Cloud first ja – Cloud only nein
DSAG-Technikvorstand Steffen Pietsch postulierte gleich zu Beginn seiner Keynote:
„Mit noch nie da gewesener Geschwindigkeit und Kraft verändert die Digitalisierung das Arbeitsleben.“
Digitale Services und Technologien sind zunehmend differenzierender Bestandteil der Wertschöpfungskette – und daraus folgend hängt der Erfolg vieler Unternehmen von ihrer IT-Kompetenz ab.
Hierbei spielt der Einsatz von Cloud-Technologien eine entscheidende Rolle. Ganz wohl scheinen sich einige Zuhörer bei dieser Analyse nicht gefühlt zu haben, denn die Stimmung war abwartend und reserviert:
Haben nicht viele Hyperscaler und SAP selbst versprochen, dass aufseiten der Bestandskunden durch den Einsatz von Cloud-Technik eigene IT-Kompetenz abgebaut und damit Ressourcen eingespart werden können?
„Für viele Neuinvestitionen ist die Cloud die richtige Stoßrichtung. Es werden aber nicht alle Anwendungen und alle Daten in die Cloud wandern – und schon gar nicht nur um der Cloud willen“
ist DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch überzeugt.
„Cloud first ja, Cloud only nein“
lautet demzufolge sein Credo.
Die Cloud stellt für viele Unternehmen Zugang zu Innovationen, Skalierbarkeit und Elastizität sowie Verlagerung von Betriebsverantwortung dar, die nicht der eigenen Kernkompetenz entspricht. Public Cloud ist ein strategischer Wachstumsmarkt mit großem Potenzial für viele Anbieter – auch für SAP, ist man beim Verein DSAG überzeugt.
Der Markttrend geht jedoch Richtung Hybrid/Multi Cloud und viele SAP-Bestandskunden erkennen wieder den Wert von „on-premise“ – auch weil die eigene IT-Kompetenz ohnehin notwendig ist und bleibt. Somit ergibt sich aber ein Kostenvorteil lediglich bei den großen Hyperscalern und nicht bei der „teuren“ HEC (Hana Enterprise Cloud).
Aber gleichzeitig gibt es einige Hürden zu überwinden, räumte auch Steffen Pietsch in seiner DSAG-Keynote ein: Viele Unternehmen haben massiv in SAP-Software und deren Anpassungen investiert und bezahlen hohe Wartungsgebühren für das On-premise-Portfolio.
Daher erwarten sie auch, dass ältere Produkte grundlegend weiterentwickelt und gesetzliche Anforderungen umgesetzt werden. Vor einem Umstieg müssen die jeweiligen Cloud-Lösungen funktional fortgeschritten oder zumindest äquivalent zur heutigen On-premise-Welt sein.
Nichtsdestotrotz hält Steffen Pietsch den Weg in die Cloud für die strategisch richtige Richtung. Um die mit einer hybriden Systemlandschaft einhergehende Komplexität zu meistern, sind für ihn Automatisierung, Integration und Qualität entscheidend.
Um eine hohe Innovationsgeschwindigkeit zu erreichen, müssen neue Lösungen schnell zu entwickeln und zu implementieren sein. Und Veränderungen an bestehenden Systemen und Prozessen müssen sich zügig umsetzen lassen.
Das setzt voraus, dass sich SAP-Lösungen durchgängig automatisiert betreiben lassen. Testautomatisierung, Sicherheitschecks auf Konfigurations- und Code-Ebene sowie umfangreiches Monitoring sind besonders bedeutend.
„Insgesamt nehme ich die Unterstützung des SAP-Standards für eine durchgängige Automatisierung von Entwicklungs- und Betriebsprozessen noch als zu gering wahr“
sagt Steffen Pietsch und ergänzt:
„Ich wünsche mir deutlich durchgängigere Lösungen bzw. Lösungsbausteine, die Unternehmen den Weg in die Cloud ebnen. Sei es mittels Weiterentwicklungen durch SAP oder durch die Integration von Lösungen aus der Open-Source-Community.“
Auch fehlende einheitliche Objektdefinitionen kritisierte der Technologievorstand, denn es könne nicht sein, dass das Objekt „Business Partner“ nicht in allen SAP-Applikationen gleich definiert und angelegt ist.
SAP wandelt sich vom Entwicklungshaus zum Betreiber von Cloud-Lösungen und Plattformen, somit entstehen ganz neue Qualitätsanforderungen, die Steffen Pietsch bei SAP noch nicht wahrnimmt. Durch die Cloud-Strategie der SAP verändern sich die Anforderungen der Bestandskunden.
Waren früher Benutzerfreundlichkeit, Fehlerfreiheit und Vollständigkeit die zentralen Schlagworte in einer R/3-Welt, sind es heute zusätzlich Skalierbarkeit und Elastizität, Stabilität und Verfügbarkeit, Self-Services und Automatisierung sowie Best Practices, Referenzarchitekturen und Schulungskonzepte, die auf vierzehntägige Releases statt auf jährliche Neuerungen ausgelegt sind.
Und natürlich diskutierten die Teilnehmer auch das Thema „atmende Systeme“, denn SAP hat noch immer kein flexibles, in alle Richtungen skalierbares Lizenzmodell vorgelegt.