SAP Application Management unter Druck
Der Druck in den IT- und SAP-Organisationen wächst. Das zeigt eine Studie der Heidelberger Unternehmensberatung cbs zum Globalisierungsstatus des SAP-Anwendungsmanagements von Industrieunternehmen in der DACH-Region.
Globale Rollouts, Restrukturierungen und die Konsolidierung der Systemlandschaft stehen bei vielen SAP-Anwendungsunternehmen aktuell im Fokus. Während SAP-Programme und -Projekte langfristig geplant und durch ein umfangreiches Change-Management begleitet werden, nehmen die Unternehmen den SAP-Anwendungsbetrieb erst relativ spät in den Blick.
Angesichts der wachsenden Herausforderungen an die Permanenz und die Steuerung (Governance) einer global betriebenen Lösung ist ein ganzheitlicher Blick auf den Lebenszyklus der Anwendungslandschaft unerlässlich.
Um auch künftig erfolgreich zu sein, sind die Unternehmen gefordert, ihre Servicekonzepte im SAP-Umfeld zu überprüfen, ihre IT-Fertigungstiefe mit Augenmaß zu reduzieren und stärker auf hybride und flexible Liefermodelle zu setzen. Denn die Grenzen der Skalierbarkeit der Services sind erkennbar.
Wie lassen sich diese Grenzen überwinden und wie lässt sich der steigende Gestaltungsdruck in bedarfsgerechte, individuelle Lösungen für den Lebenszyklus einer IT-Organisation übertragen?
Dieser Frage geht die Marktstudie „Corporate SAP Application Management“ von cbs Corporate Business Solutions nach. Die Heidelberger SAP-Berater befragten dazu Industrieunternehmen aus der DACH-Region. Sie werteten 100 schriftliche Fragebögen aus und interviewten 25 IT-/SAP-Entscheider.
In der Juni-Ausgabe des E-3 Magazins berichteten wir zunächst über die Ergebnisse der Bestandsaufnahme – die SAP-DNA des typischen Industriekunden.
Das Fazit: Mittelgroße und große Industrieunternehmen aus der DACH-Region setzen auf konsolidierte globale SAP-Lösungen und heimatnahe Steuerung des SAP-Betriebs durch eine zentrale IT.
Betriebskosten
Die Anforderungen an das Application Management steigen im Zuge der Globalisierung der SAP-Landschaften in den Industrieunternehmen in der DACH-Region.
Dies wirkt sich auch auf die Entwicklung der Betriebskosten aus, denn der Aufwand in Summe steigt. Insgesamt gehen die befragten Unternehmen demnach eher von steigenden Kosten pro User aus (44 Prozent).
Allerdings erwarten 33 Prozent keine nennenswerten Veränderungen und gar 22 Prozent glauben daran, mit einer einheitlichen globalen SAP-Lösung ihre Betriebskosten senken zu können.
Ob und inwiefern sich die SAP-Betriebskosten durch die Globalisierung ihres Anwendungsbetriebs verändern, wird im SAP-Management in der DACH-Industrie sehr unterschiedlich gesehen.
Eindeutig ist die Erkenntnis, dass sich singuläre Kostentreiber auf Komponentenebene kaum finden. Fast alle Unternehmen (97 Prozent) nutzen neben SAP ERP weitere Komponenten, die Systemlandschaften sind in der Regel eher komplex.
Genauer betrachtet treiben nur bestimmte Komponenten der SAP Business Suite den Betriebsaufwand in die Höhe. 40 Prozent der befragten Unternehmen beziffern die Kosten für den Betrieb von SAP HCM als überdurchschnittlich hoch.
Zu den Kostentreibern zählen auch die Komponenten SAP GTS/SAP GRC Nfe. Die Gründe für den höheren Betriebsaufwand in diesen Bereichen liegen in den breit gefächerten gesetzlichen Anforderungen, wie sie beispielsweise in den BRIC-Staaten erfüllt sein müssen, in Sonderregelungen im Personalwesen sowie im Zoll und Außenhandel.
Auswirkungen der Globalisierung
Der Betrieb einer globalen SAP-Landschaft wirkt sich nicht nur auf die Kostenseite aus. Ein solcher zieht oft auch den Wandel der gesamten Prozess- und Systemlandschaft nach sich.
