One Financial Language
Als August Claas im Jahre 1913 eine Firma zur Herstellung von Strohbindern gründete, genügten für ihre Gewerbeanmeldung 30 knappe Worte. Gut 100 Jahre später ist der Verwaltungsaufwand für die Firma damit gar nicht mehr zu vergleichen, denn aus dem einstigen Handwerksbetrieb ist mittlerweile ein international aufgestelltes Unternehmen mit rund 30 Konzerngesellschaften geworden.
Die weltweite Expansion in über 20 Länder hält viele Herausforderungen bereit: Gravierende Unterschiede in den Geschäftsprozessen an den verschiedenen Standorten erschwerten bei Claas das Reporting und Controlling.
Dies war ein Grund für die Entscheidung, die 15 verschiedenen Kontenpläne, die im Zuge des Unternehmenswachstums entstanden waren, konzernweit zu harmonisieren. Damit wollte Claas die unterschiedlichen Arbeitsweisen in den verschiedenen Organisationen vereinheitlichen.
Aufwand beim Jahresabschluss minimieren
Bisher buchte jede Gesellschaft ihre Geschäftsprozesse nach einem eigenen System, sodass ein und derselbe Vorgang – beispielsweise das Verbuchen einer Eingangsrechnung oder einer Rückstellung – an jedem Standort auf einem anderen Konto auftauchen kann.
Welche Konsequenzen diese Vielfalt für das Konzernreporting hatte, erläutert Dietmar Große Vogelsang, Leiter der Abteilung Controlling/Rechnungswesen in der Holding-Gesellschaft:
„Da die Geschäftsprozesse an verschiedenen Standorten nicht einheitlich durchgeführt wurden, ergaben sich häufig Differenzen zwischen der Berichterstattung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) und der internen Management-Erfolgsrechnung.
Dies erforderte immer wieder hohen Abstimmungsaufwand zwischen den einzelnen Gesellschaften und führte beim Jahresabschluss zu Widersprüchen, Fragen und viel Sucherei.“
Ein weltweit einheitlicher operativer Kontenplan für alle Gesellschaften sollte die innerbetrieblichen Abläufe beim Rechnungswesen effizient und konsistent gestalten.
Standardisierte Berichtsstrukturen
Das Ziel des Projekts war ein Standardized Chart of Accounts (SCoA) mit standardisierten Buchungsprozessen und Berichtsstrukturen. Erschwert wurde die Konzeption durch regionalspezifische Anforderungen:
In einzelnen Ländern gelten rechtsverbindliche Vorschriften, in welchen Nummernkreisen bestimmte Vorgänge zu verbuchen sind – und diese nationalen Regelungen unterscheiden sich teilweise erheblich voneinander.
Um sowohl die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen als auch die unternehmensweite Harmonisierung zu ermöglichen, fuhr das Projektteam in den betreffenden Ländern zweigleisig: Dort gibt es jetzt neben dem standardisierten operativen Kontenplan auch lokale alternative Konten, die die jeweiligen Anforderungen erfüllen.
Als Partner holte Claas cbs Corporate Business Solutions mit ins Boot. Die Spezialisten der Heidelberger Unternehmensberatung betrachten die Transformation nicht nur aus der technischen Mapping-Perspektive, sondern haben stets prozessuale Auswirkungen im Blick.
Mit Change-Management Effizienz steigern
Vor der eigentlichen Transformation war eine Harmonisierung der internen Geschäftsprozesse notwendig.
„Diese stellte eine große Herausforderung dar, war aber die Basis für unser SCoA-Projekt, mit dem wir größtmögliche Effizienz und Transparenz in der gesamten Claas Gruppe herstellen wollten“
schildert Dietmar Große Vogelsang, der als Projektleiter für den Erfolg von SCoA verantwortlich war.
Das Change-Management befasste sich zunächst vor allem mit organisatorischen und verwaltungstechnischen Themen. Das Team musste zum Beispiel für alle beteiligten Gesellschaften verbindlich festlegen, welche Prozesse künftig auf welche Konten gebucht werden und nach welchen Kriterien – wie Ländern, Regionen oder Produktkategorien – sich die Buchungen gruppieren.
Auch die Daten der Fachabteilungen mussten in den einheitlichen Kontenplan eingebunden werden: Dazu waren Schnittstellen nötig, über die sich die Informationen aus verschiedenen Fachbereichen vom Kundendienst über den Vertrieb bis in die Personalabteilung in die zentrale Gewinn-und-Verlust-Rechnung importieren lassen. Das Ergebnis, ein konzernweit einheitlicher Kontenplan, diente später als Mapping für die Konvertierung der Konten.
