Continuous Accounting & Improvement
Mitglieder der SAP-Community trafen sich am Flughafen Frankfurt/M., um über die neue Rolle des CFO und die aktuellen Trends im Rechnungswesen, Controlling und Accounting zu diskutieren. Gastgeber war BlackLine, ein SAP-Partner, der mit einer Cloud-Lösung das Accounting neu definiert und damit Trendsetter im Finanzwesen ist.
Seit dem Beginn der SAP-Geschichte war und ist das Finanzwesen und Controlling immer der entscheidende Faktor für die Bestandskunden gewesen.
Lange Zeit waren Buchhaltung und Controlling stabile und weitgehend getrennte Abteilungen. Betriebswirtschaftliche, technische und gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen und formen auch das Finanzwesen.
Die Rolle des CFOs ändert sich und die Herausforderungen sind andere: Aus dem Erklären, was geschehen ist, wird ein Vorhersagen, was geschehen könnte.
Das gesamte Finanzwesen ist nicht mehr eine Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern gibt Hilfestellungen bei der Bewältigung der Zukunft.
„Noch Anfang der achtziger Jahre argumentierte der damalige Nestor der Kostenrechnung an deutschen Universitäten, Hans-Georg Plaut, Buchführung brauche keine Echtzeitanalyse, weil Buchführung nun einmal an Perioden gebunden sei. Man mache etwa Jahresabschlüsse, eine Auswertung für den Quartalsbericht oder rechne Monatsergebnisse aus.
Die Stapelverarbeitung sei darum nicht nur die hergebrachte, sondern auch die richtige Technologie, meinte Plaut, dessen Unternehmen allerdings später eng mit SAP zusammenarbeitet.
,Was Plaut damals übersehen hat, war der Zusammenhang zwischen Technologie und Inhalt‘, erklärte Scheer, ,dass man es nur einmal im Jahr oder Monat machte, hatte genau den Grund, dass die Technologie nicht weit genug war, um das in Echtzeit möglich zu machen.‘“
Aus: Matrix der Welt – SAP und der neue globale Kapitalismus, von Ludwig Siegele und Joachim Zepelin, Campus Verlag.
(Anmerkung: Zitiert wird Professor August-Wilhelm Scheer, ehemaliges SAP-Aufsichtsratsmitglied und Gründer der IDS Scheer AG.)
In einem SAP-S/4-System gibt es keine Stapelverarbeitung mehr. Basierend auf der Echtzeitplattform Hana beschäftigt sich das Finanzwesen mit Predictive Analysis.
Die SAP-Bestandskunden sind mit einem organisatorischen und technischen „S/4-Release-Wechsel“ konfrontiert. Die globale SAP-Community ist mit internen (Hana, Fiori, HCP, S/4 etc.) und externen (IoT, Cloud, Globalisierung, Digital Transformation etc.) Veränderungen beschäftigt.
Hinzu kommt die betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung eines Lebens und Arbeitens in „Echtzeit“.
Ziel dieses Round Table ist es, den SAP-Bestandskunden und der globalen SAP-Community Orientierung hinsichtlich Rechnungswesen, Continuous Accounting, Echtzeit und Cloud Computing zu geben.
Der Round Table beginnt mit einer kurzen Rückschau auf die betriebswirtschaftliche, organisatorische und technische Entwicklung in der SAP-Community der vergangenen Jahre. In einer Definition des Ist-Zustands wird auch die Heterogenität aktueller Herausforderungen (M&A etc.) und Lösungen durch das Cloud Computing diskutiert werden.
Hier findet die E-3 Bildungsarbeit statt, die von der Richtigkeit und Notwendigkeit eines Continuous Accounting und Cloud Computing überzeugen wird.
Parallel dazu wird auch die Bedeutung von „Echtzeit“ für die globale SAP-Community dargelegt.
Peter M. Färbinger:
Das Finanzwesen war von Beginn an ein Alleinstellungsmerkmal für SAP und ist es bis heute geblieben. Aber welche Veränderungen hinsichtlich Wahrnehmung und Stellenwert haben sich über die Jahre ergeben? Wo steht das Thema Finanzwesen und Controlling heute?
Petra Ellmerich, BlackLine:
Durch die Globalisierung steht es eindeutig im Fokus und hat in seiner Bedeutung deutlich zugenommen. Selbstverständlich wächst die Bedeutung weiter, weil von den Finanzprozessen sehr viel abhängig ist.
Aber wir sind noch lange nicht am Ende angelangt. Prozesse in anderen Bereichen sind teilweise schneller, teilweise effizienter. Deswegen ist im Finanzwesen die Bemühung um Automatisierung und Digitalisierung ganz besonders wichtig.
