Digitaler Schlüsselfaktor
In ihrer „Digitalen Strategie 2025“ schreibt die Bundesregierung, zentraler Rohstoff des digitalen Wandels seien Daten. Der Umgang mit ihnen sei entscheidender Erfolgsfaktor modernen Wirtschaftens.
„Die Schlüsselkompetenzen erfolgreicher Unternehmen werden auf lange Sicht in der Erfassung, Verarbeitung, Verknüpfung und dem Schutz von Daten liegen – und in der Ableitung konkreter Maßnahmen und Methoden.“
Laut einer PwC-Studie aus dem Jahr 2014 sind für die Zukunft 90 Prozent aller Unternehmen davon überzeugt, dass die Fähigkeit, große Datenmengen effizient zu analysieren und effektiv zu nutzen, für den Erfolg ihres Geschäftsmodells von entscheidender Bedeutung sein wird. Wichtiges Element dieser großen Datenmengen sind Stammdaten.
Als Stammdaten bezeichnet man statische Grunddaten oder Referenzdaten zu betriebsrelevanten Objekten wie etwa Produkten, Materialien, Lieferanten, Kunden, Mitarbeitern und Finanzen.
Merck ist ein führendes Wissenschafts- und Technologieunternehmen in den Bereichen Healthcare, Life Science und Performance Materials.
Rund 50.000 Mitarbeiter arbeiten daran, Technologien weiterzuentwickeln, die das Leben bereichern – von biopharmazeutischen Therapien zur Behandlung von Krebs oder multipler Sklerose über wegweisende Systeme für die wissenschaftliche Forschung und Produktion bis hin zu Flüssigkristallen für Smartphones oder LCD-Fernseher.
2015 erwirtschaftete Merck in 66 Ländern einen Umsatz von 12,85 Milliarden Euro.
Gegründet 1668 ist Merck das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt. Die Gründerfamilie ist bis heute Mehrheitseigentümerin des börsennotierten Konzerns.
Bei Merck wird für die Konzernkonsolidierung und externe Berichterstattung eine pyramidenförmige Geschäftssegment- oder Produktstruktur genutzt.
Business Sector, Business, Business Unit, Business Field, Strategic Business Unit (SBU) bilden die sogenannte Upper Hierarchy. Das sind die Reporting Level, die in der Konzernkonsolidierung verwaltet werden, bis zum Business werden sie auch für die externe Berichterstattung genutzt. Unterhalb der Upper Hierarchy bilden weitere Ebenen die Lower Hierarchy, die bis hinunter zum einzelnen Material reicht.
Über die Produkthierarchie wird sichergestellt, dass für einen im ERP gebuchten Umsatz die Erlöse (und auch die Kosten) der entsprechenden SBU zugeordnet werden. Im Pharma-Bereich gibt es die Pyramidenstruktur nur partiell. Hier besteht die Besonderheit, dass teilweise dasselbe Ausgangsmaterial in unterschiedliche Geschäftsfelder einfließt.
So gibt es beispielsweise Produkte, die in einigen Ländern frei verkäuflich, in anderen aber rezeptpflichtig sind. Dementsprechend fließt dieses Produkt dann in die dazugehörigen Geschäftsfelder ein.
Ausgangslage Stammdatenmanagement
Im Umfeld der Konzernkonsolidierung und externen Berichterstattung fallen bei Merck zahlreiche Referenzdaten an. Referenzdaten werden allgemein für Gruppierungen, Hierarchien und Kategorisierungen von Daten verwendet.
Sie existieren sowohl unternehmensintern – etwa Unternehmensstrukturdaten –, aber auch über Unternehmensgrenzen hinweg, zum Beispiel ISO-Ländercodes, ISO-Währungscodes, Postleitzahlen.
Merck versteht unter Referenzdaten Finanzstammdaten, allerdings nicht solche aus dem ERP, wie etwa Kostenstelle oder Profitcenter. Der Fokus liegt dezidiert auf Konsolidierung und Reporting.
Beispiele für dazu relevante Daten sind:
- die Upper Hierarchy, also der obere Teil der beschriebenen Geschäftssegmentstruktur.
