Soziotechnischer Ansatz für die Erstellung einer dezentralen Datenarchitektur: Data Mesh
Neue Datenquellen und vielfältige Datenformate machen das Datenmanagement für Unternehmen zu einer komplexen Herausforderung. Diverse Insellösungen, lange Entwicklungszeiten und ein vager Wertbeitrag sind häufig beklagte Probleme. IT-Führungskräfte und SAP-Verantwortliche müssen sich daher die Frage stellen: Wie kann es gelingen, dass Daten den gewünschten Wertbeitrag liefern?
Die Lösung ist eine effiziente, effektive und zukunftssichere Datenwertschöpfungskette. Die Datenwertschöpfungskette ist ein idealtypisches Modell, das den Weg der Daten im Unternehmen von der Entstehung der Rohdaten bis zu aufschlussreichen Geschäftsentscheidungen zeigt. Sie besteht aus vier Phasen:
In der ersten Phase, der Datenentstehung, werden manuell oder automatisch Rohdaten erzeugt, zum Beispiel digitalisierte Belege, digitale Transaktionen oder IoT-Gerätedaten. Diese Daten werden dann in der zweiten Phase operativ verarbeitet und dort in entsprechenden Arbeitsschritten eingesetzt. Ein Beispiel ist die Ressourcen- beziehungsweise Kapazitätsplanung für Fertigungsmaschinen oder Lagerbestände in ERP-Lösungen von SAP.
Nach der operativen Verarbeitung der Rohdaten kommt in der dritten Phase die analytische Verarbeitung zum Zug. Hier übersetzen modernste Werkzeuge und Methoden Daten in weitere Erkenntnisse, die sich direkt nutzen lassen.
In einer SAP-Umgebung kann das beispielsweise wie folgt aussehen: Diverse -Datenquellen, die auch Lösungen anderer Cloud-Provider sein können, werden an die SAP-Datenbasis angeschlossen, zum Beispiel mit der SAP Hana Cloud. SAP Data-sphere kann als Warehouse-Lösung verwendet werden, die SAP Data Intelligence Cloud für die Orchestrierung und das Pipelining der Daten. Mit der SAP Analytics Cloud lassen sich anschließend Analysen durchführen und fortgeschrittene Planungsszenarien realisieren. Die so verarbeiteten Daten sind wiederum die Basis für die vierte Phase, in der sie für eine datenbasierte Entscheidungsunterstützung genutzt werden oder sogar autonom Entscheidungen treffen. Das Unternehmen auf Basis von verfeinerten operativen und analytischen Daten strategisch auszurichten, fällt ebenso in diese Phase.
Datenwertschöpfungskette
Um die Datenwertschöpfungskette so zu organisieren, dass Daten tatsächlich einen geschäftlichen Wert liefern, sind in der Regel größere Transformationsbemühungen notwendig. Hierbei lassen sich weiche beziehungsweise soziokulturelle Aspekte und harte beziehungsweise technische Aspekte unterscheiden.
Stellen Unternehmen weiche Aspekte in den Vordergrund, verfolgen sie das Ziel, den Mitarbeitenden Fähigkeiten oder Rahmenbedingungen zu bieten, in denen sie als Datengesellschaft Rechte und Pflichten haben. Konkret geht es hier um Data-Lite-racy-Programme, die Mitarbeitende im Umgang mit Daten schulen. Oder um die Etablierung einer Innovationskultur für die digitale Welt. Setzen Unternehmen hingegen den Schwerpunkt der Transformation auf harte Aspekte, liegt der Fokus auf dem Aufbau einer einheitlichen Plattform, die eine nahtlose Speicherung, Verarbeitung und Abfrage von Daten ermöglicht.
Beide Ansätze für sich genommen vernachlässigen jedoch die Synergieeffekte, die entstehen können, wenn weiche und harte Aspekte kombiniert werden. Das Data Mesh ist ein solcher kombinierter Ansatz, der es verschiedenen Organisationseinheiten beziehungsweise Domänen erlaubt, Datenprodukte zu produzieren, zu besitzen, zu nutzen und zu teilen. Gleichzeitig werden die Lücken der technischen Integration und der kulturellen Akzeptanz überbrückt.
Wie funktioniert Data Mesh?
Das Herz des Data-Mesh-Konzepts sind zum einen dezentral organisierte Domänen, die sich am geschäftlichen Kontext der ihnen zugeordneten Daten orientieren, zum anderen Datenprodukte, deren Datensätze einen Nutzen stiften. Unterstützt wird das durch eine möglichst automatisiert ausführbare förderale Governance und das Vorhandensein von Self Service auf Basis einer harmonisierten technologischen Plattform.
Durch die Kombination dieser vier Prinzipien verknüpft das Data-Mesh-Konzept geschickt dezentralisierte und zentralisierte Aspekte des Datenmanagements. So wird die Verantwortung für die Erstellung, Veröffentlichung und Wartung von Datenprodukten in die Domänen, also die funktionalen Einheiten eines Unternehmens, gegeben. Denn hier finden sich sowohl der Bedarf als auch die inhaltliche Expertise.
So kann zum Beispiel eine Finanzplanung für einen taktischen Zeitraum von sechs Monaten, die als Datenprodukt zur Verfügung gestellt wird, der Domäne für Finanzdaten zugeordnet werden. Darüber hinaus werden die technischen Teams zu Plattform- und Domänenteams umorganisiert. Dies ermöglicht es – ohne den Engpass einer zentralen IT-/Entwicklungsabteilung –, dezentral Datenprodukte nach zentral abgestimmten Richtlinien zu entwickeln. Der Spagat zwischen Eigenständigkeit der Domänen und der Teilbarkeit beziehungsweise Wiederverwendbarkeit der Datenprodukte gelingt auf diese Weise.
Die Einführung eines Data Mesh erfordert umfangreiche Änderungen in verschiedenen Bereichen. Wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen, sind die folgenden Faktoren entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung des Data-Mesh-Ansatzes: Vision und Strategie; Rechte und Pflichten; Bereitschaft zum Wandel; Governance und Standards; Technologie und Infrastruktur; Fähigkeiten und Fertigkeiten; und Kommunikation und Zusammenarbeit. Unternehmen sollten das Data Mesh als eine Reise verstehen, in deren Verlauf das Konzept individuell und auf Basis erster Etappenziele kontinuierlich weiterentwickelt werden kann. Entsprechend sind die beschriebenen Faktoren als nicht vollständig zu betrachten, sie geben jedoch einen guten Einblick in besonders erfolgskritische Aspekte.