Ein Punkt erscheint mir zu Beginn noch erwähnenswert: Wenn wir in dieser Runde vom Finanzwesen sprechen, dann ist das viel mehr als lediglich die Buchhaltung.
Mein erster Kontakt zu SAP war R/2, später dann R/3 und bereits damals diskutierten wir über Controlling- und Accounting-Abteilungen.
Heute ist sowohl durch das Abteilungsdenken als auch durch die gelebte Geschwindigkeit der digitalen Transformation der CFO ganz anders gefordert. Er muss seinem CEO innerhalb von Minuten Antworten liefern können.
Mit dem Smartphone ein Taxi zu bestellen, zu sehen, wo es gerade auf dem Weg zu mir ist und wann es ankommt, ist eine Selbstverständlichkeit geworden. So einfach und schnell wie in diesem Beispiel sollte eine Transparenz auch im Finanzabschluss möglich sein.
Dr. Christoph Ernst, SAP:
Ich habe selber noch als Auszubildender in der Buchhaltung mit R/2 gearbeitet. Was sich im ersten Ansatz natürlich verändert hat, ist das papierbasierte Arbeiten. Wo es die Aufgabe war, die Information vom Papier ins System zu bringen und in einer standardisierten Form abzubilden.
Heute hat der Vorstand in Sitzungen den direkten Zugriff auf die Finanzzahlen über großflächige Bildschirme. Und kann unmittelbar entscheiden, wo man Details sehen will, wo man Prognosen berechnet haben will.
Heute funktionieren die Systeme unterstützend durch Simulationen. Der Zugriff auf die Daten hat sich also dramatisch verändert – aber auch das Volumen.
Mit IFRS wurde auch die Notwendigkeit für eine neue Basis-Innovation offensichtlich. Diesen Schritt haben wir jetzt vollzogen, denn letztendlich wachsen die Bereiche – Finance, Controlling, Accounting – zusammen.
Den CFO beschäftigen ganzheitliche Sichtweisen und Konzepte. Der innovative Schritt, den SAP jetzt vollzogen hat, ist, den kompletten Wertefluss im Finanzwesen und Accounting einheitlich zu strukturieren und zu betrachten.
Was dieser einmalige Schritt für Folgen haben kann, ist aus heutiger Sicht nur teilweise abzuschätzen. Welche Möglichkeiten sich daraus ergeben, muss erst evaluiert werden. Jetzt stehen wir am Beginn, die Früchte dieser Innovation zu ernten.
Färbinger:
Herr Kuche, als Controller aus der Praxis und Betroffener von der geschilderten Entwicklung – stimmen Sie dem Gesagten zu?
Reimund H. Kuche, Imperial Logistics:
Ich kann das Gesagte bestätigen. Die Flut an Informationen – nicht die gelieferte, sondern die nachgefragte und eingeforderte – ist gewaltig. Die Erwartungshaltung an das Finanzwesen ist exponentiell gestiegen.
Natürlich gibt es die Buchhaltung noch immer. Soll und Haben sind noch immer gültig. Und es gibt noch immer Menschen, die es nicht verstehen oder können.
Vor zwanzig Jahren war es gut, wenn der HGB-Abschluss im März oder April vorlag. Mittlerweile gilt IFRS. Andere Vorschriften wie Tax-Compliance sind hinzugekommen.
Zusätzlich ist die Erwartungshaltung von Mitarbeitern außerhalb des Rechnungswesens, Controllings, Accountings stark gestiegen bis hin zu dem Verlangen „das muss doch gehen“.
Oft wird nur die Technik gesehen und dann kommt die Frage: Warum könnt ihr das nicht? Leider wird selten nach dem Nutzen gefragt, viele Verantwortliche wollen einfach alles, was möglich scheint.
So ist lediglich eine Ergebnisprognose vorab auf das Monatsende hin manchmal schon zu wenig.
Färbinger:
Wie löst man das Problem?
Kuche:
Hier könnte dann Predictive Analysis ins Spiel kommen und auf diesem Gebiet tut sich momentan ja auch sehr viel.
Auch die von Dr. Ernst angesprochene Entwicklung, dass Controlling und Buchhaltung zusammenwachsen, kann ich bestätigen. Bereits seit den 90er Jahren ist das auch in der Lehre schon ein Thema und in der Praxis – soweit das damals technisch möglich war.
Jetzt, mit S/4, wird das alles möglich. Wir haben S/4 Finance selbst vor einem halben Jahr eingeführt – es läuft, aber wie Dr. Ernst bereits erwähnte: Die Frage, welche Chancen und Möglichkeiten daraus erwachsen und was man damit machen kann, haben wir in der Praxis noch nicht hinreichend beantwortet.
