine kombinierte Roadmap mit der SAP’-schen Cloud Platform und dem Multi-Cloud-Ansatz mit Cloud Foundry ab. Mittlerweile sind BTP-Services weltweit verfügbar, wenn auch mitunter als Insider-Wissen, sodass sich SAP-Chef Christian Klein beim DSAG-Jahreskongress 2023 in Bremen abermals genötigt sah, auf die globale Verfügbarkeit bei SAP selbst und den angeschlossenen Hyperscalern hinzuweisen.
Aus der Arbeit von Martin Heinig und einer breiten Verfügbarkeit könnte die SAP’sche Business Technology Platform zu einer universellen ERP-Spielwiese werden, deren Bedeutung letztendlich auch über S/4 hinausreichen könnte. Professor August-Wilhelm Scheer hat vor wenigen Wochen in München sein jüngstes Buch „Composable Enterprise: agil, flexibel, innovativ“ veröffentlicht. Zusammengesetzte, kybernetisch agierende ERP-Bausteine werden eine Plattform, wie es die BTP werden könnte, brauchen. Noch ist SAP nicht so weit.
Aufgrund der Arbeiten von Martin Heinig könnte aber die SAP-Community in naher Zukunft bereits eine Composable-ERP-Plattform mit Steampunk vorfinden. Wie weit diese Entwicklung tatsächlich geht, darüber ist sich die SAP-Community noch uneinig, siehe auch Interview von Heiko Edelmann auf den folgenden Seiten. US-SAP-Partner Heiko Edelmann bezweifelt, dass sich ein komplettes ERP auf der BTP verwirklichen lässt. Eine alternative Plattform von Scheer scheint hier hingegen schon weiter zu sein. Wolfram Jost, Chief Technology Officer der Scheer Holding, wird auf dem Summit in Heidelberg in seiner Keynote auf diesen Plattformgedanken eingehen.
Die Möglichkeiten der BTP sind zwar facettenreich, scheinen jedoch bei zahlreichen deutschen Unternehmen noch nicht vollständig angekommen zu sein, schrieb Timo Rüb vergangenen Herbst im E3-Magazin. Er ist Vice President bei Valantic und Experte für die SAP Business Technology Platform. Er besitzt mehr als 20 Jahre Erfahrung als SAP-Consultant; seit 2016 begleitet und leitet er Projekte rund um die SAP BTP.
Umfrageergebnissen zufolge nutzen 34 Prozent der SAP-Bestandskunden die BTP bereits. 13 Prozent sind zumindest mit der Einführung beschäftigt. Die andere Hälfte hat sich bisher noch nicht ausreichend mit der SAP Business Technology Platform auseinandergesetzt. Demgegenüber hadern knapp 18 Prozent der Befragten mit dem Kostenfaktor bei der Implementierung.
Und Timo Rüb betonte in seinem E3-Beitrag: Bei der Betrachtung der Kosten sollten die berühmten Äpfel nicht mit den nicht weniger berühmten Birnen verglichen werden. Die Total Costs of Ownership (TCO) sind hier das Stichwort. Bei der kostenseitigen Betrachtung hinsichtlich des Einsatzes der BTP müssen den Kosten der BTP die gesamten Kosten gegenübergestellt werden, die entstehen, wenn die Plattform nicht eingesetzt wird.
Aufwändige Upgrade-Projekte bei On-Stack-Erweiterungen statt der Implementierung von Side-by-Side-Extensions (siehe Grafik) sind hier beispielhaft genannt, ebenso der kostenintensive Betrieb von Schnittstellen ohne die Nutzung moderner Integrationskonzepte und Integrationstechniken wie API-basierter und ereignisgesteuerter Integration.
Die Metamorphose
SAP hat sich zu einem brauchbaren Kompromiss entschieden. Die Metamorphose der Programmiersprache Abap von On-prem ins Cloud-Zeitalter ging naturgemäß nicht schmerzfrei: Auf dem SAP Competence Center Summit 2023 in Salzburg zeigte SAP-Partner Snap, welche Abap-Befehle verloren gingen und wo es Neues zu entdecken gibt. Diese Metamorphose über hybride Zwischenlösungen ist von SAP durchaus gewollt. Beinhaltet doch Rise with SAP zu diesem Zweck eine grundlegende BTP-Lizenzierung. Trotzdem stellt sich für alle On-prem-Nutzer die Frage, welcher Weg in die Cloud der Beste ist. Es geht neben der Transformation von Prozessen, Datensilos und Y/Z-Entwicklungen auch darum, das dafür benötigte Geld zukunftssicher auszugeben, betonte Christian Knell vom SAP-Partner Snap im E3-Magazin Dezember 2023. Auch Christian Knell wird auf dem Steampunk- und BTP-Summit 2024 in Heidelberg einen Vortrag halten.
