Automatisierung von Finanzprozessen auf der Grundlage von digitalisierten Verträgen
Digitalisierung und Automatisierung ist mittlerweile ein Thema, über das vielschichtig und mit Bezug zu Schlagworten wie „Blockchain“ oder „künstlicher Intelligenz“ heiß diskutiert wird. Aber wie viel Automatisierung ist heute realistisch möglich? … und in Unternehmen – mit den bestehenden Notwendigkeiten – in der Praxis schon umsetzbar? Können digital vorliegende Vertragsdaten und deren laufende Veränderungen durch Fachbereiche zur Automatisierung und Optimierung (End-to-End-Prozesse) der Geschäftsvorfälle, auch bis tief in die Finanzbuchhaltung hinein, heute schon verwendet werden?
Ja! Ein wesentlicher Unterstützer der Einführung von networkers SAP Add-on CUNO war bei DEKRA der IT-Einkauf. Vor über 10 Jahren erkannte Martin Spitz – Vice President und Leiter des IT-Einkaufs im Global Procurement – das Potenzial der in SAP integrierten Vertragsdaten. Schrittweise wurde CUNO als strategisches Vertragsdaten-Repository in der Organisation etabliert und weitere Abteilungen involviert. Insbesondere das Corporate Real Estate Management nutzt das Vertragsmanagement, mit relativ wenigen Mitarbeitern, intensiv und detailliert. Die Abteilung ist bereits viele Jahre, unter der Leitung von Klaus Kleinert, verantwortlich für über 3000 Mietverträge und deren korrekte kaufmännische Abwicklung. Dank Pamela Puscher ist hier, über Jahre hinweg, ein qualitativ hochwertiger Immobilien-Vertragsbestand im SAP-System aufgebaut worden. Damit war bereits im Jahr 2016, als der neue Accounting Standard IFRS 16 veröffentlicht wurde (erstmals zum 1. Januar 2019 anzuwenden), viel Vorbereitungsarbeit für die heutige Digitalisierung und Automatisierung der Miet- und Leasingverträge im Finanzsystem bei DEKRA geleistet worden.
Erläuterung IFRS 16
In diesem Standard werden die Grundsätze für den Ansatz, die Bewertung, die Darstellung und die Angabe von Miet- und Leasingverhältnissen dargelegt. Dieser Standard führte insbesondere zu einer Abbildung künftiger Miet- und Leasingverhältnisse in der Bilanz sowie der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Unternehmen. Diese Informationen ermöglichen den Abschlussadressaten eine Beurteilung, wie sich Miet- und Leasingverhältnisse auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage und die Cashflows eines Unternehmens auswirken.
Über CUNO-CLM
Seit vielen Jahren unterstützt CUNO-CLM (Contract Lifecycle Management der Firma networker, solutions GmbH – www.networker-solutions.de) das Vertragsmanagement in Unternehmen. Nicht nur das Bild eines Vertrages wird dabei im SAP hinterlegt, sondern auch die Vertragsinformationen.
Digitalisierte Vertragsdaten helfen bei der Einhaltung von Vertragsregeln (z. B. Termine und Fristen), unterstützen Geschäftsprozesse und bilden mit ihren Auswertungen und Informationen die Grundlage bei der Entscheidungsfindung. Plan-/Ist-Vergleiche liefern laufend Informationen über den Status quo der Verträge. Die Plandaten im Vertrag sind die Grundlage für Bilanzreports im Zusammenhang mit Quartals- oder Jahresabschlüssen. Darüber hinaus können Risiken der Verträge überwacht und gesetzliche Anforderungen (unter anderem DSGVO, ADV Auftragsdatenverarbeitung, …) oder Qualitäts-Checks des internen Kontrollsystems in den Verträgen hinterlegt werden.
Verträge im SAP-System
Vertraglich geregelte Transaktionen hinterlassen in SAP ihre Spuren. In Einzelbelegen (Bestellungen, Kunden-Aufträge, Rechnungen, Zahlungen u. a.) werden die Geschäftsvorfälle in SAP abgebildet. Gebucht wird letztlich im FI/CO Modul. CUNO übernimmt dabei die Rolle des „networkers“ und verknüpft die Vertragsdaten (als eigenen SAP-Beleg) mit dem SAP-Belegfluss und den Organisationsdaten im SAP-System. So ermöglicht CUNO-CLM ein umfassendes vertragsbezogenes Reporting.
