Offene Fragen
„Best of Breed is back“, lautete ein Ondit im Rahmen Ihrer Keynote eingangs der diesjährigen DSAG-Technologietage, was sichtlich einige Zuhörer ins Grübeln brachte. Was verstehen Sie unter „Best of Breed is back“?
Ralf Peters: In Unternehmen werden immer stärker insbesondere auf Wunsch oder Anforderung durch Fachabteilungen zusätzliche Software-Applikationen eingesetzt.
Vielleicht eine Tax-Ermittlung für China als Cloud-Lösung; vielleicht diese oder jene Spezialität der Preisfindung als Zusatz für eine Unternehmensanwendung. Unter Umständen hat auch eine Marketingabteilung einen Bedarf nach einem passgenauen Redaktionssystem und, und, und.
Ich denke, in der Vergangenheit gab es mehr Vorgaben oder Standards, was geht und was nicht. Und heute? Eine IT kann nicht mehr als eine Art Neinsager oder Verhinderer agieren.
Man möchte ja verbessernde Neuerungen ermöglichen, damit sich Unternehmen nach vorn entwickeln können. Und das in hoher Geschwindigkeit. Man muss heute offen für die Wünsche von Fachabteilungen sein, selbst wenn es für die IT nicht immer angenehm erscheint.
Ist damit ein gewisses Abbröckeln von SAP-Funktionalität verbunden?
Peters: Für SAP gibt es sicherlich mehr Konkurrenz. SAP setzt auf die Cloud – und begibt sich damit in einen neuen oder anderen Wettbewerb. Das heißt: Bietet jemand eine bessere Applikation für etwa eine Reisekostenabrechnung, dann muss sich SAP dem Wettbewerb stellen.
Wer übernimmt dann die Verantwortung für die Integration?
Peters: Am Ende des Tages trägt die IT die Verantwortung und ist ferner angehalten, die Integration zu realisieren.
Steht in Sachen Integration nicht auch die SAP in der Pflicht?
Peters: Sicherlich muss da auch die SAP liefern. Schließlich forciert man ja diese Art von Kleinteiligkeit und bietet auch einzelne Cloud-Produkte an. Zum Beispiel SAP Cloud for Customers (C4C) als Cloud-CRM-System – was sicherlich Integrationsvorteile mit sich bringt, wenn man es als SAP-Bestandskunde nutzt. Aber es gibt auch Alternativen.
Allerdings wird das Business für SAP trotz möglicher Cloud-Alternativen aus meiner Sicht künftig eher größer als kleiner. SAP-Bestandskunden werden wohl immer SAP-Applikationen ins Kalkül miteinbeziehen, weil man davon ausgeht, dass es einfacher ist, Software von SAP an existierende SAP-Systeme anzubinden.
Die Intention der DSAG ist es, dass SAP qualitativ hochwertige Applikationen bereitstellt, die gut in Landschaften von SAP-Kunden passen.
In letzter Zeit hat sich eine Art Pro-Cloud-Einstellung bei der DSAG breitgemacht. Wo kommt dieser Change her?
Peters: Aus meiner Sicht geht der Trend am Markt stark in Richtung Cloud Computing. Es hat sich auch eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Datensicherheit gelegt, weil probate Lösungen für mögliche Probleme geschaffen wurden.
Und: Wenn man sich tiefer mit dem Cloud Computing auseinandersetzt, kristallisiert sich oft heraus, dass das Cloud Computing gewisse Anforderungen besser löst, als dies on-premise der Fall ist. Allerdings gibt es auch Erfordernisse, die ein Cloud-Angebot nicht bieten kann.
Ein relativ stark gecustomized System wird sehr wahrscheinlich nicht in der Cloud seinen Platz finden. Wer soll sich in der Breite und Tiefe darum kümmern? Da wird man sagen: Cloud nie.
Ich bin schon ein wenig davon überrascht, dass mittlerweile Unternehmen sagen: Finanzen in der Cloud? – Kein Problem. Hätten Sie mich vielleicht vor zwei Jahren gefragt, ob Unternehmen ihre Finanzdaten in die Cloud bringen, hätte ich geantwortet: nie und nimmer.
Die SAP Cloud Platform tritt mehr und mehr ins Rampenlicht. Die SAP Cloud Platform ist aber erst noch am Werden und ein relativ junges Produkt. Wo stehen wir heute?