Und es ist definitiv nicht nur eine Frage des technischen Systems! Die innovative Nutzung wird beeinflusst von den handelnden Personen und vom Ausbildungsgrad der Nutzer.
Meine Funktion ist es somit auch, dieses Potenzial zu heben und die organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, damit die oben erwähnten Forderungen befriedigt werden.
Hier arbeite ich dann in zwei Richtungen. Zunächst bei der Qualifikation meiner Mitarbeiter und dann in Richtung Geschäftsleitung.
Dort werbe ich um Verständnis für das, was wir ändern können, was sinnvoll und hilfreich sein kann. Daraus leiten wir dann unsere Maßnahmen und Investitionen in die Systeme ab.
Färbinger:
Sind die nun beschriebenen Trends und Bewegungen auch allgemein im Markt zu beobachten? Man will alles haben, nach dem Nutzen wird erst danach gefragt.
Sind es Modetrends im Finanzwesen oder nachhaltige Umbrüche?
Martin Wolleswinkel, Hackett:
Die Funktion von Finance war bislang häufig auf das Aufzeigen und Erklären der Vergangenheit ausgerichtet: Wo stehen wir heute und wie sind wir dorthin gelangt?
Was neu ist, ist die fast grenzenlose Erwartung der Datenverfügbarkeit! Ich drücke auf einen Knopf, bekomme alles und kann runterdrillen bis auf die Buchungszeile.
Natürlich frage ich mich dann, ob das immer so sinnvoll ist – aber die Erwartung existiert. Und da hat SAP Hana sehr wohl einen Meilenstein gesetzt.
Die Echtzeitmentalität hat sich etabliert, dass man sofort einen Überblick über notwendige Aktionen und Aufgaben bekommt – und diese Entwicklung wird sich eher noch verschärfen.
Die deutschen Controller sind unter anderem sehr gut darin, die Vergangenheit zu erklären, und mit Hana gelingt das jetzt nahezu in Echtzeit.
Färbinger:
Und die Zukunft?
Wolleswinkel:
Ich glaube, dass die Rolle von Finance eine andere geworden ist. Es wird erwartet, dass man das Unternehmen aktiv steuert – also nicht nur erklären, sondern sehen, wo die Reise hingeht.
Welche Hebel sollen umgelegt werden – dafür ist dann das Thema Vorausschau wesentlich wichtiger. Es geht nun um echte Entscheidungshilfen, die von Finance erwartet werden.
Auch das gemeinsame Entscheiden zusammen mit dem operativen Geschäft ist ein wesentlicher Trend. Dafür braucht der Controller natürlich ein neues Verständnis von sich und seiner Aufgabe.
Der klassische Guru mit seinen Excel-Tabellen hat ausgedient, wir brauchen in der Wirtschaft mehr den Berater aus dem Finance-Bereich, der der Geschäftsleitung helfen kann, die richtigen Weichen zu stellen.
Notwendig wird dieses Verständnis, weil von extern die Anforderungen extrem gestiegen sind. Somit wird vom CFO und seinem Team diese Hilfestellung verlangt.
Die Bedeutung des Finanzwesens steigt somit momentan sehr stark. Eine neue Aufgabe ist das funktionale Controlling, womit alle Bereiche eines Unternehmens erfasst werden und man so ein umfassendes Bild bekommt, wo die Reise hingehen kann.
Wenn man das Thema ganzheitlich betrachtet, schließt sich unmittelbar das Thema Big Data und die erwähnten Predictive Analytics an. Das geht dann auch weit über SAP-Daten hinaus.
Hier kommen IoT, Social-Media-Daten etc. ins Spiel. Und es wird nun auch bezahlbar, diese Massen von Daten zu speichern und zu analysieren.
Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass die Mitarbeiter fehlen, die damit produktiv umgehen können. Der klassische Controller schaut auf Soll und Haben.
Was wir zukünftig brauchen werden, sind Data Scientists, die die Korrelationen zwischen den Zahlen herstellen können und daraus dann entsprechende Empfehlungen abgeben.
Ernst:
Ist aber dann der Data Scientist ein Teil der Controlling-Abteilung oder gehört diese Aufgabe nicht mehr in den Vertrieb und das Marketing?
Wolleswinkel:
Das ist eine berechtigte Frage. Manche sehen diese Aufgabe auch beim CIO. Aber auch im Vertrieb sehen wir Data Scientists. Hier hat sich noch kein finales Modell durchgesetzt – vieles ist möglich.
Wenn aber der CFO seine Aufgabe nicht nur in der Berichterstattung sieht, sondern auch dem Vorstand helfen will, Entscheidungen zu treffen, dann sehe ich persönlich den Data Scientist im Finance-Bereich.