Konvertierungsfahrplan
Bereits in dieser Phase waren die Experten von cbs wichtige Ansprechpartner, deren betriebswirtschaftliches, methodisches und technisches Wissen bei der Planung hilfreich war. In enger Abstimmung mit den Prozessberatern beschloss das Projektteam von Claas, die Konvertierung des Produktivsystems auf einen einheitlichen Kontenplan in vier Wellen durchzuführen.
Eine wichtige Entscheidung, um die Ressourcen in den Fachbereichen und in den IT-Abteilungen der beteiligten Gesellschaften nicht zu überlasten. In der ersten Phase wurde der neue Kontenplan in den elf deutschen Konzerngesellschaften eingeführt.
Im zweiten Schritt erfolgte die Umstellung in sieben Tochterunternehmen, darunter China, Argentinien und England. Die übrigen Auslandsgesellschaften (Indien, USA, Polen, Italien etc.) folgen in den Wellen drei und vier, die innerhalb der kommenden eineinhalb Jahren schrittweise umgesetzt werden.
Die Konvertierung erfolgte rückwirkend über die gesamte Historie, sodass den Nutzern sämtliche Informationen in der neuen Struktur wieder zur Verfügung stehen – ganz so, als seien die Daten schon immer nach der neuen Methode gespeichert worden. Hierzu hat cbs neben dem SAP-System auch das angeschlossene Archivsystem konvertiert.
Minimal-invarsives Vorgehen
Für die komplexen Transformationsprozesse in der Claas Gruppe kam die Projektmethodik M-cbs zum Einsatz, die cbs speziell für SLT-Projekte entwickelt hat. Die Heidelberger Unternehmensberatung arbeitet bei SAP-gestützten Transformations- und Optimierungsprojekten seit mehr als 20 Jahren sehr erfolgreich mit dieser Methode, die auch bei Claas auf schnellem Weg zum Ziel führte.
Um die zahlreichen Kontenpläne zu vereinheitlichen, mussten sie im ERP-System konvertiert werden. Mithilfe der Standardsoftware cbs ET Enterprise Transformer gelang die Konvertierung minimalinvasiv, also ohne bestehende Prozesse vor der Transformation abschließen zu müssen.
Innerhalb von nur 24 Stunden wurden im Go-live mehr als eine Milliarde Datensätze konvertiert. Der Grund für das rekordverdächtige Tempo: An das Produktivsystem von Claas ist ein Webshop angeschlossen, der nur wenige Stunden vom Netz genommen werden darf.
Mit dem Abschluss der Wellen eins und zwei hat Claas die ersten Hürden auf dem Weg zu einem einheitlichen operativen Kontenplan genommen. SCoA-Projektleiter Dietmar Große Vogelsang ist mit dem bisherigen Verlauf des Projekts sehr zufrieden und hat eine wichtige Erkenntnis gewonnen:
„Eine Kontenplanharmonisierung mit diesem Umfang funktioniert nicht ohne kompetente Unterstützung – und die haben wir von cbs erhalten. Ebenso wichtig ist es aber, auch eine so umfangreiche Transformation als Unternehmen akribisch vorzubereiten, um die Geschäftsprozesse sinnvoll zu gestalten und möglichst exakt abzubilden.“
30 Gesellschaften – eine Finanzsprache
Nach intensiven Diskussionen, sorgfältiger Planung und der technischen Umsetzung durch cbs ist Claas seinem Ziel einer weltweit gemeinsamen Finanzsprache einen bedeutenden Schritt näher gekommen.
Die einheitliche Sprache im Bereich Finanzen & Reporting bietet nicht nur strukturelle Vorteile, sondern vereinfacht auch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Standorten und Gesellschaften, da sich deren Prozesse nun aneinander angleichen.
Dass in Spanien eine Eingangsrechnung auf die gleichen Konten gebucht wird wie in Deutschland oder in China, macht endlich die IFRS-Berichterstattung mit der internen Management-Erfolgsrechnung vergleichbar.
Das verschafft den Abteilungen für Controlling oder Rechnungswesen einen schnellen und vollständigen Überblick über die globalen Finanzen. Zudem ermöglicht es, konkrete Maßnahmenpakete für einzelne Kostenblöcke zu definieren oder wichtige Management-Entscheidungen vorzubereiten beziehungsweise zu fällen.
We are one group, we speak one financial language – das war die Vorgabe. Dieser Fortschritt dient dem Unternehmen als Grundlage für weitere Entwicklungen, auch, um das Rechnungswesen fit zu machen für die Digitalisierung.
Der Fahrplan dafür steht schon: Im ersten Schritt will Claas verbindliche Standards definieren, um die Unternehmensabläufe im Sinne einer One Global Corporation so weit wie möglich zu vereinheitlichen.
So sollen die Voraussetzungen für die geplante Digitalisierung und Automatisierung geschaffen werden – damit das Rechnungswesen ebenso modern und effizient wird wie die weltweit gefragten Landmaschinen des Technologieführers.