Datenmanagement braucht klare Regeln
Es gibt wohl nur wenige Themen, die die Unternehmen derzeit ähnlich umtreiben wie die Digitalisierung.
„Data-driven transformation is becoming a question of life or death in most industries“
spitzt es die Boston Consulting Group zu.
Schon längst ist die Menge an Daten unvorstellbar groß – und sie wächst exponentiell weiter. Laut Infosys (2015) wächst allein die Menge strukturierter Daten, zu denen auch Stammdaten wie Kunden-, Lieferanten-, Produkt-, Mitarbeiter- und Finanzdaten gehören, um mehr als 40 Prozent pro Jahr.
Treiber für Datenqualität
Daten erfüllen keinen Selbstzweck, Datenqualität ist kein „Hygienefaktor“ und kein überflüssiges Hobby von IT-Nerds. Die Notwendigkeit, eine konstant hohe Datenqualität aufrechtzuerhalten, ergibt sich vielmehr aus handfesten geschäftlichen Anforderungen. Zu den wesentlichen Treibern für Datenqualität gehören laut Otto/Österle (Corporate Data Quality, 2016):
360-Grad-Sicht auf den Kunden: Das Wissen über den Kunden sei der Ausgangspunkt für Marketing und Verkauf, aber auch für die Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. Deshalb müssten Unternehmen in der Lage sein, sämtliche Informationen zu den Bedürfnissen des Kunden verfügbar zu haben.
Unternehmenszukäufe und -zusammenschlüsse: Für die reibungslose Integration von Unternehmenszukäufen bedarf es verbindlicher Vorgaben für die Erfassung, Pflege und Verwendung der Stammdaten.
Daten müssen möglichst nah an der Quelle und bei der ersten Eingabe richtig erfasst werden („First time right“-Prinzip). Datensilos verbieten sich von vornherein. Alle Geschäftsbereiche, Funktionen und Märkte müssen mit einer integrierten Datenbasis arbeiten.
Compliance: Die zunehmende Regulierungsdichte zwinge die Unternehmen, eine große und weiter steigende Zahl gesetzlicher und behördlicher Vorgaben und Vorschriften zu erfüllen.
Berichtswesen: Trotz des Einsatzes leistungsfähiger Unternehmenssoftware könnten Unternehmen oftmals grundlegende Fragen nicht beantworten, wie beispielsweise:
- Aus wie vielen Produkten besteht unser Sortiment?
- Wie hoch ist das Beschaffungsvolumen mit den größten zehn Lieferanten?
- Welchen Umsatz haben wir im vergangenen Geschäftsjahr mit unserem größten Kunden gemacht?
- Der Grund dafür sei das Fehlen einer sogenannten „Single Source of Truth“.
Operational Excellence: Mit der Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen nutzten Unternehmen Skaleneffekte und verringerten gleichzeitig ihre Komplexität. Voraussetzung dafür sei ein einheitliches Verständnis über die Daten im Unternehmen, die in allen Geschäftsbereichen genutzt werden.
Voraussetzung Data Governance
Um diesen Anforderungen an eine konstant hohe Datenqualität gerecht zu werden, könnten Unternehmen beschließen, eine professionelle Softwarelösung für das Stammdatenmanagement einzuführen.
Sie ermöglicht eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden, die dezentrale Datenerfassung, die Einhaltung des „First time right“-Prinzips, überwindet Datensilos, erlaubt die Einhaltung regulatorischer Vorschriften und stellt eine „Single Source of Truth“ bereit. Keine schlechte Idee also!
Nein, ganz sicher nicht. Es ist allerdings wichtig, daran zu erinnern, dass Software zwar die richtigen Werkzeuge zur Verfügung stellt, aber nicht die erforderliche Arbeit erledigt, um ein effektives Data-Governance-Programm zu entwickeln.
Daher kann eine IT-Unterstützung durch eine Stammdatenmanagement-Lösung erst erfolgen, wenn zuvor die Geschäftsprozesse justiert und Regeln für den Umgang mit Daten aufgestellt wurden.
Gerade das erfordert ein professionelles Stammdatenmanagement: Es darf eben nicht mehr jeder in seinem Datensilo machen, was er will; es gibt klare Richtlinien, die natürlich in Hoheitsgebiete eingreifen.