Ausgangslage
Nach ersten Analysen im Jahre 2017 wurde im DEKRA HQ in Stuttgart, in einer mehrere Abteilungen übergreifenden Projektgruppe, unter der Leitung von DEKRA Group Accounting, mit der Umsetzung des IFRS-16-Standards im Konzern begonnen.
Das Regelwerk des IFRS 16 ist komplex. Auf die Bewertung jedes einzelnen Vertrages haben Kauf- und Verlängerungsoptionen, Kündigungsfristen, Zinssätze, Änderung der Konditionen, Rückbauverpflichtungen usw. einen entscheidenden Einfluss.
Es war bereits zu Beginn des Projektes klar, dass ohne eine automatisierte Lösung das zusätzliche manuelle Buchungsvolumen immens sein würde. Außerdem würde die Abstimmung, mit den weltweit verteilten lokal agierenden Finanzabteilungen, mit unterschiedlichsten Finanzbuchhaltungssystemen, weitere Ressourcen binden. Eine „fertige“ Standard SAP-IT-Lösung zur Abbildung von IFRS 16, welche die Anforderungen von DEKRA abgedeckt hätte, war am Markt nicht verfügbar.
Einer der Anbieter war die networker, solutions GmbH. Der von networker vorgestellte „nachhaltige“ Ansatz zur Problemlösung deckte sich in großen Teilen mit den Vorstellungen der DEKRA. Auch Gesellschaften, die ihre Finanzbuchhaltung nicht in SAP führen, können ihre Verträge mit CUNO vollständig in SAP integrieren. Entscheidend für die Auswahl von CUNO-IFRS war das Gesamtkonzept. CUNO ist komplett in die SAP-Landschaft der DEKRA – mit allen Stamm- und Grunddaten, Berechtigungen etc. – integriert.
Durch eine automatische Ableitung der Geschäftsvorfälle – direkt aus dem weltweiten Vertragsbestand – kann eine standardisierte, nachhaltige und einheitliche Lösung umgesetzt werden. So würden relevante Änderungen eines Vertrages durch den Fachbereich zukünftig automatisch zu einer entsprechenden Buchung führen. Ein manueller Eingriff durch die Finanzbuchhaltung in der Zentrale wäre dann nicht mehr erforderlich. Lediglich die zentrale Qualitätssicherung, Überwachung und Konsolidierung verblieben in der Konzernzentrale in Stuttgart.
So weit zur Theorie. Aber wie gelang die Umsetzung?
Das Projekt
Die erste große Herausforderung war es, die auf fünf Kontinenten verteilten Miet- und Leasingverträge zu digitalisieren. Die zweite eine einheitliche Oberfläche (SAP Fiori-WEB) zur Erfassung und eine standardisierte Excel-Datei zum Laden von Vertragsdaten bereitzustellen, da allein die Konditionen durchaus mehr als zwei Excel-
Dimensionen haben können. Die dritte und weitaus größte Herausforderung war dann, die Inhalte von bestehenden Verträgen (tw. bis zu 30 Jahre Historie) zu validieren und den letzten gültigen Stand der Vereinbarung im neuen Datenmodell abzubilden.
Ein langwieriger, schwieriger Prozess für die Fachbereiche. Die anschließende Erfassung in den optimierten SAP Fiori CUNO-Web Masken dauerte dann nur wenige Minuten. Während dieser Migrationsphase profitierten Gesellschaften und Fachbereiche, die bereits über viele Jahre mit CUNO ihre Verträge strukturiert erfasst hatten. Ihnen blieben nur Adjustierungen der IFRS-16-spezifischen einzelnen Felder.
CUNO-Web
Bewährt hat sich aus dieser Phase ein optimierter „customizbarer“ Erfassungsprozess über CUNO-Web, der mittlerweile ein fester Bestandteil der neuen CUNO-Web Oberfläche geworden ist. Über eine konfigurierbare Klassifizierung wird der User über mehrere Ebenen (z. B. Gesellschaft, Warengruppe, ggf. weitere Cluster/Differenzierungen) geleitet, um einen Vertrag neu zu erfassen. Hinter den Ebenen liegen bereits beliebig vordefinierte Parameter (z. B. Vertragsverantwortliche, Zinssätze, Einkäufergruppen etc.), die automatisch in den Vertrag übernommen werden können. Nur individuelle Parameter eines Vertrages (Bezeichnung, Termine, Konditionen etc.) sind dann in der Folge vom Fachbereich noch zu ergänzen.
