Die Add-on- & Z-Steuer
Seit gut einem Jahr rumort es in der SAP-Community: Walldorf will mit dem Thema „indirekte Nutzung“ eine weitere nachhaltige Erlösquelle auftun. Man kennt dieses Vorgehen, wird das Geld knapp, gibt es als Antwort eine neue Steuer.
Diesmal hat sich SAP dieses Vorgehen zu eigen gemacht und versucht nun für die indirekte Nutzung weitere Lizenzen bei den Bestandskunden einzutreiben. Das kann teuer werden.
Der Lizenz-Arbeitskreis der DSAG fragte seine Mitglieder nach dem vermuteten Risiko: In einer viel beachteten Umfrage, durchgeführt durch SecurIntegration, heißt es, dass sich die meisten Unternehmen des finanziellen Risikos, das sich aus der Änderung der PKL ergibt, noch nicht bewusst sind.
In den vergangenen Jahrzehnten hat SAP es immer wieder erfolgreich verstanden, sich als Partner ihrer Kunden zu positionieren. Die Bereitschaft, Konditionen individuell, an den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Kunden orientiert zu verhandeln, war bisher ein Markenzeichen der SAP.
Dieses Verhalten hat sich jedoch mit der Änderung der „Spielregeln“ im Jahr 2014 verändert. Dies gilt zwar noch nicht für alle Key Account Manager, aber doch für einige, wie diese DSAG/SecurIntegration-Studie zeigt.
Letztlich ist SAP im stark umkämpften IT-Markt dort angekommen, wo auch alle anderen großen Softwarehersteller stehen: Umsatzsteigerungen lassen sich ab einer bestimmten Marktsättigung fast nur noch über Bestandskunden realisieren.
Wenn die SAP nun die Vermessungsergebnisse infrage stellt und selbst auditiert (oder möglicherweise in Zukunft Drittfirmen damit beauftragt), Nachlizenzierungen fordert oder gar einklagt, wird sich auch die Einschätzung der SAP-Kunden ändern. Denn die Anbieterabhängigkeit an sich stellt schon ein gewisses Risiko dar.
Dies gilt es für Unternehmen zu erkennen, zu bewerten und möglichst zu minimieren. SAP weist seit 2014 bei ausgewählten Kunden auf die Lizenzpflicht des Produktes NetWeaver Foundation for 3rd Party (NWF 3rd Party) hin. Danach sind Eigenentwicklungen sowie Drittanbieterlösungen, welche die NetWeaver-Technologie nutzen, lizenzpflichtig.
Indirekte Nutzung ist ein Damoklesschwert, das über den SAP-Bestandskunden und Partnern hängt. Wie könnte man das Problem lösen – rechtlich, organisatorisch, lizenztechnisch? Welche Hilfestellung kann SecurIntegration hierbei anbieten? Das E-3 Magazin fragte Guido Schneider von SecurIntegration:
„Zunächst muss man wissen, dass das Problem nicht neu ist – auch wenn sich die Beschreibungen in der Preis- und Konditionenliste immer mal wieder geändert haben.
Wir beraten unsere Kunden schon seit vielen Jahren zu dem Thema und konnten daher feststellen, dass die SAP in diesem Jahr viel intensiver Nachlizenzierungen für indirekte Nutzung fordert.
Diese Nachlizenzierungen stellen SAP-Kunden vor ein unkalkulierbares finanzielles Risiko. Wir von Secur Integration helfen unseren Kunden dabei, dieses Risiko kalkulierbarer zu machen und zu minimieren.
Da SAP-Kunden zu unterschiedlichen Zeitpunkten und damit zu unterschiedlichen Konditionen SAP- und Third-Party-Produkte gekauft haben, muss von Fall zu Fall untersucht werden, ob eine indirekte Nutzung pro Applikation (Szenario) vorliegt oder nicht.
Dazu analysieren wir die SAP-Verträge, untersuchen mit unserer Software die SAP-Nutzung bezüglich indirekter Nutzung und lassen die Situation abschließend auch rechtlich von unseren erfahrenen Rechtsanwälten bewerten.