Das ist natürlich für den CFO eine ganz andere Rolle im Vergleich zu früher, wenn er die Bilanz sowie G&V abgeben musste. Das Selbstverständnis der meisten fortschrittlichen CFOs aber geht in diese Richtung.
Kuche:
Ja, aber wenn sich der CFO auf sein klassisches Berichtswesen zurückzieht, dann könnte es für ihn schwierig werden. Es ist aber auch nicht hilfreich, wenn man mit der Begründung, es stecke doch Technik dahinter, Themen wie Data Scientist und Predictive Analysis beim CIO ansiedelt – auch keine gute Lösung.
Es ist also eine Sichtweise und eine Person gefordert, die die Themen ganzheitlich überschauen kann und zusätzlich auf Finanz- und Rechnungswesen spezialisiert ist.
Dieser Spagat ist zu bewältigen. Die Rollen ändern sich momentan sehr schnell.
Färbinger:
Historisch gesehen hat sich dieses Rollenverständnis stark gewandelt. In SAP Hana PAL – Predictive Analysis Library – finden sich von komplexen Statistikfunktionen bis hin zu neuronalen Netzwerken sehr innovative Software-Bausteine. Sind diese in der Praxis schon angekommen?
Kuche:
Bekannt sind mir diese Themen. Aber in meinem beruflichen Umfeld haben diese Optionen noch keine Anwendung gefunden.
Interessant wäre es, weil die Nachfragen immer die gleichen sind – am besten das Monatsergebnis und die Planung von jetzt, vom nächsten Monat, vom nächsten Jahr immer sofort auf Knopfdruck bereit zu haben.
Und wenn im Hintergrund eine KI das macht, dann ist es den Anwendern auch egal. Wichtig sind die Zahlen selbst und das Wissen, dass diese auch zuverlässig sind.
Wolleswinkel:
Ja, viele Dax-Unternehmen arbeiten momentan an solchen Systemen. Wir sprachen mit einem Unternehmen, das ein Early-Warning-System auf Basis der Daten aus einem SAP-System gebaut hat ergänzt durch Open-Source-Daten aus deren Marktumfeld.
Man hat das System gegen die Controller antreten lassen und musste feststellen, dass die aggregierten Zahlen gegen das Bauchgefühl gewonnen haben.
Natürlich ist ein erfahrener Controller vielleicht besser als ein automatisiertes System, aber häufig wechseln hier die Mitarbeiter alle zwei bis drei Jahre den Arbeitsplatz und so geht Wissen verloren und der Bezug zur Historie.
Die Systeme hingegen können sehr schnell auch große Zeiträume erfassen. In dieser Finance- und Technik-Community erleben wir momentan einen enormen Wertewandel.
Die breite Masse an Unternehmen ist natürlich noch nicht so weit, aber was mit modernen Finance-Controlling- und Accounting-Systemen möglich sein kann, ist sehr beeindruckend.
Kuche:
Offensichtlich ist die Technik verfügbar – aber wie schaut das dazugehörige Geschäftsmodell aus? Ich habe bei mir ein zentrales SAP ERP mit FI und CO, aber acht verschiedene Vorsysteme, die im Vergleich zu einem integrierten System wie SAP weniger und weniger gleich strukturierte Daten liefern können.
Was ich also brauche, ist eine stabile Datenbasis und ein Geschäftsmodell für Veränderungen wie Mergers and Acquisitions.
Können die aktuellen Systeme auch hier unterstützen?
Ernst:
Es ist erstaunlich, wie mit relativ wenigen Daten die Systeme Vorhersagen treffen können.
Natürlich ist ein stabiles Geschäftsumfeld für Machine Learning eine Erleichterung. Aber ich habe es selbst erlebt, was mit modernster Technik auch in einem sehr agilen Umfeld schon möglich wird.
Selbst in unbekannten Gebieten können Maschinen heute schon sehr gute Vorhersagen treffen – und die Ausgangssituation ist für die Maschine ja ähnlich wie für den Controller.
Für uns besteht dann die Herausforderung, die Fähigkeiten den Anwendern auch auf Knopfdruck zur Verfügung zu stellen. Und zwar jedem Anwender, nicht nur dem Data Scientist.
Dafür arbeiten wir sehr gerne mit Anwenderunternehmen zusammen, um die Predictive Analytic Engine aus Hana hier optimal zum Einsatz zu bringen.
Es geht also nicht darum, komplexe Algorithmen dem Controller zu erklären, sondern ihm ein Werkzeug zu geben, mit dem er planen und Vorhersagen treffen kann – auch unter Berücksichtigung externer Daten, was es letztendlich wirklich spannend macht.