Das erkennt ein Drittel der DACH-Industrieunternehmen. Sie planen konkret, ihre IT-Landschaft in den kommenden drei Jahren umfassend zu verändern, signifikant zu erweitern oder gar zu konsolidieren.
Viele Unternehmen setzen weiterhin im Wesentlichen auf ihre bestehende SAP-Landschaft und sehen nur punktuelle Umgestaltungen vor.
Führt ein Unternehmen eine globale SAP-Lösung ein und rollt diese aus, vergrößert sich für 85 Prozent der SAP-Anwender das Ticketvolumen im Anwendungsmanagement.
Das bedeutet, dass deutlich mehr IT-Spezialisten für den Support einer globalen SAP-Lösung abgestellt werden müssten. Allerdings teilen dieselben 85 Prozent die Einschätzung, dass sich auch die Reaktionszeiten im Application Management erheblich verlängert hätten.
Dies zeigt deutlich, dass in der Regel Globalisierungsprojekte angestoßen wurden, ohne parallel den dafür notwendigen Personalaufbau voranzutreiben. Konkurrierende Projekttätigkeiten verschärfen dabei oft das Problem:
IT-Mitarbeiter, die eigentlich für den globalen SAP-Betrieb benötigt werden, sind bereits in andere Projekte fest eingebunden und nicht entbehrlich.
Um ihre globale SAP-Systemlandschaft besser zu unterstützen, gaben 78 Prozent der Unternehmen an, ihre Betriebszeiten verlängert zu haben. Für die 52 Prozent derer, die ihren SAP-Support zentral aus der DACH-Region heraus erbringen, zieht diese Maßnahme erhebliche Veränderungen in der Arbeitsorganisation nach sich.
Sie stehen vor der Herausforderung, ihren SAP-Support im Schichtmodell sicherstellen zu müssen. Um den Support über alle Zeitzonen hinweg zu ermöglichen und dem steigenden Wartungsbedarf Rechnung zu tragen, erweiterten deshalb 95 Prozent der Befragten die betreuten Zeitfenster.
Eine Verfügbarkeit am Wochenende bleibt die Ausnahme: Nur für 4 Prozent der Unternehmen ist eine solche wichtig.
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis: Die Studie konnte kaum Bedarf für einen „Rund um die Uhr“-SAP-Support feststellen. Die Fachbereiche scheinen sich einen solchen zwar oft zu wünschen, allerdings scheuen viele Unternehmen aus Kostenaspekten und Sicherheitsgründen, hinsichtlich der Governance der globalen SAP-Landschaft, einen 24×7-Support an 365 Tagen.
Der Einsatz von lokalen Key-Usern und IT-Mitarbeitern reicht für die Anwenderadministration offensichtlich aus.
Die Anforderungen an ein globales SAP Application Management steigen sowohl quantitativ als auch qualitativ. 67 Prozent der Industrieunternehmen mussten aufgrund dessen ihre Kontaktkanäle erweitern.
Ein Ticketsystem ist dabei mittlerweile Standard und wird als Kontaktkanal dem direkten E-Mail und dem Telefon vorgezogen. Um eine globale SAP-Lösung zu betreiben, mussten 74 Prozent der Unternehmen ihre Sprachkompetenzen im SAP-Support erweitern.
In global agierenden Unternehmen ist Englisch die Sprache, die im Supportprozess und in der Dokumentation verwendet wird.
In puncto Erweiterung von speziellem SAP-Know-how und personeller Aufstockung der IT- und Supportabteilungen signalisierten alle Studienteilnehmer Handlungsbedarf.
Je umfangreicher eine globale SAP-Lösung in Hinsicht auf Funktionen, Länderversionen und Betriebsmodelle wird, desto mehr SAP-Spezialisten sind erforderlich. Eine Erweiterung von spezifischem SAP-Know-how erachten 93 Prozent der Unternehmen als notwendig.
Länderspezifika wie etwa in den BRIC-Staaten, zusätzliche Lösungen wie SAP GRC Nfe, Erweiterungen bestehender Lösungen sowie die entsprechenden Sprachkompetenzen sind beim reibungslosen Betrieb einer globalen SAP-Systemlandschaft unabdingbar.
