S/4 – Fixstern für das System von übermorgen
Ein namhafter Technologiekonzern, 250.000 Mitarbeiter in 33 Ländern. An den CFO berichten acht Divisionen aus fünf Kontinenten. Es gibt kein einheitliches Reporting, aber elf verschiedene Kontenpläne.
Der CIO ist Herr über 14 unterschiedliche ERP-Systeme, die Prozesse sind weitgehend nicht harmonisiert. Wir treffen beide am Rande eines globalen Symposiums in Barcelona.
S/4 Hana ist mittlerweile ein viel diskutiertes Thema im Unternehmen. Das Management weiß: Bis 2025 muss die Transformation abgeschlossen sein. Die Fachbereiche erwarten, dass ein Digital Core aufgebaut wird, als Basis der hauseigenen Digitalisierungsstrategie.
Der IT-Chef steht unter Druck. Er möchte möglichst bald mit S/4-Aktivitäten starten. Aber wie? Er ist verunsichert, kein Wunder. Informationen gibt es mehr als genug. Er erkennt viele Detailthemen, hat aber kein klares Bild vor Augen.
Beispiel: Die Oracle-Datenbank-Lizenz läuft ab. Soll er die Lizenz verlängern oder gleich eine Hana-Datenbank einführen? Es fehlt ein Fahrplan.
Projektansatz und „Sweet Spot of Transition“
Fast eine halbe Stunde hat der CIO uns berichtet, bei Rioja, gefülltem Rinderfilet und Crema Catalana. Nach dem Dessert sind wir am Zug. Was braucht er für seinen Weg in die neue SAP-Welt? Zunächst einmal einen Reiseplan.
Mit dem Management gilt es, eine individuelle Roadmap zu bauen für die kommenden drei Jahre. Inhalt: sämtliche Vorbereitungsprojekte bis zur Transition. Wichtig ist dabei ein Fixstern: das Ableiten des sogenannten „Sweet Spot of Transition“. Wann ist der richtige Zeitpunkt, um auf S/4 umzusteigen?
In dem vorliegenden Fall des Hightech-Riesen wird klar: nicht vor 2023! Die Dimensionen sind zu groß, zu viele Fachbereiche sind involviert, die Vorbereitung wird Jahre in Anspruch nehmen, schließlich reden wir über globale Prozesslandschaften und Systeme.
Den „Transition Approach“ bestimmen wir aber schon heute. Die Treiber kommen gleichermaßen aus dem Business und der IT, abhängig von der Frage: Welche Prozesse sollen angepackt werden – welche Veränderungen bieten Potenziale?
Mache ich eine Radikalkur und gestalte auf Basis einer Restrukturierung alle Geschäftsprozesse neu (Greenfield-Ansatz)? Oder behalte ich meine alte Systemlandschaft und fahre ein Upgrade (Brownfield-Ansatz)?
Die Vorbereitungen können von Company zu Company ganz unterschiedlich aussehen. Abhängig vom Zielbild, das wir zusammen mit dem „Sweet Spot“ ermitteln.
Es gibt zwei Dimensionen: Welche Prozesse, Regelwerke, Stammdaten etc. sollen nach dem Umstieg in welcher Form zur Verfügung stehen? Zudem geht es um die Frage: Wie soll die künftige Systemlandschaft technisch aussehen? Daraus leiten sich die Vorbereitungsprojekte ab: Design völlig neuer Prozesse, tief greifende organisatorische Anpassungen, technische Aktivitäten, Stammdaten optimieren.
Wir sind mittlerweile beim dritten Café con leche. CIO und CFO haben sich viele Notizen gemacht. Sie stellen noch ein paar Fragen, dann greifen sie plötzlich nach ihren Mänteln. Die Zeit drängt, eine Telco mit den brasilianischen Kollegen. Handshakes, schneller Abgang. Ich bin nicht sicher, ob meine Botschaft angekommen ist.
Drei Stunden später, wir sind schon auf dem Weg zum Flughafen El Prat, erreicht mich eine Mail des CIO: „Vielen Dank, Herr Dorsner“, so beginnt sie. „Ich bin nun besser sortiert! Ich habe verstanden, welche Abhängigkeiten es gibt. Ich kenne Relevanz und Reihenfolge der Fragen, die wir in unserer Organisation zwischen Management, Business und IT klären müssen, bevor wir S/4 einführen. Wann treffen wir uns zum nächsten Termin?“
Mein Kollege, Consulting Director im Finance-Bereich, hat mitgelesen. Er schmunzelt. Unser Kunde hat offenbar verstanden: Als CIO muss er das Thema S/4 nicht allein wuppen. Er ist „nur“ der Quarterback, der das Projekt steuert. Es sind viele Player im Spiel. Denn die großen Fragen kommen nicht aus der IT, es sind Business-Fragen.