Natürlich ist das erwähnte zentrale ERP sehr wichtig, aber das Hinzuziehen von externen Daten ist dann ein Mehrwert.
Hier kommt alles in einem mathematischen Modell zusammen. Dadurch unterstützen wir den Rollenwandel aus dem System. Ich unterstütze den Ansatz, dass es letztendlich um die Mitarbeiter geht, die diesen Wandel umsetzen sollen.
Ellmerich:
Ich stimme dem zu, dass Technik unsere Welt verändert. Aber das war immer schon so – ich erinnere mich an die Einführung von R/3.
Natürlich bewirkte auch das Internet einen enormen Wandel. Im Vergleich dazu blieb aber der Bereich Finance über eine lange Zeitstrecke stabil. Und plötzlich brach diese Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit durch Tablets und Smartphones auch in das traditionelle Finanzwesen ein.
Dieser Prozessschritt hat unsere Denkprozesse und Geschäftsmodelle verändert. Damit ist der Wunsch nach Geschwindigkeit, nach Echtzeit gewachsen.
Finance rückt jetzt in den Fokus, weil es bisher von kontinuierlichen, stabilen Prozessen beherrscht war. Jetzt hat aber auch der CFO ein Smartphone in der Hand und will es nicht nur privat nutzen.
Viele Anwender sind somit zu Recht begeistert von der Cloud, weil nun die bekannte Agilität aus der Konsumentenwelt auch in den Unternehmen ankommt. Jetzt liegt es an uns, den Anbietern, die Hilfestellung für diesen Wandel zu liefern und Antworten auf die Frage zu haben:
Wie komme ich in diese neue, agile Welt mit meinen motivierten Mitarbeitern?
Färbinger:
Und was sind die Gründe für die Bedeutung und Wichtigkeit des Finanzwesens und Controllings? Europa kennt die doppelte Buchführung spätestens seit 1494 durch ein Buch des italienischen Franziskanerpaters und Mathematikers Luca Pacioli. Was hat sich seit damals verändert?
Ellmerich:
Deutschland ist wirtschaftlich sehr gut aufgestellt. In diesem Bereich haben wir aber vielleicht zu lange am Papier festgehalten. Hier hat uns die digitale Entwicklung eventuell überholt.
Wir sind sehr auf Qualität konzentriert. Dennoch müssen wir uns auch mit den Veränderungen in Echtzeit auseinandersetzen und einen Weg des Lernens für uns finden.
Wir müssen lernen, die Herausforderungen der digitalen Transformationen als Chance wahrzunehmen – und eben nicht als Bedrohung.
Das spiegelt sich auch wider in der Partnerschaft zwischen SAP und BlackLine. In unser beider Fokus steht der Kunde, unabhängig, von welchem Vorsystem er kommt.
Es geht uns nicht darum, ein Produkt zu positionieren, es geht vielmehr um die Problemlösung bzw. Aufgabenstellung. Wir sind heute in der glücklichen Lage, nahezu alle Fragestellungen abdecken zu können.
Die Kunden heute sind anspruchsvoll, sie benötigen meistens eine schnelle Lösung, aber gleichzeitig auch eine Perspektive, wie diese in ihre längerfristige Roadmap passt.
Färbinger:
Das Thema Geschwindigkeit, Agilität und Echtzeit hat sich in den vergangenen Jahren jedoch dramatisch gesteigert – im Vergleich zu einer viele Jahre zurückliegenden R/3-Einführung –, oder?
Ellmerich:
Exakt, dazu gern ein Beispiel aus der Praxis. Angefangen hat es mit dem Cloud Computing. Als wir darüber diskutierten, wie lange etwas dauert, habe ich reflexartig gesagt, es wird ein paar Tage dauern.
Nein! Es dauert eben manchmal nur noch ein paar Stunden – wir müssen schnell lernen umzudenken.
Kuche:
Wir nutzen unser System als Kombination aus On-premise- und Cloud Computing. Wir setzen eine Cloud-Lösung für die Kommunikationen mit den Banken ein – ein komplexes Thema, wenn man mit vielen verschiedenen Banken bzw. Bankstandorten in Kontakt steht.
Trotz SEPA-Standard muss jeder Kommunikationskanal individuell konfiguriert werden. So gesehen gibt es keinen Standard in der Bankkommunikation.
Natürlich kann man das in seinem eigenen System machen, aber dann hat man einen ständigen Wartungs- und Pflegeaufwand. Deshalb sind wir den Weg in die Cloud gegangen zu einem Dienstleister, der auch Partner von SAP ist.
Der Dienstleister organisiert die Verbindung zur Bank und stellt uns die einheitliche Schnittstelle zur Verfügung. Natürlich war das zu Beginn auch ein Gesprächsthema in der Geschäftsführung. Immerhin gehen wir mit Bankdaten in die Cloud, aber realistisch betrachtet hat es auch in der alten analogen Welt genug Risiken gegeben, die man beherrschen musste.