So darf beispielsweise der Vertrieb mit „seinen“ Daten nicht nach Gusto umgehen, sondern muss sich an Vorgaben halten, welche Daten wo und wie gepflegt werden, wer genehmigt usw. Hinzu kommt, die Verantwortlichen müssen auch für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten geradestehen.
Kurzum: Um Datenqualität dauerhaft sicherzustellen, müssen einheitliche Geschäftsprozesse und Verantwortlichkeiten festgelegt sowie Regeln und Standards für den Umgang mit Stammdaten, für Dateneingabe, -freigabe und -pflege definiert werden. Ohne wirksame Data Governance geht es nicht!
Data Governance „definiert Rollen und ordnet ihnen Verantwortlichkeiten für die Funktionen und Aufgaben des Datenqualitätsmanagements zu“. Zudem setzt sie „organisationsweite Richtlinien und Standards für das Datenqualitätsmanagement und stellt die Compliance bezüglich der Unternehmensstrategie und externen Vorgaben sicher“, definiert B. Otto (2007).
Data Governance müsse unternehmensweit wirken, weil die Folgen mangelhafter Datenqualität, wie beispielsweise ungenaues Berichtswesen, Uneinigkeit hinsichtlich Eignung und Glaubwürdigkeit von Datenquellen und mangelhafte Entscheidungen aufgrund falscher Definitionen, bereichsübergreifend seien.
Data Governance und MDM in der Praxis
Keine Frage: Data Governance ist essenziell für ein wirkungsvolles Stammdatenmanagement. Eine professionelle Softwarelösung liefert sodann die technische Unterstützung. MDM allein – ohne Data Governance – könnte auch nur ein Hub oder die Konsolidierung von Stammdaten sein, ohne die Definition von Regeln für den Umgang mit Daten und die Anpassung von Organisation, Strukturen und Prozessen.
Data Governance schafft den erforderlichen Ordnungs- und Steuerungsrahmen als organisatorische Grundlage, um ein Stammdatenmanagement im Unternehmen einführen zu können. Hierbei sind die relevanten Rollen, Verantwortlichkeiten und Prozesse zu definieren.
Beispielsweise sollte in den entsprechenden Policies festgelegt werden, wer für bestimmte Daten und die Einhaltung von Qualitätsstandards verantwortlich ist – und wer nicht. Außerdem ist zu klären, welche Rollen die Mitarbeiter haben, die mit Daten hantieren, und wie diese mit Daten umzugehen haben.
Darüber hinaus muss festgelegt werden, nach welchen Standards Daten erfasst werden. Hier sollte definiert werden, welche Mindestanforderungen an Daten einzuhalten sind und welche Sicherheitsregeln zu beachten sind.
Um Data Governance wirkungsvoll in die Tat umzusetzen, kann ein Data-Governance-Office als institutionalisierte Daten-Autorität installiert werden, die die Nutzung von Daten innerhalb des Unternehmens festlegt.
Das Office besteht aus Vertretern der relevanten Geschäftsbereiche; dabei kann nach fachlichem Fokus (zentrale/dezentrale Vertriebsfunktionen, Finance, HR, IT) oder geografischem Fokus (alle Funktionen einer Landesvertretung) unterschieden werden.
Wie sieht eine Data-Governance-Unterstützung praktisch aus? Die Daten können von unterschiedlichen Nutzern in einem System erfasst, von der Konzernzentrale validiert und an die relevanten Systeme distribuiert werden.
Dies geschieht auf Basis von Prozessen, die sich inklusive Freigaben und Workflows von den Unternehmen selbst definieren lassen. Belege können innerhalb eines Prozesses (Requests) dokumentieren, welcher Nutzer beziehungsweise welche Nutzergruppe welche Daten eingegeben und wer diese Daten auf Basis welcher Informationen freigegeben hat.
Fazit
Alles in allem: Data Governance ist alles andere als trivial. Data Governance bedeutet Veränderung – in jeglicher Hinsicht. Data Governance verändert die Verantwortlichkeiten für Entscheidungen, die Rechenschaftspflicht aller am Prozess beteiligten Personen, verändert Arbeitsabläufe und Prozesse – kurzum:
Data Governance verändert die Art und Weise, wie das Unternehmen arbeitet. Das muss niemanden erschrecken. Im Gegenteil: Für ein erfolgreiches Datenqualitäts- und Stammdatenmanagement und damit für die Etablierung einer „Single Source of Truth“ ist Data Governance als Führungsfunktion unerlässlich.