Hybride Architekturmodelle
E-3: Die Digitalisierung hat durch die Pandemie einen enormen Schub erhalten.Können Sie dies bestätigen?
Matthias Lemenkühler: Auf jeden Fall. In vielen Unternehmen stockten im Frühjahr 2020 mit dem abrupten Wechsel eines Großteils der Belegschaft ins Homeoffice erst einmal wichtige Geschäftsprozesse – eben deshalb, weil sie noch in Papierform abliefen und viel manuell bearbeitet wurde.
Wenn eine Rechnung in der Dokumentenmappe auf dem Schreibtisch im Büro liegt, dann kann sie dort schlicht und ergreifend nicht geprüft und freigegeben werden. In Windeseile, und auch mit vielen Work-arounds, haben Firmen dann versucht, diese Prozesse zu digitalisieren, sofern sie sich nicht ohnehin schon in entsprechenden Planungen befanden.
E-3: Wird das so bleiben?
Lemenkühler: Digitalisierung und Cloud haben durch die Pandemie enorm an Akzeptanz gewonnen. Auch wenn sich die Situation entspannt hat, denke ich nicht, dass sich die Uhren wieder komplett zurückdrehen werden. Dafür ist der Nutzen einer Digitalisierung jetzt nur allzu deutlich geworden.
E-3: Sollen Unternehmen jetzt vollständig auf die Cloud setzen?
Lemenkühler: Wer wirklich durchgängig digital arbeiten möchte, auch im Austausch mit Geschäftspartnern, kann dies nur unter Einbezug der Cloud. Status quo ist aber, dass die Cloud heute noch nicht der vorherrschende Standard ist. Bei unseren Kunden finden wir eigentlich immer die Situation vor, dass es bestehende Prozesse und im eigenen Haus installierte Systeme gibt, man spricht hier auch von „On-premises“. Gerade im Bereich der Unternehmenssoftware, also bei den ERP-Systemen, existieren über Jahre gewachsene Strukturen, die auch gar nicht radikal abgelöst werden müssen.
E-3: Was empfehlen Sie?
Lemenkühler: Es empfiehlt sich ein hybrider Betrieb, also Mischmodelle aus On-
premises und Cloud. Dort setzen wir an und helfen Unternehmen, ihre dokumentenbasierten Geschäftsprozesse einfacher, flexibler, schneller zu gestalten – indem sie bestimmte Services aus der Cloud hinzunehmen. Unsere Strategie lautet: „Cloud first, aber nicht Cloud only“.
E-3: Bedeutet die Nutzung eines ERP-Systems automatisch papierloses Arbeiten?
Lemenkühler: Schön wäre es. Natürlich möchte man Arbeitsabläufe von der Beschaffung bis zur Zahlung innerhalb seines ERP-Systems durchführen. Das bedeutet aber nicht, dass sie damit automatisch schon vollständig papierlos ablaufen. Die Digitalisierung übernehmen dabei idealerweise Workflow- und Prozesslösungen wie die der xSuite Group. Sie sorgen zugleich dafür, dass dokumentenbasierte Prozesse durchgängig automatisiert im ERP abgebildet werden.
E-3: Danke für das Gespräch.
Was ist dran am Hype um KI und Machine Learning?
Rechnungen werden geschrieben, geprüft und bezahlt, seitdem Menschen Geschäfte miteinander betreiben. Ein althergebrachtes Vorgehen also, das dennoch Veränderungen unterworfen ist – in jüngerer Vergangenheit vor allem durch digitale Technologien.
Digitalisierung in der Rechnungsprüfung, das klingt fortschrittlich. Doch verstehen in Deutschland viele darunter noch immer nur, eingehende Papierrechnungen zu scannen und elektronisch weiterzuverarbeiten. Etliche Länder weltweit sind da schon weiter. Rechnungen müssen nicht mehr gescannt werden, denn sie treffen bereits in digitaler Form, per E-Mail oder PDF, ein.
Inzwischen ist allerdings auch hierzulande der Trend weg vom Papier, hin zur E-Rechnung unverkennbar. Wer von Anbeginn an digital arbeitet, kann seinen Fokus mehr auf die eigentliche Automatisierung der Prozesse lenken.
Das heißt zum einen: digitale Workflows für Prüfung und Freigabe von Rechnungen.
Zugleich unterstützen Techniken für künstliche Intelligenz (KI) den weiteren Ausbau der Automatisierung. KI ist hier kein ominöses Hype-Thema, sondern lässt sich konkret einsetzen, um Mitarbeitende aus Einkauf und Buchhaltung von Routineaufgaben zu entlasten.
Eine Rechnungslösung zum Beispiel liest die Inhalte einer Rechnung nicht nur aus, sondern „versteht“ sie und kann bereits Vorschläge unterbreiten, wer der Kreditor ist, welche Kontierung infrage kommt etc. Unter diesen Alternativen muss man dann nur noch auswählen, ohne alle Kontierungen auswendig wissen oder nachschlagen zu müssen.
Um gute Vorschläge unterbreiten zu können, müssen KI-Anwendungen lernen. Machine Learning funktioniert umso besser, je mehr Datensätze dafür herangezogen werden. Deshalb werden KI-Technologien gerne in Public-Cloud-Lösungen eingesetzt. Diese sind in der Regel für eine Vielzahl von Mandanten ausgelegt. Auch wenn die Daten der einzelnen Kunden logisch und physisch getrennt sind, hat das System doch die Möglichkeit, alle Datensätze als Lernmenge zu verwenden.
Man kann KI auch für Analysen verwenden: Welche sind die zuverlässigsten Lieferanten oder günstigsten Preise, wann ist der beste Bestellzeitpunkt? All dies kann KI aus Rechnungsdokumenten ableiten und so wertvolle Tipps geben. Mithilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich zudem Betrugsversuche automatisch erkennen: Wo fallen auffällig viele Rechnungen an oder solche mit überdurchschnittlich hohen Summen? So hebt KI die Prozesse noch einmal auf ein ganz anderes Level, nicht nur in Bezug auf Automatisierung, sondern auch was Analysen betrifft.