Eine zweite Cloud-Lösung bauen wir soeben mit Kollegen von Dr. Ernst bei SAP auf. Hier geht es um Bonitätsprüfung, um Auskünfte und das Rating.
Auch hier wieder das gleiche Prinzip: SAP geht an die externen Informationsquellen von Geschäftspartnern und gewährleistet einen standardisierten Datenfluss. Wir sind mit diesen beiden Ansätzen sehr zufrieden.
Ernst:
Das ist jetzt ein sehr interessanter Punkt und Ansatz. Mit S/4 haben wir einen stabilen Kern, der nun implementiert wird. Die andere Frage hingegen ist, wie bringe ich Innovation in mein Unternehmen verbunden mit diesem stabilen Kern.
Ein Beispiel für Innovation ist hier die BlackLine-Cloud-Lösung, mit der sehr fokussiert Fragestellungen aus dem Business schnell beantwortet werden können.
Ergänzend zu dem stabilen S/4-Kern kann man auch das Beispiel von Herrn Kuche zur Bankenkommunikation und unser Kreditrating erwähnen.
Diese zwei Elemente einer Business-Strategie – der stabile Kern und die flexible, agile Cloud-Lösung – sind ein Ausdruck von Innovation. Und das ist eben die Antwort auf die Frage der Kunden: Wie kann ich innovativ sein und trotzdem mein traditionelles Geschäft stabil halten?
Wolleswinkel:
Das ist momentan ein ganz deutlicher Trend, dass man ausgehend von einer stabilen Basis die Notwendigkeit für Innovationen sieht. Früher wurde in Deutschland oftmals lange geplant und dann fehlerfrei umgesetzt.
Heute beobachten wir, dass Unternehmen Proof of Concepts oder Piloten starten mit dem Wissen, dass viele dieser Experimente scheitern werden.
Die Führungskultur muss sich hier ändern, weil Fehler früher des Öfteren zum Karriereknick führten, jetzt aber bewusst gewollt sind. Diese Experimentierfreudigkeit – ausgehend von einer stabilen Basis – ist sehr bemerkenswert.
Aber mit dieser Experimentierfreudigkeit müssen wir auch an die sogenannten langweiligen Themen herangehen – wie zum Beispiel Stammdatenmanagement. Andere Prozesse laufen nur beschränkt, weil die Stammdaten nicht passen, und so wird auch dieses Thema plötzlich ein Vorstandsthema.
Kuche:
Das kann ich bestätigen. In meiner Abteilung habe ich ein Team „Master Data Management“ etabliert. Wer würde das im Accounting vermuten?Es deckt natürlich nicht alles ab, aber alle Daten der Geschäftspartner sehr wohl.
Es ist für das System äußerst wichtig, dass man von Beginn an darauf achtet, dass das Master Data Management sauber strukturiert und betrieben wird.
Momentan muss ich diesen Bereich sogar personell noch aufstocken, was ich selbst nicht erwartet habe.
Ellmerich:
An dieser Stelle erscheint es mir wichtig aufzuzeigen, dass es darum geht, in gewissen Bereichen die Komplexität zu reduzieren, und das nicht nur aktuell, sondern über eine fortlaufende Entwicklung in den kommenden Jahren.
Letztendlich geht es darum, dem eigenen Geschäft etwas Gutes zu tun, und hier haben Cloud-Lösungen eine ganz hohe Bedeutung. All die erwähnten Herausforderungen in der heute gewünschten Geschwindigkeit zu managen und gleichzeitig auf alle Aspekte der Sicherheit und Anwendernutzen zu achten.
Also die Fähigkeit zu entwickeln, schneller zu werden und gleichzeitig Sicherheit und Komfort zu steigern.
Färbinger:
Accounting ist aber jetzt nicht neu für SAP oder die Bestandskunden?
Ernst:
Das ist eine schöne, neue Entwicklung, dass sich die Anwender viel mehr einbringen und mitentscheiden, wohin eben diese Reise gehen soll. Es geht also nicht mehr so sehr darum, einen fertigen Plan für die kommenden drei Jahre anzubieten, vielmehr darum, die Anwender einzubeziehen.
Das ist auch eine komplette Umstellung der Entwicklungszyklen, wenn man mehr auf die Anwender hört und diese bei der Planung mitreden lässt.
Aber natürlich ist das auch für einige gewöhnungsbedürftig, wenn sie fragen: Wo ist SAP in drei Jahren? Wo ist der nächste Release-Wechsel?