- Länder: Länderhierarchien werden in der externen Berichterstattung oder auch – in unterschiedlicher Sortierung – von einzelnen Sparten für ihr internes Controlling genutzt. Diese Sortierungen bildet Merck über unterschiedliche Länderhierarchien ab.
- sogenannte Functions, beispielsweise HR. Das ist eine Konzernfunktion, auf die abgerechnet wird. Ähnlich: IT, Standortverwaltung, Infrastruktur, im weitesten Sinne also interne Dienstleister.
- Standorte: Es handelt sich um Standorte, die im Controlling, in der Berichterstattung genutzt werden, um gewisse Aufwände zusammenzufassen, die an einer Gesellschaft nicht allein aufgehängt werden können, weil die Gesellschaft selbst zu groß ist.Dort wird eine granularere Betrachtung gebraucht. Beispielsweise werden Bestände, Inventories über Standorte abgebildet.
- Konzernkontenplan: Der operative Kontenplan liegt im ERP und auch im MDGF (Master Data Governance for Finance – SAP) und wird dort nur im Standard abgebildet. Der Konzernkontenplan hat einen anderen Fokus und wird von MDGF nicht abgebildet.
Für die im Rahmen von Konsolidierung und Reporting erforderlichen Finanzstammdaten hatte Merck vor Einführung einer Stammdatenmanagement-Software rein manuelle Prozesse.
Für die genannten Daten bestanden Excel-basierte Listen, die in die verschiedensten Berichtssysteme verteilt (importiert) wurden – verbunden mit den Problemen der Synchronisierung und der unterschiedlichen technischen Möglichkeiten, die die Systeme boten.
Relevant waren bei Merck im Wesentlichen drei Systeme:
- das Konsolidierungssystem SAP Financial Consolidation,
- IBM Cognos TM1 als Berichtssystem
- ein klassisches SAP BW
Diese drei Säulen bildeten die Konsolidierungs- und Reporting-Landschaft ab. Drei Produkte, drei Hersteller, keine kompatiblen Schnittstellen, unterschiedliche Datenmodelle.
Das Konsolidierungssystem konnte keine Zeitabhängigkeiten abbilden, TM1 genauso wenig (oder nur sehr schwierig). Alles in allem: unterschiedlichste Ansätze in der Datenhaltung und Datenmodellierung.
Für die Referenzdaten (Reporting Unit Hierarchy, Country Hierarchy, Functions, Upper Product Hierarchy usw.) gab es jeweils verschiedene „führende Systeme“. Aus diesen führenden Systemen wurden die Daten an diverse Subsysteme weiterverteilt.
Andreas Bieker, Manager MDM/User Management, Finance Operations – Group Standards & Systems von Merck:
„Ein vollkommen heterogener Ansatz, historisch wild gewachsen, mit unterschiedlichen Zuständigkeiten, schwierig in der Abstimmung und in der Koordination“.
Auch habe sich der Änderungsprozess für eine neue Position im Konzernkontenplan in der Praxis als zu komplex und zu unflexibel erwiesen.
Daher habe man sich entschieden, diesen Prozess zu verschlanken auf wenige Entscheidungsträger, die notwendigsten Governance– und Guidance-Funktionen mit dem Ziel, schnell und flexibel auf geänderte Anforderungen reagieren zu können.
Entscheidung für SPoT
In den Jahren 2010 bis 2012 hat Merck zunächst verschiedene Versuche mit SAP MDM und SAP MDG gemacht, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht zum Ziel geführt haben.
Der Ausgangspunkt für die spätere Optimierung des Stammdatenmanagements lag dann zunächst im Beteiligungsmanagement.
Merck hatte im Jahr 2014 mit der Beteiligungsverwaltung via ZetVisions CIM (Corporate Investment Manager) begonnen.
Dabei wurde deutlich, dass sich die dahinterliegende Technologie auch gut für Stammdaten nutzen lässt. „Beteiligungsmanagement basiert auf Stammdaten der Unternehmensbeteiligungen.
