Der SAP’sche Taschenspielertrick
Cloud Computing ist ein Megatrend, aber mit jedem neuen Quartalsbericht zeigt SAP die eigene Schwierigkeit, diesen Trend positiv zu nutzen. Schon wieder sind Bilanzzahlen betreffend Cloud im SAP-Quartalsbericht deutlich gestiegen. Was als Erfolg präsentiert wird, ist lediglich ein genialer Taschenspielertrick. Das wahre Leben findet in der SAP-Community und bei den DSAG-Mitgliedern statt, dort wollen wenige irgendetwas vom Cloud Computing hören.
Der SAP’sche Taschenspielertrick – ein Gedankenexperiment: In der Straße, in der Sie wohnen, gibt es zwei Restaurants, die beide denselben Besitzer haben. Eine einfache Rechnung zeigt, dass der Restaurantbesitzer wesentlich mehr verdienen könnte, wenn er nur eine Gaststätte betreibt – ganz unabhängig von den Speisen, die er anbietet. Das Einzugsgebiet bleibt gleich und die Konkurrenz war in der Vergangenheit vernachlässigbar.
Somit beschließt der Restaurantbesitzer, das Service in einem seiner Lokale zu verringern, die Toiletten werden unzulänglich gereinigt und die Preise deutlich erhöht. Oh Wunder – die Hungrigen aus der Straße wenden sich vermehrt dem anderen Lokal zu, obwohl auch dort das Essen schlecht ist, aber die Toiletten sind sauber und das Service bemüht. Am vorläufigen Ende der Geschichte hat der Restaurantbesitzer sein Ziel erreicht: eine Gaststätte mit veritablem Deckungsbeitrag! Das andere Restaurant mit dem Namen „On-prem“ wird demnächst geschlossen. Das ist die Dekonstruktion eines Marktsegments.
Und SAP?
Der ERP-Weltmarktführer hat die besten betriebswirtschaftlichen Algorithmen, erprobte und durchdachte Geschäftsprozesse. Wenn SAP ein viele Jahre gut laufendes APO, Advanced Planner und Optimizer, abkündigt und als Alternative nur die Cloud anbietet, dann erscheint es wenig überraschend, dass viele SAP-Bestandskunden den APO-Nachfolger IBP, Integrated Business Planner, wählen (müssen).
Warum ist SAP IBP eine Erfolgsgeschichte?
Nicht weil, sondern trotz Cloud Computing! IBP geht weit über APO hinaus und hat zahlreiche innovative Erweiterungen zu bieten. Hier zeigt sich eindrucksvoll das alte SAP-Alleinstellungsmerkmal im Bereich der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware. Funktionen, Algorithmen und Prozesse des IBP sind einzigartig – da nimmt der SAP-Bestandskunde auch die Cloud in Kauf inklusive schwer zu verwaltender Wartungsfenster.
Von einem freiwilligen Wechsel ins Cloud Computing oder von der Überzeugungskraft der Cloud kann naturgemäß nicht die Rede sein. Wenn nur ein Restaurant offen hat und der Hunger drückend ist, dann nimmt der SAP-Bestandskunde dieses Angebot ohne Alternative an. Am Ende erscheint es jedoch peinlich, wenn die SAP-Verantwortlichen sich ihrer Cloud-Kompetenz rühmen und einen vermeintlichen Cloud-Computing-Erfolg feiern.
Der Trick ist einfach und durchschaubar
SAP bietet für zukünftige ERP-Systeme nur eine Datenbank an, nämlich Hana, und erfreut sich dann am Erfolg, dass immer mehr Bestandskunden Hana als ihre Datenbank wählen – gibt es eine Alternative? Weit jenseits von 2040, wenn wirklich alle SAP-Bestandskunden auf S/4 konvertiert sind, wird die Datenbank Hana einen hundertprozentigen Marktanteil ausweisen – technisch wird es anders nicht möglich sein. Aber dann wird SAP wieder sich selbst loben und sagen, dass kein anderer Datenbankhersteller über eine hundertprozentige Marktabdeckung verfügt. Nun ja, traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Widerstand zwecklos
Aufgrund einer großartigen Vergangenheit besitzt SAP die Marktmacht, die dargelegten Taschenspielertricks ohne Konsequenzen anzuwenden.
Der Trick mit der Datenbank wirbelte viel Staub auf, er blieb aber ungestraft. Warum? Letztendlich ist es für den Geschäftserfolg nicht entscheidend, in welcher SQL-Datenbank die eigenen Daten schlummern. Mag eine andere Datenbank schneller, preiswerter und effizienter sein, der Unterschied liegt im sehr niedrigen Prozentbereich. Es lohnt den Aufwand nicht, wegen Hana vor die Kartellbehörde zu ziehen oder in Brüssel ein Kartellverfahren anzustoßen. Die Herausforderungen für einen SAP-Bestandskunden liegen woanders.
Das Ende des Erfolgs von SAP ist absehbar, wenn auch noch nicht zum Greifen nahe. Wie die IT-Szene ist auch die SAP-Community heterogen. In hybriden Landschaften wechseln nicht nur On-prem und Cloud, sondern auch die App-Anbieter. Für viele SAP-Bestandskunden ist es selbstverständlich, CRM von Salesforce und HCM von Workday zu beziehen. Diese Agilität ist gut für den Markt und eine Herausforderung für die Anbieter, ganz nach dem Motto: hätte, hätte, Fahrradkette. Und noch eine interessante Meldung zum Schluss: Immer mehr Stimmen aus der SAP-Community meinen, dass das neue SAP CRM dem nicht weniger erfolgreichen Salesforce hinsichtlich Bedienbarkeit und Benutzeroberfläche überlegen sei. Was beweist, dass das Thema nicht Cloud Computing ist, sondern Funktionalität