Sein Rat vorab: „Beginnen Sie jetzt, Know-how aufzubauen. Die SAP-Architekturen werden sehr schnell hybrid, darum starten Sie heute mit Proofs-of-Concept, mit Schulungen oder kleineren Projekten, um sich und Ihr Team Cloud-ready zu machen. Das ist kein wolkiger Marketingbegriff, dabei geht es um Wissen. Und der Erwerb braucht Zeit, weil die Lernkurve steil ist, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Aber es ist notwendig, denn – das hat Christian Klein eindeutig klargemacht – die Zukunft von SAP liegt in der Cloud.“ Auch Heiko Edelmann spricht in seinem E3-Interview von einer anspruchsvollen Lernkurve.
Das Buch von Professor August-Wilhelm Scheer kann eine Anleitung sein, mittelfristig die SAP’sche ERP-Szene, so wie wir sie heute mit S/4 kennen, nachhaltig zu verändern. Ob daraus eine ERP-Revolution wird, kann noch nicht beantwortet werden. In jedem Fall wird sich die Orchestrierung von IT-Bausteinen konzeptionell verändern. Ganz neu ist das Konzept von Composable ERP, so der Titel des Buches, nicht, weil Teile davon als Best-of-Breed bereits seit vielen Jahren existieren. Aber Composable ERP bietet einen neuen konzeptuellen Aufbau. Zusammengesetzte ERP-Module sollen zukünftig in Form eines kybernetischen Systems harmonisieren. Für diese Composability braucht es naturgemäß eine Plattform. Hier bietet sich für alle SAP-Bestandskunden die BTP an. Auf dem Steampunk- und BTP-Summit am 28. und 29. Februar 2024 in Heidelberg werden unter anderem auch die Chancen eines Composable ERP diskutiert.
Ein zusammengesetztes ERP kann ein Lösungsweg werden. Basierend auf einer stabilen Plattform inklusive mächtiger Entwicklungsumgebung kann die nächste ERP-Generation entstehen. Professor Scheer hat nun mit seinem neuen Buch Composable ERP den ersten Schritt gesetzt. Ergänzt um KI, Machine Learning, Process Mining, Open Source und Kybernetik sollte ein brauchbares ERP entstehen. Best-of-Breed 2.0 bringt für SAP-Bestandskunden Chancen und Optionen. Es kann aber auch für SAP selbst zum Nachteil gereichen. Zusammengesetzt bedeutet auch, dass die SAP-Bestandskunden in Zukunft aus einer Vielzahl von ERP-Lösungen wählen können, dass sogar das Thema Hybrid Computing nochmals eine ganz neue Bedeutung und damit neuen Stellwert bekommt. In einem kybernetischen, selbst konfigurierten System wird das Diktat Cloud-only keine Überlebenschance haben. Im Gegenteil: Com-posable ERP wird eine starke Plattform brauchen, aber die zusammengesetzten Module können On-prem und Cloud sein. Composable ERP ist letztendlich auch der Gegenentwurf zu Cloud-only.
Investieren in BTP
BTP gilt als zentrales Element der SAP-Strategie und fand somit auch Eingang in den jährlichen DSAG-Innovationsreport 2023. Bei den SAP-Cloud-Lösungen gaben 24 Prozent der DSAG-Mitglieder an, hohe und mittlere Investitionen in die SAP Business Technology Platform (BTP) zu tätigen. Investitionen meinen in diesem Fall die Steigerung von Ausgaben in Cloud-Lösungen inklusive Subskriptionen.
An zweiter Stelle im Ranking der SAP-Cloud-Lösungen folgte SAP SuccessFactors mit hohen und mittleren Investitionen bei 17 Prozent der Befragten. An dritter Stelle steht SAP Customer Experience mit neun Prozent. „SAP positioniert die BTP als zentrales Element ihrer Strategie. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Umfrageteilnehmer diese SAP-Cloud-Lösung in Erwägung ziehen“, so DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen. Aus DSAG-Sicht sei es positiv zu bewerten, dass nun erste Migrationsservices entwickelt werden, die z. B. bei der Umstellung bestehender Integrationsarchitekturen auf die Integration Suite der BTP unterstützen. Die Kosten für Entwicklung, Qualitätssicherung und Nutzung der Services ohne produktiven Bezug seien aber zu hoch – genauso wie die Kosten für den generellen Betrieb. Hierzu steht die DSAG im Austausch mit SAP. Bei der Business Technology Platform liegt in Bezug auf die Relevanz für Investitionen der Bereich Daten und Analysen mit 38 Prozent hohen und mittleren Investitionen vor der Anwendungsentwicklung und -automatisierung sowie der Integration.
Abschließend noch einmal Timo Rüb von Valantic: Für Unternehmen, die ihre S/4-Migration planen, kann die BTP eine zentrale Komponente ihrer zukünftigen Systemlandschaft darstellen. Das S/4-System muss in den meisten Fällen mit einer Vielzahl weiterer Systeme integriert werden. Darüber hinaus werden Erweiterungen benötigt, die Unternehmen von ihren Wettbewerbern differenzieren und Wettbewerbsvorteile schaffen. Hier kann die Business Technology Platform ihre Stärken ausspielen, bietet sie hier sowohl für alle denkbaren Integrationsszenarien als auch für Erweiterungen und Innovationen alle notwendigen Services und Tools, speziell für SAP-fokussierte Anwendungslandschaften.