Der neue SAP Boys Club
Der SAP-Stratege Christian Klein
Zu Beginn seiner Vorstandskarriere war Christian Klein ein guter Stratege. Er konnte die Stimmung und die Reaktionen des damaligen SAP-Aufsichtsratsvorsitzenden Professor Hasso Plattner gut einschätzen: Er wagte sich vor, intrigierte gegen seine Co-Vorstandskollegin Jennifer Morgan und war nach wenigen Monaten einer SAP-Doppelspitze der alleinige Chef von SAP.
Ebenso klug versammelte er weitere Vorstandsmitglieder um sich und allen voran Jürgen Müller, der unter dem Schutzschirm von Hasso Plattner bei SAP eine sensationelle Karriere machte. Somit konnte Christian Klein nicht nur einen ungefährlichen und kaum erfahrenen Vorstandskollegen positionieren, sondern auch Professor Hasso Plattner einen Gefallen tun.
Keine sehr glückliche Hand hatte Christian Klein jedoch bei seinem Vorstandskollegen Thomas Saueressig, dieser erschien anfangs blass und still. Saueressig entwickelte aber sehr schnell seine Managementfähigkeiten. Er triumphierte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos und konnte bei SAP immer mehr strategische Felder erobern. Aktuell gilt Thomas Saueressig als wichtigstes und strategisch am besten positioniertes SAP-Vorstandsmitglied.
Die Historie der SAP-Technikvorstände
Technikvorstand bei SAP zu sein, war immer schon eine ganz besondere Herausforderung, weil es immer Professor Hasso Plattner gab, der auf diesem Gebiet das letzte Wort hatte. Begonnen hat das ambivalente Verhältnis zwischen dem Technikvorstand und Hasso Plattner in seinen wechselnden Rollen als Vorstand und Aufsichtsrat mit Peter Zencke. Er war gemeinsam mit Plattner für die Einführung des dreistufigen Client/Server-Modells eines SAP R/3 verantwortlich. Später versuchte sich Peter Zencke an SAP Business ByDesign, einem Vorläufer einer SAP-Cloud-Lösung. Zencke setzte eine Milliarde Euro Entwicklungskosten in den Sand und verlor das Vertrauen von Hasso Plattner. Zencke ging als Technikvorstand in den Ruhestand ohne wohlwollende Abschiedsworte von Aufsichtsratsvorsitzendem Professor Hasso Plattner – damals war Professor Henning Kagermann der SAP CEO.
Aber Plattner hatte bereits einen Nachfolger im Visier, den er fast väterlich als neuen Ziehsohn in den Konzern holte. Shai Agassi ist Israeli. Er verkaufte sein damaliges Start-up an SAP und bekam zusätzlich den Posten des SAP-Technikvorstands. Agassi war extrem ehrgeizig und wollte nicht nur Ziehsohn von Plattner und SAP-Technikvorstand werden, sondern auch Nachfolger von Professor Henning Kagermann und damit neuer SAP-Chef. Plattner hatte jedoch andere Pläne und formte vorerst eine Doppelspitze aus Henning Kagermann und Léo Apotheker. Shai Agassi verließ den ERP-Weltmarktführer SAP und Plattner musste sich nach einem neuen Ziehsohn umschauen.
Professor Hasso Plattner fand in Kalifornien, USA, den jungen SAP-Assistenten Vishal Sikka. Der überragend intelligente Doktor der Mathematik war schnell als Technikvorstand installiert und mit der kommerziellen Entwicklung der neuen SAP-Datenbank Hana beauftragt. Lange Zeit waren Plattner und Sikka ein Herz und eine Seele. Aber Vishal Sikka wollte aus Hana ein globales Erfolgsrezept entwickeln und somit einen Teil von Hana als Open Source positionieren, was durchaus Sinn ergibt, denn das darunterliegende Betriebssystem ist ausschließlich Linux und damit per se Open Source. Plattner hatte andere Pläne und Sikka verließ SAP in einer Nacht- und Nebelaktion aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses. Bereits wenige Tage später war Bernd Leukert der neue SAP-Technikvorstand.