Peters: Es gibt Teilbereiche, die funktionieren sehr gut. Zum Beispiel die Fiori-Entwicklung über die SAP Cloud Platform. Es ist alles vorhanden und es ist rund; kann uneingeschränkt verwendet werden. Andererseits ist erkennbar, dass bezogen auf die gesamte Applikationslandschaft beim SAP-Shop noch ein paar Meter zurückzulegen sind.
Bis eben ein Best-of-Breed-Angebot der Neuzeit aus einem Guss offeriert und vorteilhaft verwendet werden kann. Eine entsprechende SAP-Cloud-Platform-Vielfalt wird es nur geben, wenn es SAP gelingt, Partner für Investitionen zu motivieren.
Die DSAG würde es begrüßen, wenn SAP es schafft, Add-ons oder Zusatzlösungen von Partnern über die SAP Cloud Platform verfügbar zu machen. Dazu muss die SAP aber auch zeigen, dass ihre Cloud Platform Enterprise-ready ist.
Belastbare und verlässliche Informationen in Sachen SAP-Cloud-Platform-Produktstrategie sind eine notwendige Grundlage und müssen bereitgestellt werden!
Wie unterstützt die DSAG ihre Mitglieder in puncto SAP Cloud Platform?
Peters: Grundsätzlich gibt es im Bereich Technologie verschiedene Arbeitsgremien, die sich aus ihrer jeweiligen Perspektive mit dem Thema SAP Cloud Platform beschäftigen. Unter anderem kommt der SAP Cloud Platform eine Rolle bei der Weiterentwicklung in der Business Suite zu.
Notwendige gesetzliche und funktionale Änderungen bis 2025 könnten, wo möglich, auch in der SAP Cloud Platform passieren. Generell werden wir mit Informationen und aus den Arbeitskreisen heraus helfen, dass die SAP Cloud Platform in der IT-Strategie der Unternehmen berücksichtigt wird.
Zum Thema Digitalisierung: Dieses wurde beim letztjährigen DSAG-Jahreskongress stark in den Mittelpunkt gerückt. Ist es nach wie vor der IT-Leiter, der es in Unternehmen richten darf?
Peters: Digitalisierung hat in aller Regel und in erster Linie mit Business-Modellen zu tun. Und das muss von einem Unternehmen gesamtheitlich getragen werden. Die Rolle der IT ist dabei – und ich behaupte mal, die IT ist quasi die letzte Querschnittsfunktion in den Unternehmen –, zu schauen, passt das wirklich alles zusammen? Und kann ich dies oder das liefern und wirklich gemäß aufgestellten Standards betreiben?
Heute kommen viele Digitalisierungsimpulse beispielsweise aus dem Einkauf, dem Vertrieb oder dem Marketing. Über Randfachbereiche hin zum Business oder zu den Lieferanten oder zu den Kunden.
Digitalisierungsinitiativen müssen Sinn machen – und vor allem: Es muss sich um ein neues Modell für das Business handeln. Wenn das nicht der Fall ist, dann sprechen wir von einem Optimierungsprojekt, jedoch nicht von einem Digitalisierungsprojekt.
Die DSAG macht neuerdings ein gewisses Nachwuchsproblem aus. Und zwar in der Art, dass sich junge Leute nicht mehr genügend für Themen rund um SAP begeistern. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür?
Peters: Sicherlich tut SAP viel im Universitätsumfeld oder im Fachhochschulbereich. Aus meiner Sicht haben wir das Problem, dass sich junge Menschen weniger mit SAP-Themen und Business-Prozessen auseinandersetzen möchten.
Es wird zunehmend schwieriger für Anwenderunternehmen, genügend und gut ausgebildete SAP-Fachkräfte zu finden. Es gibt schlichtweg einen Handlungsbedarf in Sachen SAP und Recruiting. Wir als DSAG versuchen, unsere Mitglieder hier zu unterstützen.
Zwar können wir keine kostenintensiven Programme aufsetzen, aber wir können mit SAP, Universitäten, Partnern und Mitgliedsfirmen kooperieren und durch die beachtliche Verbreitung der DSAG helfen, entsprechende Projekte erfolgreich umzusetzen.