Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG)- Technologietage Hamburg 2024
SAP hat Potenzial, aber SAP bringt aktuell die vorhandenen PS nicht auf die Straße. Der Anwenderverein fordert und fördert SAP nicht, sondern akzeptiert die traurige Realität. Mit einstelligen Millionenbeträgen wird SAP keine KI-Vision für die DSAG-Mitglieder und SAP-Bestandskunden auf die Straße bringen. Die Richtung der SAP-Vision mag stimmen, aber eine Milliarde für Signavio, eine Milliarde für LeanIX und noch zwei bis drei Milliarden für KI sind ein Systemfehler: Die Milliarden für Signavio und LeanIX sind ein gelungener Doppel-Wumms, aber KI braucht einen Mega-Wumms. Schon ist am Horizont erkennbar, wie Aleph Alpha weiter zurückfällt.
Technische Entwicklungen
Bei den Technologietagen der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) im Congress Center in Hamburg wurden unter dem Motto „Black Box – From Vision to Reality“ drängende Fragen zu aktuellen technischen Entwicklungen thematisiert. Der Hype um generative KI-Systeme zieht derzeit die Aufmerksamkeit vieler Unternehmen auf sich, die aber auch vermehrt nach geeigneten Anwendungsgebieten suchen. KI in bestehende Produkte zur Verbesserung ihrer Funktionalität zu integrieren ist aus DSAG-Sicht sinnvoll und kann hilfreich sein. Zwischen Vision und Realität bzw. zwischen Sales und nutzbarer Software liegen jedoch teilweise noch Welten.
Large Language Model
Während bei einer Handelsblatt-Veranstaltung Ende vergangenen Jahres Aleph-Alpha-Chef Jonas Andrulis von dem Potenzial seines Large Language Model (LLM) und des Process Mining von Signavio schwärmte, konnte oder wollte SAP-Technikvorstand Jürgen Müller zu dieser herausfordernden Kombination nichts sagen. Process-Mining-LLM wäre ein Gamechanger und würde in der B2B- und ERP-Welt weit über ChatGPT hinausreichen.
Durch die schnelle und einfache Verfügbarkeit von ChatGPT nahm das Thema künstliche Intelligenz seit November 2022 sehr viel Fahrt auf. Offen bleibt aber vielfach aus DSAG-Sicht, was KI in Form von konkreten Anwendungen bedeutet. Dabei wurde KI bei SAP bereits weit vor dem Hype um generative KI und Large Language Models eingesetzt. Wird KI nun verstärkt in bestehende Prozesse integriert und werden datengetriebene Ansätze weiterentwickelt, könnte dies langfristig dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Resilienz der Unternehmen zu steigern. Voraussetzung wären aber ein Enterprise-Architektur-LLM (LeanIX) und Process-Mining-LLM (Signavio) von Aleph Alpha und SAP. Jonas Andrulis scheint so etwas Ähnliches bereits anzustreben.
Wo bleibt SAP?
Wo fordert eine DSAG den ERP-Weltmarktführer? Als Hoffnungsschimmer ist daher die Bekanntgabe des Generative-AI-Hubs bei der vergangenen SAP TechEd in Bangalore, Indien, zu bewerten. Die auf der Business Technology Platform (SAP BTP) existierenden SAP-AI-Core und SAP-AI-Launchpad werden um diesen Generative-AI-Hub erweitert, um die Anbindung an externe LLM-Modelle, genau genommen zunächst OpenAI, anzusteuern – auch hier fehlt wieder Aleph Alpha, das wahrscheinlich im Zusammenhang mit Signavio und LeanIX die bessere Wahl wäre.
Auch mit der Einführung von SAP-Joule wird der angestrebte Fokus von SAP auf „Business AI“ deutlich. Dieser sprachgesteuerte KI-Assistent auf Basis generativer KI soll den Geschäftskontext verstehen und direkt in das Cloud-Portfolio für geschäftskritische Prozesse von Anwenderunternehmen integriert sein. Diese Ausrichtung, dass künftig Business-Prozesse in Verbindung mit KI in den Fokus rücken, hatte Thomas Saueressig, SAP-Vorstand Product Engineering, in seiner Keynote beim DSAG-Jahreskongress 2023 bereits konkretisiert. „Grundsätzlich begrüßen wir diese strategische Ausrichtung von SAP – gerade vor dem Hintergrund der dynamischen Entwicklungen rund um die großen Modelle wie OpenAI, Bard etc. Allerdings sind für uns aus kommerzieller, fachlicher und technologischer Sicht noch einige Fragen offen“, so Sebastian Westphal. Es braucht z. B. transparente und erprobte Abrechnungsmodelle und -metriken. Zudem muss nachweisbar sein, dass bei Prozessentscheidungen durch eine KI geltende Richtlinien ausgeführt und dokumentiert wurden. Aus technologischer Warte wäre u. a. wichtig, wie mit den sensiblen Unternehmensinformationen umgegangen wird, die bei der Nutzung herangezogen werden. Ebenfalls offen ist noch die Frage nach der indirekten Nutzung, wenn SAP-Daten in ein externes LLM einfließen.