„CIM war der Türöffner“
so Bieker. Nachdem man bei CIM gesehen habe, dass ZetVisions genau die Anforderungen abbilden kann, die Merck auch an eine MDM-Lösung hat, habe man sich dazu entschlossen, auch die Stammdatenkomponente von ZetVisions für die Verwaltung der Referenzdaten/Konzernfinanzstammdaten zu nutzen.
In der ersten Welle hat Merck zunächst die Geschäftssegmentstruktur und die Länderstammdaten bearbeitet, in der aktuell laufenden zweiten Welle stehen der Konzernkontenplan und weitere Referenzdaten auf der Agenda.
Hervorzuheben ist laut Bieker, dass das Projekt in drei Monaten bis zum Go-live gebracht werden konnte. Es ließen sich in überschaubarer Zeit mit überschaubarem Aufwand vorzeigbare Ergebnisse erzielen.
Single Point of Truth
Mit der Einführung von ZetVisions SPoT wurden die verschiedenen „führenden Systeme“ aus der Vergangenheit abgelöst durch einen „Single Point of Truth“.
Hier wird das gemeinsame Datenmodell zusammengeführt und nur das exportiert (Business Segments, Reporting Units, Location etc.), was das jeweilige Zielsystem (u. a. SAP MDG, SAP ERP, SAP Financial Consolidation, Legal, Compliance) benötigt.
Excel-Listen mit all den Unwägbarkeiten, die mit der händischen Pflege verbunden sind – wie etwa komplexe, umständliche Prozesse, hoher zeitlicher, manueller Aufwand und Fehleranfälligkeit –, gehören der Vergangenheit an.
Heute werden die Stammdaten in einem System angelegt und verwaltet und direkt in den Hierarchien von den Spartenverantwortlichen gepflegt. Ein Berechtigungskonzept gewährleistet, dass jeder nur den Teil pflegen kann, für den er auch zuständig ist.
Klar definierte Prozesse und Data-Governance-Regeln sorgen für die erforderliche Transparenz, das Vier-Augen-Prinzip minimiert Fehler.
Neben der Nachverfolgbarkeit von Änderungen sind im Rahmen der neuen Lösung ZetVisions SPoT auch die früher fehlende Zeitabhängigkeit und ein Dokumentenmanagement gegeben.
Eingabeprüfungen stellen Plausibilitätskontrollen sicher; Datenableitungen reduzieren Komplexität, da nur zwei Daten eingeben werden müssen, aus denen dann weitere Daten abgeleitet werden.
Der Anwender muss nur noch wichtige Daten pflegen. Das, was sich logisch ableiten lässt, wird vom System anhand definierter Algorithmen automatisch ergänzt. Das reduziert auch die Fehleranfälligkeit, denn dort, wo der Anwender keine manuelle Eingabe vornehmen kann, kann er auch nichts falsch machen.
Ein wichtiger Aspekt der neuen Lösung ist die Sichtbarkeit. Das System ist webbasiert und über das Intranet einsehbar.
„In der Vergangenheit war die Veröffentlichung der Business Segment Guideline wie die Bescherung an Weihnachten“„Jeder hat sich draufgestürzt, um zu sehen, was drin ist. Jetzt sind wir online, alle Beteiligten können in das System hineinsehen und erfahren, wie sich die Hierarchie über die einzelnen Bearbeitungsschritte verändert. Im What-you-see-is-what-you-get-Modus, online, real time.“
erzählt Bieker.
Ein großer Vorteil: Es gibt kein Expertenwissen mehr von einzelnen Ausgewählten, sondern Transparenz und Zugriff quasi für jeden.
Einige Fachbereiche haben positiv angemerkt, sie seien jetzt in der Lage, bereits im Änderungsprozess nachzuverfolgen, wie sich Vorgänge entwickeln.
Dadurch haben sie eine längere Vorbereitungszeit für die Nachfolgeprozesse, die auf den Segmenthierarchien aufbauen.
In der alten Welt der Excel-basierten Listen, in der Daten historisch „im Wildwuchs“ entstanden und an mehreren Stellen verwaltet wurden, gab es keine Validierungen und keine Data Governance.