Diese Erwartungshaltung ist natürlich durch jahrzehntelange Praxis eingeübt. Jetzt ändert sich dieses Paradigma – wir haben natürlich unsere Vorstellungen, stimmen es aber wesentlich differenzierter und intensiver mit den Anwendern ab.
Wolleswinkel:
Über dieses Einbeziehen der Anwender erlangt man beim Cloud Computing auch wieder eine Standardisierung.
Früher diskutierte man monatelang über eine Anbindung an Concur oder Ariba. Heute heißt es, das ist die global abgestimmte Cloud-Lösung, also wird es auch für jeden Einzelnen gut sein – ähnlich wie bei Apple oder Google.
Die Cloud bringt hier Sicherheit und verbindliche Standards. Weil ja auch Buchhaltung überall ähnlich ist und sich seit 1494 nicht so viel geändert hat. Und dass man jetzt global mit Cloud Computing eine Lösung ausrollen kann, ist eben gewaltig.
Ernst:
Mit Cloud-Lösungen lassen sich Standardisierungsanforderungen sehr viel einfacher und eleganter erreichen. Grundsätzlich ist somit Standardisierung ein wichtiges Thema.
Kuche:
Es ist genau so, wie Sie es geschildert haben. Wir haben es auch bei unserem S/4-Projekt gemerkt. Dort haben wir 97 Prozent des Budgets für Best Practice und nur drei Prozent für individuelle Anpassungen ausgegeben.
Im Moment überlege ich sogar, ob diese drei Prozent unabdingbar notwendig gewesen wären. Standardisierung ist somit ein Thema.
Das heißt nicht zwangsläufig, dass alles einfacher wird. Komplex ist der Finance-Bereich ohnehin. Er wird eventuell noch komplexer werden. Aber Komplexität kann man nur mit komplexen Systemen beherrschen.
Was wir vermeiden müssen, ist Kompliziertheit – und da sehe ich noch viel Handlungsbedarf, wenn ich beispielsweise an unsere acht Vorsysteme denke, die sich aus der Historie und Firmenübernahmen ergeben.
Das dürfte anderswo oftmals ähnlich sein. Das Problem sind meist nicht die Vorsysteme selbst, sondern die Schnittstellen. Und hier helfen eben die Standards.
Wir halten uns an die Vorgaben von S/4, wo natürlich Komplexität dahintersteckt, die aber durch das ganzheitliche System bewältigt werden kann.
Ernst:
Das ist ja das Interessante in Zusammenarbeit mit Partnern. Wir haben mit unseren Systemen den Standard, aber eine Lösung wie BlackLine hilft, die Systemgrenzen zu überwinden.
So können wir dann noch individueller die Kundenprobleme lösen – ohne unseren erfolgreichen Weg zu verlassen. Und das ist eben die zuvor erwähnte Herausforderung bei Vorsystemen, die nicht unbedingt SAP-Systeme sein müssen, dass hier dann BlackLine ein Bindeglied sein kann – die Grenzen eben aufzuweichen.
Ellmerich:
Der Erfolg unserer Lösung ist dann die Kundenzufriedenheit. Wir denken nicht an große oder kleine Systeme, sondern lediglich an die Zufriedenheit unserer Anwender.
Denn auch das hat das Cloud Computing mit sich gebracht, man muss sich wesentlich mehr anstrengen, um den Anwender zu halten. Unsere Systeme müssen natürlich auch attraktiv sein, um ein positives Arbeitsplatzgefühl zu vermitteln.
Wolleswinkel:
Der Wettstreit um Talente ist hier ein wesentlicher Punkt. Es gibt Arbeitgeber, die von sich aus attraktiv sind, dann aber am Arbeitsplatz eine Excel-Kultur und Technik aus dem vorigen Jahrhundert haben.
Viele Arbeitnehmer sind dann nach zwei Jahren wieder weg. Die Anwender wollen kreativ sein und sich einbringen, dafür braucht es innovative Lösungen.
Kuche:
Um nochmals auf Standards und damit auf die Gestaltung des Arbeitsumfelds zurückzukommen – es heißt ja nicht nur, dass es nur technisch weniger Komplexität geben sollte.
Ein Problem sind auch Schnittstellen nicht technischer Art zwischen Bereichen, wie etwa Buchhaltung und Controlling. Die einen rechnen mit Plus und Minus und GuV, die anderen mit Soll und Haben und betrachten dabei viel stärker Bilanz und Cashflow-Rechnung.
Hier gemeinsame Sichtweisen zu schaffen, Auffassungsunterschiede zu beseitigen, das halte ich auch für eine wichtige Herausforderung. Und hier erwarte ich Systemunterstützung statt Excel-Kultur.