Im CUNO-Web ist für jeden Vertrag ein Aktivitäts-Monitor verfügbar, über den die Prozesse am Vertrag gesteuert und überwacht werden können. Jeder Mitarbeiter hat ein eigenes kleines konfigurierbares Dashboard („Meine Verträge“), über das die Aktivitäten, Favoriten-Verträge, Termine usw. bearbeitet und kontrolliert werden können. Das Reporting vom Einzelvertrag bis zu konzernübergreifenden Auswertungen – je nach Berechtigung – ist über CUNO-Web konfigurierbar und für jeden Nutzer über CUNO-Web verfügbar.
Erster Automatisierungsschritt: Die Erstbewertung
Auf der Produktseite musste die neu geschaffene Kalkulation CUNO-IFRS alle Varianten von möglichen Vertrags- und globalen Parametern berücksichtigen, um den ROU-Asset/die Leasingverbindlichkeit des Mietobjekts korrekt aus den zukünftigen Zahlungsströmen unter Berücksichtigung von Tilgungen, Abschreibungen und Zinsen zu errechnen.
Projekte, deren Ziel es ist, Prozesse zu automatisieren, benötigen viele Teilschritte und Entwicklungen, bevor man einen Erfolg in der Gesamtheit sehen kann. Für Auftraggeber, Projektverantwortliche und Projektmitarbeiter eine Geduldsprobe und ein gemeinsamer Entwicklungsprozess. Entsprechend ist eine transparente Kommunikation voller Vertrauen erforderlich.
Validierungen bei der Vertragserfassung plausibilisieren und prüfen frühzeitig die Qualität der Daten. Die Verbesserung und Verfeinerung der Validierung von Daten ist ein ständiger Prozess, der diese automatisierte Verbindung immer begleiten wird und auch begleiten muss. An dieser Stelle wurden die ersten Voraussetzungen geschaffen, um eine automatisierte Verbindung der Produktions- und Finanzprozesse zu schaffen.
CUNO-IFRS
Die Grunddaten der Verträge – unter anderem Beginn, Ende, Verlängerungen, Kündigungsfristen, Optionen, periodische- und Einmalzahlungen, Rückbauverpflichtungen usw. – werden automatisch für die Überleitung vom CUNO-Core (Grundmodul des CUNO-CLM) in das CUNO-IFRS verwendet. Im CUNO-IFRS erfolgt dann anschließend die Bewertung der Verträge nach den vorgegebenen Regeln (bei DEKRA nur IFRS 16).
Die Festschreibung der Erstbewertung dieser Grunddaten zur Kalkulation erfolgt und endet mit dem erfolgreichen Buchungslauf des Buchungsvorschlags aus dem CUNO-IFRS. Ist das buchende System ein SAP FI, so erfolgt die Festschreibung mit der positiven Rückmeldung der Buchung aus dem SAP. Ist das buchende System nicht ein SAP-System (Non-SAP), so erfolgt die Festschreibung nach erfolgreicher Generierung einer (.csv)-Datei mit dem entsprechenden Buchungsvorschlag.
Zweiter Automatisierungsschritt: Die Folgebewertung
Um nachhaltig und dauerhaft das Regelwerk des IFRS 16 umzusetzen, war es nach der Erstbewertung der Verträge zum 1.Januar 2019 erforderlich, auch die laufenden Vertragsänderungen (Verlängerungen, Konditionsanpassungen, Kündigungen usw.) automatisch pro Vertrag zu identifizieren und entsprechend zu buchen.
Im CUNO-IFRS ist die Bewertungs- und Buchungslogik von über 60 unterschiedlichen Geschäftsvorfällen hinterlegt. Monatlich analysiert CUNO jeden Vertrag und ordnet dann automatisch den ermittelten Geschäftsvorfall zu.
Mit Geduld – und dem Vertrauen des Managements – arbeiteten sich die Projektbeteiligten Schritt für Schritt durch die Logik der einzelnen Geschäftsvorfälle. Bei DEKRA waren dies insbesondere die Mitarbeiter des Group-Accounting-Teams von Frau Bolach; federführend die Projektleiterin (Vesna Bartolcic) und der fachliche Projektleiter (Velizar Dinev).