Sowohl ZetVisions CIM als auch ZetVisions SPoT bieten die Möglichkeiten, Validierungen per Customizing einzubauen. Sie geben dem Anwender Fehlerhinweise oder Warnungen (beispielsweise ist eine zusätzliche Information erforderlich, eine bestimmte Wertekombination nicht zulässig, bestimmte Werte werden automatisch gesetzt).
Jeder Schritt muss explizit bestätigt werden. Dies soll Gewissheit verschaffen, dass Änderungen tatsächlich gewollt und kein Versehen sind. Auf Feldebene werden „alter Wert“ und „neuer Wert“ dokumentiert: Wer hat wann was angelegt? Wer hat es wann genehmigt?
Auch der aktuelle Status ist ersichtlich, beispielsweise „in process“ oder „approved“.
Hier ist zunächst kein zwingendes Vier-Augen-Prinzip einzuhalten. Die Sparten können erst einmal ihre Änderungen freigeben. Es gibt aber stets die letzte Validierung durch Group Accounting.
Bei anderen sensibleren Daten hat Merck jedoch ein explizites Vier-Augen-Prinzip vorgesehen, bei dem Änderungen von einem Unternehmensbereich gepflegt und von einem anderen freigegeben werden.
Merck profitiert heute von einem schlanken IT-Workflow mit nur noch zwei Beteiligten – Group Accounting (GA) und Sparten–Controlling (DivisionCO) – und nur noch sehr wenigen Bearbeitungsschritten.
Dadurch hat sich die Durchlaufzeit für Änderungsprozesse erheblich verkürzt. Anpassungen der Segmenthierarchie, die früher sechs bis acht Wochen benötigten, sollen künftig in sieben bis vierzehn Tagen erledigt sein.
Mit dem „effective date“ können Änderungen beliebig in die Zukunft vorausdatiert werden:
„Wir können schon heute Änderungen erfassen, von denen wir wissen, dass sie kommen werden, und diese Änderungen vordatieren. Zukünftig erforderliche Änderungen sind dann bereits im System erfasst. Wenn der Stichtag gekommen ist, werden die Zielsysteme durch Datentransfer/Datenreplizierung befüllt. Gerade beispielsweise bei Änderungen zum Jahreswechsel ist dies eine erhebliche Erleichterung, weil bekannte kommende Änderungen bereits frühzeitig erfasst werden können“
sagt Bieker.
Die Benefits für den Anwender sind ein WYSIWYG-Editor für Hierarchien und Stammdaten, Transparenz über in Bearbeitung befindliche Änderungen, die enge Zusammenarbeit über zahlreiche Abteilungen und die Verfolgbarkeit von Stammdatenänderungen.
Nicht unterschätzt werden sollte die Fluktuation der involvierten Mitarbeiter. Sie wechseln schnell Jobs und Zuständigkeiten.
Es müssen also regelmäßig andere Mitarbeiter neu eingearbeitet werden. Dabei ist es natürlich sehr hilfreich, dass das von Merck implementierte System anwenderfreundlich und schnell erlernbar ist.
Je einfacher ein System zu bedienen ist, desto eher ist es verkraftbar, wenn Know-how-Träger wechseln, und desto schneller können neue Know-how-Träger aufgebaut werden.
Ein wesentlicher Aspekt eines Stammdatenmanagement-Projekts ist das Change Management.
„Das ist das A und O, weil jede Einführung eines neuen IT-System mit Veränderungen verbunden ist“
betont Bieker.
Gerade in größeren Unternehmen seien die Strukturen über die Zeit gewachsen und eingefahren („Haben wir schon immer so gemacht“ etc.). Es sei also Überzeugungsarbeit zu leisten – möglichst schon im Vorfeld.
Den Wechsel von der Excel-basierten Stammdatenverwaltung auf eine systembasierte erlebten manche Bereiche, manche Mitarbeiter als Kulturwandel. Das müsse begleitet und abgefedert werden; die Beteiligten müssten abgeholt und eingebunden werden, um zu vermeiden, dass aus Unwissenheit oder aus Angst eine Abwehrhaltung entsteht.
„Change Management inkl. der frühzeitigen Kommunikation und Einbindung aller Beteiligten kann gar nicht ernst genug genommen werden“
so Biekers abschließender Rat.