Wie relevant ist SAP?
Exit-Strategie: SAP Business Technology Platform
Geht es nach der Vorstellung von SAP, dann ist die BTP, Business Technology Platform, das zukünftig führende System im SAP-Universum. Auf dieser Plattform sollen alle SAP-Cloud-Lösungen orchestriert werden, der Zugriff auf Hana geregelt werden, Modifikationen inklusive Steampunk entstehen und vieles mehr. S/4 ist der Frozen Core und letztendlich nur ein weiteres BTP-Service wie Datasphere, Singnavio, Concure, LeanIX und alle anderen Baustellen aus dem reichhaltigen SAP-Angebot.
Die SAP BTP ist ein Gegenentwurf zum Composable Enterprise, das beim SAP-Bestandskunden Mercedes in Stuttgart aus SAP Simple Finance (S/4), Saleseforce (CRM) und Workday (HCM) besteht. Naturgemäß will SAP im eigenen Composable Enterprise nur eigene Lösungen wie SuccessFactors oder C/4 Hana sehen. Diese Monokultur soll BTP sicherstellen. Aber die ERP-Anwender haben andere Pläne: Der französische IT-Analyst PAC mit Büro in München und ausgezeichneten Verbindungen zu SAP hat in der Community recherchiert, dass nur 24 Prozent der SAP-Bestandskunden in Europa die Business Technology Platform nutzen. 76 kannten die BTP nicht!
BTP versus Hyperscaler
SAP kam mit der Plattformidee viel zu spät auf den Markt und vergeigte dann einen möglichen Erfolg durch zögerliches Auftreten. Noch ist SAP vom eigenen Erfolg überzeugt, aber die Hyperscaler und Angebote von Professor August-Wilhelm Scheer sind überzeugender. Originalton: „SAP BTP will become the central platform for digital transformation in companies and the basis for innovation” meinte ein SAP Chief Revenue Officer im Gespräch mit PAC.
Scheer-CTO Wolfram Jost hat es in einer Keynote auf dem Steampunk- und BTP-Summit 2024 in Heidelberg betont, dass BTP keine Plattform ist, sondern ein Ansammlung von IT-Services. Interne Unterlagen von SAP scheinen Wolfram Jost zu bestätigen, SAP-Vertriebsbeauftragte sammeln nicht Bonuspunkte, wenn ein SAP-Bestandskunden die BTP als ganzes nutzt, sie bekommen für jedes einzeln verkaufte Service und Softwaremodul eine Provision.
Somit gewinnt SAP aktuell viele Process-Mining-Kunden mit Signavio und der Mitbewerber Celonis aus München hat das Nachsehen. Aber der Plattformgedanke, dass Signavio ein orchestriertes Service auf der BTP in Kombination mit Cloud ALM, LeanIX und Joule sein soll, geht vollkommen verloren. Als IT-Werkzeug für ein Composable Enterprise hat BTP aktuell noch nicht überzeugt.
Composability und Composable Enterprise
Ein Gamechanger für Unternehmenssoftware soll aus Sicht der SAP die BTP werden. Auf dem BTP-Summit der SAP-Community Ende Februar dieses Jahres in Heidelberg zeigte sich aber sehr schnell, dass BTP nicht mehr ist als eine interessante, heterogene Ansammlung von IT-Services. Das wesentliche Merkmal eine IT-Plattform „zu orchestrieren“ fehlt der BTP vollständig.
Bereits im Dezember 2021 schrieb die E3-Redaktion gemeinsam mit einem Executive von Oracle die Coverstory „Composability“. SAP reagierte darauf nicht, sondern ignorierte das Thema bis Ende 2023. Dann kam Professor Scheer mit dem Buch: Composable Enterprise – agil, flexibel, innovativ – Gamechanger für Organisation, Digitalisierung und Unternehmenssoftware. Aktuell fragen sich viele SAP-Bestandskunden, ob SAP hier einen weiteren Trend verschlafen hat. Wie relevant ist SAP noch?
Relevanz im Composable-ERP-Markt
Mit S/4 Hana hat SAP einen logischen Nachfolger für die Business Suite 7 (ECC 6.0), aber keine Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung mit generativer KI und heterogenen Cloud-Systemen. Die Antwort der SAP lautet S/4 Public Cloud und BTP, die ist mehr ein ambivalenter Zustand als eine strategische Plattform.
Mit S/4-Simple-Finance wird SAP bis 2040 und mit einem S/4-Nachfolger darüber hinaus im Rechnungs- und Finanzwesen relevant bleiben, aber schon heute geben Salesforce im CRM- und Workday im HCM-Markt den Ton an. SAP hat die Relevanz eines ganzheitlichen ERP-Ansatzes wie es noch R/3 und später die Business Suite 7 darstellte verloren. BTP als Sammlung von IT-Services ohne Orchestrierung wird die verlorengegangene Relevanz nicht zurückbringen.
S/4- und BTP-Architektur
Jede Hinwendung zum Comosability-Megatrend kann für SAP nur ein Scheingefecht sein, weil die S/4- und BTP-Architektur niemals auf Kooperation fokussiert war. Auch SAP wird den Composable-Enterprise-Gedanken aufnehmen müssen, aber es wird eine Fata Morgana im SAP-Universum bleiben, die für SAP-Bestandskunden niemals erreichbar sein wird. Die sehr loyalen SAP-Anwender werden sich weiterentwickeln und über den Tellerrand schauen. Das ist naturgemäß nicht das Ende von SAP, aber relevant wird der ERP-Weltmarktführer immer weniger.
Ob SAP in einem Markt, den Professor August-Wilhelm Scheer mit dem Buch „Composable Enterprise“ adressiert, noch relevant ist und bleibt, wäre vor wenigen Jahren als Blasphemie und Majestätsbeleidigung empfunden worden. Aktuell stellt sich die Frage: Verschläft SAP nach dem Internet (um die Jahrtausendwende), nach KI (siehe das phänomenale Scheitern des SAP´schen Leonardo-Programms vor wenigen Jahren) nun auch den Megatrend Composable Enterprise?