Hybride Strategie
Die Betriebsstrategie, die die Industrieunternehmen in der DACH-Region verfolgen, ist eindeutig hybrid. Drei von vier Unternehmen vergeben einzelne Betriebsaufgaben an Dritte.
Lediglich 19 Prozent betreiben ihre IT-Systeme komplett in Eigenregie und nur eine Minderheit von acht Prozent der Teilnehmer vergibt den kompletten Betrieb ihrer SAP-Landschaft an Dritte.
Die große Mehrheit setzt auf SAP-Dienstleister und lässt sich bevorzugt fallweise und gezielt von ihren Lieferanten helfen. Insbesondere das Systemhosting (18 Prozent) wird nach außen gegeben.
Im Bereich der SAP-Projekte (15 Prozent) und des SAP Application Management (14 Prozent) lassen sich die Unternehmen ebenfalls extern unterstützen. Ein komplettes Outsourcing des Anwendungsmanagements bleibt die Ausnahme.
Nur sieben Prozent der Unternehmen bevorzugen diese Variante. Vornehmlich nutzen die Unternehmen vier verschiedene Bezugstypen: Entweder wird der Implementierungsberater im Anwendungssupport nach Einführung der globalen Lösung weiterbeschäftigt oder es werden über den zweiten Bezugstyp lediglich SAP-Spezialisten zu bestimmten Themen eingekauft.
Auch der dritte Bezugstyp, der dauerhafte Einsatz von Freelancern, ist gängig sowie die Vergabe von Teilleistungen an AMS-Anbieter.
Kundenorientierung und flexible Angebote
Die befragten Unternehmen bewerten einen Einsatz externer SAP-Dienstleister generell positiv. Gerade im Globalisierungsumfeld profitieren sie sowohl von langjährigem, spezifischem Know-how bei weltweiten Transformationsprojekten und Template-Rollouts als auch von den umfassenden Serviceangeboten, mit denen spezialisierte SAP-Dienstleister aufwarten können.
Laut Studie liefern diese den größten Vorteil bei der Abdeckung von zu betreuenden Zeitfenstern (96 Prozent). 88 Prozent schätzen das zusätzliche Know-how externer Dienstleister für landesspezifische Fragen und Anforderungen an globale Lösungsthemen. Für knapp 70 Prozent erhöht die externe Unterstützung zudem die Flexibilität erheblich.
Allerdings erhalten gerade große Player im SAP-Dienstleistermarkt nur mäßige Noten, obgleich sie das Marktbild im SAP Application Management beherrschen. 78 Prozent der Teilnehmer sind der Meinung, dass der Markt von großen Anbietern beherrscht wird. Wobei die Anwenderunternehmen auch angaben, den Markt nicht wirklich zu kennen.
Das Angebot der großen Anbieter wird als starr eingeschätzt. Vorgefertigte Prozesse und Modelle erschweren eine Ausrichtung an den Bedarfen der Kunden. Aber genau das wird erwartet: 85 Prozent der Unternehmen wünschen sich mehr Kundenorientierung.
Über 90 Prozent der Teilnehmer wünschen sich flexible Angebote, mit denen sie die individuell vorliegenden Bedarfe decken und abrufen können. Dabei geht es nicht nur um AMS, sondern um Unterstützung für den ganzen Lebenszyklus (Plan-Build-Run) einer globalen SAP-Lösung.
Fazit: Globalisierung treibt den Wandel
Die Globalisierung der SAP-Lösungswelt erhöht und verändert die Anforderungen an die IT und den SAP-Support. Die IT- und SAP-Organisationen stehen unter wachsendem Druck, die Grenzen in der Skalierbarkeit ihrer Services sind erkennbar.
Gefordert sind Know-how-orientierte, integrierte und individuell gestaltbare Qualitätsangebote für den gesamten Lebenszyklus einer globalen SAP-Lösung, von Strategie und Planung über das Projektgeschäft bis hin zu deren Betrieb.
Patentrezepte und schlüsselfertige Lösungen gibt es im Rahmen der Globalisierung des SAP-Anwendungsmanagements offensichtlich nicht: Diese müssen vielmehr auf das jeweilige Unternehmen individuell zugeschnitten sein.
Nur so lässt sich eine qualitativ hochwertige und kosteneffiziente SAP-Betreuung rund um den Globus erfolgreich gestalten und nachhaltig sicherstellen.