Beide waren neben ihrer Projektarbeit auch noch in ihrem sonstigen Tagesgeschäft eingebunden. Ihr unermüdlicher Einsatz, mit der Unterstützung des gesamten Projektteams, war letztlich entscheidend für den Erfolg des Projektes. Eine erhebliche Doppelbelastung, die beide großartig gemeistert haben. Sie detaillierten kontinuierlich die fachlichen Zusammenhänge der einzelnen Geschäftsvorfälle bis zur finalen Buchung im SAP FI und testeten pausenlos.
Wie geht es jetzt weiter?
Grundsätzlich ist ein Prozess aufgesetzt worden, der kontinuierlich die Qualität der Vertragsdaten verbessern soll und die Abläufe optimiert. In einem dynamischen Konzern wie DEKRA sind auch sich regelmäßig ändernde Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Die nächsten Schritte sind u. a. die Überführung des systemseitigen Monitorings der IFRS-16-relevanten Informationen an die weltweiten Finanzverantwortlichen. Dadurch werden korrekte Bilanzierungsinformationen durch die „dezentralen“ Verantwortlichen gewährleistet. Ebenso sind ein Ausbau und die Verbesserung der Analyse- und Reportingmöglichkeiten – zur finanziellen Performance-Optimierung im Rahmen der Miet- und Leasingverträge – geplant.
Fazit: Der automatisierte Finanzprozess aus Verträgen
Ziel erreicht!
Der Fachbereich pflegt die Vertragsdaten im CUNO-CLM. Jede relevante Änderung führt automatisch zu einer entsprechenden Buchung im SAP.
Grundsätzlich ist die Automatisierung von Prozessen eine akribische Detailarbeit, in der schrittweise die fachliche Logik und das Regelwerk der einzelnen Abläufe von allen Beteiligten tief durchdrungen werden muss. Architektur und Umsetzung der IT-Systeme müssen, wie im CUNO-CLM, eine Konfiguration der unterschiedlichsten Varianten zulassen, um zukunftssicher und robust auf Veränderungen reagieren zu können.
Je nach Komplexität der Transaktionen benötigt die Umsetzung von Automatisierungen in Finanzprozessen Zeit und die volle Unterstützung des Managements. Insbesondere die automatisierte Abbildung von End-to-End-Prozessen, welche in die Finanzbuchhaltung münden, erfordert die Involvierung von Mitarbeitern verschiedener Fachbereiche in ein solches Projekt, um gemeinsam das Ziel zu erreichen.
Über DEKRA
Seit mehr als 90 Jahren arbeitet DEKRA für die Sicherheit: Aus dem 1925 in Berlin gegründeten Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein e.V. ist eine der weltweit führenden Expertenorganisationen geworden. Die DEKRA SE ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des DEKRA e.V. und steuert das operative Geschäft des Konzerns.
Im Jahr 2019 hat DEKRA einen Umsatz von 3,4 Milliarden Euro erzielt. Fast 44.000 Mitarbeiter sind in rund 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten im Einsatz. Mit qualifizierten und unabhängigen Expertendienstleistungen arbeiten sie für die Sicherheit im Verkehr, bei der Arbeit und zu Hause. Das Portfolio reicht von Fahrzeugprüfungen und Gutachten über Schadenregulierung, Industrie- und Bauprüfung, Sicherheitsberatung sowie die Prüfung und Zertifizierung von Produkten und Systemen bis zu Schulungsangeboten und Zeitarbeit. Die Vision bis zum 100. Geburtstag im Jahr 2025 lautet: DEKRA wird der globale Partner für eine sichere Welt.
Über networker, solutions GmbH
Seit fast 20 Jahren arbeitet die networker, solutions GmbH aus Hamburg für die Optimierung des Vertragsmanagements im SAP … denn „nur wer seine Verträge wirklich kennt, kann auch sein Geschäft vernünftig steuern“. Sicherheit und die Steuerung von Risiken verlangen – nicht nur im Vertragsmanagement –, immer einen Schritt vorauszudenken. Deshalb haben wir 2020 – im Jahr der Unsicherheit – unsere Mannschaft verdoppelt und einen weiteren Unternehmensbereich aufgebaut. Cyber Security! Unter dem Motto „Vorbeugen, erkennen und abwehren“ widmen sich unsere IT-Forensiker aus einem sehr aktuellen Blickwinkel ebenfalls dem Thema „Sicherheit“.