DSAG-Technikvorstand Sebastian Westphal diskutierte auf den Technologietagen 2024 n Hamburg mit SAP-Technikvorstand Jürgen Müller: Es gab viele und gute Ideen – eben Visionen!
Für SAP-Datasphere und die SAP-Analytics-Cloud (SAC) ist das DSAG-Bild der Blackbox besonders anschaulich. Die Produktvisionen passen, aber in der Praxis lassen sich noch keine komplexen, übergreifenden End-to-End-Geschäftsanwendungen abbilden, die Unternehmen dringend benötigen. „Neben der Live-Connection der SAP-Analytics-Cloud zu allen SAP-Produkten braucht es diese auch zu Non-SAP-Quellen. Auch sind entsprechende Migrationsszenarien unter Anrechnung von Bestandslösungen sowie seit Jahren ein Lizenzmodell für Gelegenheitsnutzer vonnöten“, mahnte Sebastian Westphal, denn auch hier kommt das Thema indirekte Nutzung wieder ins Spiel.
SAP Business Technology Platform
Bei der Business Technology Platform (SAP BTP) vermissen die Anwender nach Meinung der DSAG noch eine serviceübergreifende Strategie sowie die Konsistenz über alle BTP-Services und deren Zusammenspiel hinweg. Ziel sollte es sein, die BTP in unternehmensweiten, mehrstufigen Architekturen noch eindeutiger als Plattform zu positionieren, aber auch mit den zugehörigen Business-Services zu integrieren und zu positionieren. Das Monitoring und Logging der einzelnen BTP-Services sind noch nicht einheitlich ausgeprägt, und auch eine durchgängige Cloud-Identity-Management-Strategie ist noch nicht Realität. Zudem würden eine einheitliche Zugriffsstrategie vom SAP-Support auf die Lines-of-Business(LoB)-Services, eine einheitliche Übersicht der BTP-Services inklusive deren Verfügbarkeit in den Preislisten das Leben der Anwender erleichtern. In Hamburg wurde auch eine zügige Integration von Lösungen wie beispielsweise Signavio als echtem, vollintegriertem BTP-Service gefordert, was DSAG mit den eigenen Arbeitskreisen sicher fördern würde.
In einer Veröffentlichung von Anfang dieses Jahres hat SAP angekündigt, jedem Bestandskunden dabei zu helfen, eine Cloud-first-Geschäftsstrategie zu entwickeln. Insbesondere den Anwendern, die der SAP-Strategie in Richtung S/4 bereits gefolgt sind, will der ERP-Weltmarktführer mit dem Programm Rise with SAP Migra-tion and Modernization entgegenkommen. Damit reagiert SAP auf eine Forderung der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe. Die Ankündigung von SAP im vergangenen Sommer, künftige Innovationen wie KI nur noch via Rise-with-SAP-premium-Angebot zur Verfügung zu stellen, hat viele Bestandskunden verunsichert, die auf S/4-Private-Cloud oder S/4-On-prem gesetzt haben. Die technische Integration von KI-Modellen von einem Vertragskonstrukt eines Anbieters abhängig zu machen lässt sich im Kontext einer IT-Architektur jedoch kaum abbilden. „KI nur noch in einem singulären Cloud-Vertrags- und -Betriebsmodell anzubieten ist zudem technisch nicht haltbar, können doch Large-Language-Modelle jederzeit unabhängig hiervon realisiert werden“, kritisierte Sebastian Westphal.
Konkret wird SAP ein zeitlich bis Ende 2024 befristetes Migrations- und Modernisierungsprogramm für Rise anbieten. „Laut SAP sollen sich auf diese Weise die Kosten für die Migration um bis zu 50 Prozent reduzieren lassen und die Zeit, bis konkret Mehrwert geschöpft werden kann, deutlich verkürzen“, fasste Jens Hungershausen das SAP-Vorhaben zusammen.
SAP will bisherigen S/4-On-prem- und ECC-Bestandskunden, die einen Rise-Vertrag abschließen und in die Private oder Public Cloud gehen, Folgendes anbieten: S/4-On-prem-Kunden erhalten bis zu 60 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Vertragswerts, wenn sie in die Private Cloud wechseln, und erhalten bis zu 100 Prozent, wenn sie in die Public Cloud gehen. Für Bestandskunden oberhalb eines noch festzulegenden Schwellenwerts stellt SAP zudem einen Enterprise-Architekten im Rahmen des Rise-Vertrags zur Verfügung. Dieser soll die Kunden ohne Vertriebsdruck als Trusted Advisor beraten. Die eingesparten Kosten werden als Gutschrift bei SAP hinterlegt. „Sie können dann zur Deckung der Kosten für Wartung, Cloud-Services oder weitere Cloud-Subskriptionen genutzt werden“, erläuterte Jens Hungershausen.