Technikvorstand Bernd Leukert operierte still und erfolgreich, aber wenig spektakulär. Offensichtlich zu seriös für den damaligen SAP-Chef Bill McDermott. Der Amerikaner McDermott mochte es laut, bunt, einfach und schnell. Sein Motto: run simple! Bernd Leukert musste SAP verlassen und wechselte in den Vorstand der Deutschen Bank von Walldorf nach Frankfurt.
Nun schlug die Stunde von Jürgen Müller, dessen Doktorvater Professor Hasso Plattner an der Universität Potsdam am HPI (Hasso-Plattner-Institut) war. Auch Müller widmete sich anfangs intensiv der Datenbank Hana, was naturgemäß Wohlwollen bei Hana-Erfinder Plattner auslöste. Nach zahlreichen Versuchen und Irrläufen entstand unter der Führung von Jürgen Müller die SAP-Plattform BTP (Business Technology Platform). Schnell wurde BTP zum strategischen Zukunftsprojekt von SAP und damit Jürgen Müller zu einem der wichtigsten Vorstände. Sein Ende als Vorstand kam überraschend, bleibt persönlich und damit rätselhaft. Professor Hasso Plattner ist nicht mehr SAP-Aufsichtsratsvorsitzender und damit nicht involviert.
Das SAP-Triumvirat plus ein SAP-Finanzvorstand
Die jüngere Geschichte des SAP-Vorstands ähnelt der Geschichte der drei Musketiere plus d’Artagnan. Bei SAP waren es namentlich die drei Vorstände Christian Klein, Thomas Saueressig und Jürgen Müller sowie der ehemalige SAP-Finanzvorstand Luka Mucic. Lange Zeit schien es so, als ob diese Konstellation ein robustes Fundament und klare Aufgabenteilung besaß. Aber Finanzvorstand Mucic wollte mehr. Er vernachlässigte jedoch den SAP-Aktienkurs und verlor das Wohlwollen von Hasso Plattner. Mucic musste gehen.
Thomas Saueressig wollte immer weniger einer unter Vielen sein. Er entwickelte seine Managementfähigkeiten und sammelte immer mehr strategische SAP-Aufgaben um sich. Während SAP-Chef Christian Klein immer mehr den ERP-Konzern hinreichend verwaltet und den Aktienkurs zu einem Allzeithoch führt, positioniert sich Thomas Saueressig als zukünftige SAP-Hoffnung.
Die Zukunft des SAP-Vorstands
Der aktuelle SAP-Vorstand hat nach dem überraschenden Abgang von Technikvorstand Jürgen Müller einen neuen Boys Club: Christian Klein, Thomas Saueressig und Finanzvorstand Dominik Asam. Alle arbeiten bestens miteinander und haben ein fundiertes Arbeitsübereinkommen gefunden. CEO Christian Klein und Dominik Asam verwalten den ERP-Konzern und pflegen den Aktienkurs, während Thomas Saueressig sich um die strategische Ausrichtung kümmert. Damit erscheint auch offensichtlich, dass schon bald Thomas Saueressig nach dem Abgang von Jürgen Müller das SAP-Steuer von Christian Klein übernehmen wird. Wenn die SAP-Metamorphose abgeschlossen ist, dann braucht SAP einen neuen Vorstandsvorsitzenden.
2 Kommentare
Thomas
Oh ja… es wird Zeit für einen neuen CEO
E3-Magazin
Ich denke, dass jede zeit ihren passenden CEO braucht: Die „Doppelspitze“ Hasso Plattner und Christian Klein räumten hinter Bill McDermott auf und konsolidierten den ERP-Konzern. Nun braucht die SAP-Community aber einen mutigen und visionären CEO, der eine Idee hat, was nach S/4 kommen kann.