Hana wird Public Domain
Es klingt fast wie ein schlechter Witz aus einem noch schlechteren Hollywoodfilm: Vishal Sikka, der einstige SAP-Technikvorstand und Hana-Miterfinder, arbeitet heute bei Oracle, deren AnyDB-Lizenz für die SAP Business Suite 7 soll über das Jahr 2025 hinaus bis 2030 verlängert werden.
Was SAP als große Geste gegenüber der SAP-Community ausführte, könnte in ein paar Jahren zum Suite-7-Desaster werden. Ohne NetWeaver-Stack und AnyDB ist auch die Business Suite wertlos. SAP braucht neue Verträge mit IBM, Microsoft und Oracle, um das Wartungsversprechen gegenüber den Bestandskunden einlösen zu können.
IBM verlautete bereits inoffiziell vor drei Jahren, dass die Lizenzverträge zu DB2 in Kombination mit Suite 7 gekündigt wurden. Damals waren sich fast alle Beteiligten noch sicher, dass die vermeintliche Deadline 2025 halten wird.
Zumindest war man guter Hoffnung, dass die flächendeckende Umstellung auf das Datenbanksystem Hana abgeschlossen sein wird und SAP lediglich eine Wartungsverlängerung für SoH, also die Business Suite auf Hana, anbieten müsste.
Die Geschichte belehrte SAP eines Besseren: Die Transformation auf Hana und S/4 erfolgt wesentlich zögerlicher und langsamer, als es sich die Strategen bei SAP erträumten.
Auch wenn sich fast alle in der SAP-Community über die ERP-Strategie in Richtung Hana und S/4 einig sind – der Weg ist das Ziel! Das Ziel aber ist noch lange nicht erreicht, deswegen eine Suite-7-Wartungsverlängerung bis 2030.
Es scheint, dass SAP die neue Zielmarke ohne Rücksprache mit den AnyDB-Lizenzanbietern IBM, Microsoft und Oracle gemacht hat. Auf Nachfrage des E-3 Magazins bei den drei DB-Anbietern gab es sehr unterschiedliche Reaktionen: IBM meinte, dass man wahrscheinlich einen Modus Vivendi finden werde, um auch nach 2025 den Suite-7-Anwendern eine DB2-Plattform anbieten zu können.
Mit einem emotionslosen Ja antwortet Microsoft: Der Vertrag wird verlängert. Eisernes Schweigen bei Oracle, weder offiziell noch im vertraulichen Gespräch gab es auch nur die kleinste Andeutung, in welche Richtung sich die Verhandlungen mit SAP bewegen.
Mag es vielleicht zwischen SAP, IBM, Microsoft und Oracle um hohe Lizenzgebühren gehen, so steht bei den Anwendern die Existenz ihres ERP-Systems auf dem Spiel: Wie soll man die kommenden fünf Jahre planen, wenn man nicht weiß, ob es Suite 7 mit AnyDB im rechtlich sauberen Rahmen auch nach 2025 geben wird. Mehrere Lösungswege eröffnen sich für den SAP-Bestandskunden und SAP selbst.
Der pragmatische Ansatz: SAP bleibt passiv, weil auch jenseits von 2025 die Suite 7 ihre Arbeit verrichten wird – nur dann eben im datenbanklizenzfreien Raum. Bis die Firmenanwälte von IBM, Microsoft und Oracle bei den SAP-Bestandskunden vor der Tür stehen, ist alles gut.
Der teure Ansatz: SAP beginnt Verhandlungen mit IBM, Microsoft und Oracle und akzeptiert deren Lizenzvorstellung für eine „Extended Maintenance“ zwischen 2025 und 2030.
IBM wird sich seine Vorteile über ein Gegenangebot mit Hana on Power (HoP) sichern. Microsoft wird eine Kompensation für das Geschäft „SAP und Azure“ verlangen. Oracle wird von Vishal Sikka beraten und SAP zur Verzweiflung bringen.
Der innovative Ansatz: Es gibt die Vermutung, dass eines Tages der damalige SAP-Technikvorstand Vishal Sikka seinem Mentor Professor Hasso Plattner die Idee unterbreitet hat, die Datenbank Hana doch als Open-Source-Geschenk der SAP-Community zu überreichen.
Damit wäre Hana ein Public-Domain-Produkt und hätte sich grenzenlos über die ganze Welt verbreitet. Hana wäre zum Datenbankstandard geworden, wie es heute Linux im Betriebssystembereich ist. Die Überlieferung besagt, dass Plattner wenig von dieser Idee angetan war.
Hana als ein Open-Source-Produkt wäre nicht nur ein Geschenk an die IT-Community, sondern auch ein Befreiungsschlag für SAP gewesen: Der ERP-Weltmarktführer hätte sich wieder auf seine Kernkompetenz konzentrieren dürfen – „Wir sind ERP“ – und wesentlich schneller S/4, C/4 und BW/4 zum Erfolg führen können.
Nun erscheint diese alte Sikka-Idee im neuen Licht und vielleicht aktueller denn je: Würde SAP die Datenbank Hana zu Public Domain erklären und auf die kommerziellen Lizenzen verzichten, könnten die SAP-Bestandskunden die Datenbank ohne finanzielles Risiko einführen.
Die Customizing- und Implementierungskosten dürften hoch sein, weil jeder CIO mit den zukünftigen Einsparungen an DB-Lizenzen argumentieren könnte. Wer heute eine Oracle-Datenbank auch außerhalb des SAP-Universums betreibt, bekommt wahrscheinlich feuchte Augen bei dem Gedanken, in Zukunft Hana als singuläre DB-Plattform kostenfrei zu nutzen.
Mit Hana als Open-Source-Angebot in einer Public-Domain-Version wäre wahrscheinlich auch die DB-Transformation von AnyDB zu Hana bis 2025 flächendeckend in der SAP-Community zu organisieren.
Viele SAP-Bestandskunden werden dann nach 2025 noch ein paar Jahre mit SoH fahren, während ganz innovative Anwender vielleicht schon auf HoP und S/4 gewechselt sind. Die Zukunft könnte besser nicht sein!