Mit dieser transparenten Datenlage gehen wir zusammen mit unseren Kunden in die SAP-Vertragsverhandlungen. Ziel ist es, für unsere Kunden die beste und für beide Seiten eine akzeptable wirtschaftliche Lösung zu finden.“
Für viele Kunden ist die Lizenzverpflichtung nicht transparent und nicht nachvollziehbar, argumentiert der Anwenderverein DSAG. SAP ist seit Jahren bekannt, dass Drittanbieter, die auch von SAP zertifiziert sind, ihre Lösungen auf NetWeaver-Technologie anbieten, ohne dass es je eine Lizenzverpflichtungen nach sich zog.
Sofern SAP selbst keine Lösung anbieten konnte, hat SAP sogar Drittanbieter selbst empfohlen. Ebenso ist SAP seit Jahren bekannt, dass Eigenentwicklungen auf NetWeaver-Technologie bei den Kunden im Einsatz sind. SAP wurde vom Verein DSAG um eine Stellungnahme gebeten.
Hierzu wurde ein noch nicht öffentliches Dokument überreicht. Die Situation ist angespannt und SAP extrem nervös. Auf einer Veranstaltung der DSAG-Partnerorganisation IA4SP (International Association for SAP Partners e. V.) konnte Senior Vice President Sven Lange von SAP den anwesenden SAP-Partnern Rede und Antwort geben.
Er betonte jedoch auch nachdrücklich, dass generell für alle SAP-Mitarbeiter ein explizites Verbot zur Kommentierung des Themas indirekte Nutzung besteht.
Es war nicht immer so: Im E-3 Archiv fand sich eine SAP-PowerPoint-Präsentation aus dem Jahr 2004, in der folgender Sachverhalt dargelegt wurde: Lizenzfrei wären sequenzielle, ein- und ausgehende Schnittstellen zur SAP-Software für den Austausch von Stammdaten, soweit alle drei folgenden Voraussetzungen gemeinsam erfüllt werden:
Erstens, keine Nutzung der SAP-Software durch Schnittstellenprogramme, Direktzugriffsmethoden oder Nicht-SAP-Software, wenn dadurch eine Unterstützung von Nutzern oder deren Dialog-Arbeitsschritten, wie z. B. Reisekostenerfassung oder Auftragserfassung, erfolgt.
Zweitens, Lizenzierung aller genutzten und von der SAP definierten Engines, Industrielösungen, Add-on-Produkte und NetWeaver-Komponenten. Drittens, jährlicher Review des gesamten Nutzungsumfeldes der SAP-Systeme. (Ende des Zitats)
Somit sollte die indirekte Nutzung durch Z-Modifikationen und SAP-Partner-Add-ons lizenzfrei sein, wenn die NetWeaver-Plattform-Engines sowie die Named User im ECC 6.0 ordnungsgemäß lizenziert sind.
Weil aber SAP die PKL und AGB seit 2004 mehrfach geändert hat und viele SAP-Vertriebsbeauftragte mittlerweile selbst kaum noch den Überblick besitzen, gibt es ein radikales Kommunikationsverbot für die Walldorfer und ein Damoklesschwert über den Bestandskunden.
Nach den Eintrittswahrscheinlichkeiten eines finanziellen Risikos in Zusammenhang mit möglichen SAP-Forderungen schätzen immerhin 60 Prozent der von SecurIntegration befragten Teilnehmer dies als „möglich“ bis „sehr wahrscheinlich“ ein (siehe Grafik).
Vor dem Hintergrund der Änderungen der PKL zum Thema „indirekte Nutzung“, aber auch dem, was die Ergebnisse der bisherigen Fragen über die Gesamtsituation der SAP-Kunden aussagen, wäre es für Unternehmen sinnvoll, eine Taskforce aus SAP-Lizenzverantwortlichen, Compliance-Officern und Risikomanagern zu bilden, die den weiteren Umgang mit diesem Risiko managen.
Im thematischen Umfeld Risikomanagement spricht man von der Einführung eines sogenannten Frühwarnsystems – wie es bei Banken und Versicherungen schon seit Jahrzehnten im Einsatz ist. Hierbei geht es nicht nur um das Thema „indirekte Nutzung“
sondern um Software-Lizenz-Risiken allgemein und um die Abhängigkeiten von nur einem einzelnen Hersteller.