Wolleswinkel:
Für das Thema Controlling wird wahrscheinlich das Thema Vergangenheitsbewältigung immer trivialer. Von zukünftigen Controllern erwartet man eine Sicht in die Zukunft.
Wo kann sich das Unternehmen hin entwickeln? Was ist zu tun, um gewisse Ziele zu erreichen? Das wird sich in Richtung Simulationen und Predictive Analysis entwickeln.
Der Anwender wird bei aller Technik im Finanzwesen auch zukünftig im Mittelpunkt stehen, aber mit vollkommen neuen und anderen Aufgaben betraut sein.
In stabilen Umgebungen kann man natürlich viel automatisieren oder durch Robotik kompensieren – aber das Finanzwesen ist nicht stabil, hier werde ich immer Menschen brauchen, die die Komplexität beherrschen und agil reagieren können.
Ohne die Kernkompetenz erfahrener Mitarbeiter wird es nicht funktionieren.
Ellmerich:
Letztendlich geht es hier auch um die Reduzierung von Fehlern. Das ist fast immer ein ganzheitlicher Ansatz, den kaum ein Machine Learning oder die Robotik wird leisten können.
Hier braucht es menschliche Intelligenz und auch Erfahrung von länger gedienten Mitarbeitern. Da sind wir, so wie andere SAP-Lösungen und Partner auch, spezialisiert und liefern genau die aus der Praxis erprobten Lösungen – inklusive Compliance.
Leider sind noch immer viel zu viele Spreadsheets im Einsatz.
Kuche:
Das ist definitiv so. Bei unserer Bankenkommunikationslösung können wir, nach Schulung und Rücksprache mit allen Beteiligten, zukünftig beispielsweise auf entsprechende Anschreiben und Bestätigungen der Banken verzichten.
Weil es immer um Menschen und Systeme geht, ist auch meine Vorstellung, dass zum Beispiel der Wirtschaftsprüfer nicht mehr zu uns kommen muss, sondern die Informationen in seinem Büro auf den Bildschirm bekommt.
Ellmerich:
Ja, er soll auf dem Bildschirm sehen können, was vorgeht, und für jeden anderen im Prozess gilt auch, er sollte es vorher wissen und automatisch diese Information auf seinem Bildschirm haben, wann immer es gewünscht wird.
Färbinger:
Gewinnt in diesem Umfeld der CFO an weiterer oder auch neuer Bedeutung?
Wolleswinkel:
Unbedingt. Das Rollenverständnis des Chief Financial Officers ändert sich. Er ist auch Berater für die Geschäftsleitung. Speziell in Deutschland kann man beobachten, dass dadurch viele CFOs im Laufe der Zeit dann zu CEOs werden.
Ellmerich:
Der CFO war immer in der Lage, Probleme zu lösen – früher vielleicht mit vielen Mitarbeitern und deren Leidensfähigkeit spätestens im Abschlussprozess, heute besser mit Unterstützung von entsprechenden Systemen. Dennoch müssen die Prozesse von den Mitarbeitern gesteuert werden – und dieses Bewusstsein entsteht soeben.
Nicht, weil es im System vorhanden ist, ist das Problem schon gelöst, sondern weil Menschen entsprechende Rollen ausfüllen, Prozesse verantworten und sich nun um das Wesentliche kümmern können, da die Automatisierung es möglich macht.
Natürlich bedeutet es in dieser Transformation auch, dass man in der Buchhaltung, im Controlling, im Accounting von einer Position auf die andere wechselt, um neue Ansichten und auch die Sichtweisen des anderen kennenzulernen.
Kuche:
Ein Abschluss im Accounting sollte letztlich nicht anders ablaufen als ein guter, stabiler, qualitätsüberwachter Produktionsprozess in der Fertigung. Nicht jeder Jahresabschluss darf zu einem Projekt ausarten.
Es kommen oft Zahlen zum Vorschein, deren Entstehen nicht immer transparent ist. Wenn jetzt mit den erwähnten Systemen aber der Prozess klar definiert ist, dann kann ich auch jede Zahl verstehen und interpretieren.
Ellmerich:
Neben der erwähnten Geschwindigkeit ist dann bei den genannten Vorgängen auch die Qualität der Prozesse enorm wichtig. Und zu diesen wichtigen Prozessen gehört das, was wir heute Continuous Accounting nennen, und das so viel verändern kann, weil es letztendlich mit Qualität zu tun hat.
Qualität ist für den CFO enorm wichtig. Die Zahlen müssen für ihn stimmen – im Rahmen eines kontinuierlichen und stabilen Prozesses und eben nicht als singuläres Projekt.
Somit geht es um das Wissen, dass mit Systemen wie SAP und BlackLine keine Fragezeichen bleiben.