Drastische Verteuerung bei S/4-Umstellung und -Wartung
Nachdem Ende Juni die Product Conversion abgeschafft wurde, kommt jetzt der nächste Tiefschlag: Nach Änderung der Anrechnungsregeln müssen Kunden nun 25 Prozent mehr Software kaufen, um
100 Prozent Anrechnung für ihre bisherigen Pakete zu erhalten. Der Verein DSAG, deutschsprachige Vertretung der SAP-Anwender, wird so erneut vor vollendete Tatsachen gestellt. Ein geschickter Coup: Das erneute Drehen an der Preisschraube kommt mitten in der Sommerpause, um Widerstand zu minimieren.
Der Umstieg auf S/4 verteuert sich erheblich. Um bisherige Investitionen voll angerechnet zu erhalten, müssen entweder 20 Prozent des bisherigen Wertes an Zuzahlung geleistet oder aber 25 Prozent neue Software dazugekauft werden – Software, die die meisten Bestandskunden gar nicht brauchen. Die S/4-Lizenzprodukte, die viele SAP-Kunden zusätzlich zu den Named-User-Lizenzen benötigen, sind oft mit neuen, gegenüber SAP ECC 6.0 ungünstigeren Metriken versehen und deutlich teurer als ihre Vorgängerprodukte.
Dazu kommt in der Regel noch der 15-Prozent-Aufschlag für die Hana-Run-time-Datenbank. Nicht selten summiert sich das auf Millionenbeträge. Die Folgekosten für Wartung und Abschreibung steigen ebenfalls. Wer sich bisher beim S/4-Umstieg abwartend zeigte, wird so ohne einen Gegenwert mit satten Preis-aufschlägen bestraft.
Wer weiter zögert, muss mit jährlich um zehn Prozent weiter sinkenden Anrechnungssätzen kalkulieren. 2027, wenn der reguläre Support für ECC 6.0 ausläuft, werden nur noch 40 Prozent angerechnet – 2031 steht der Anrechnungswert der Altsoftware dann bei null Prozent. Wer zu spät kommt, den bestraft in diesem Fall nicht das Leben, sondern SAP. Dabei sollte bekannt sein, dass nichts, was SAP den Bestandskunden bietet, für die Ewigkeit ist: Erst kürzlich wurde mit der Q2-Preisliste 2023 die Möglichkeit der Product Conversion kassiert, also der Umstieg auf S/4 Hana unter Beibehaltung der bisherigen ECC-Userlizenzen. In diesem Zusammenhang drängen sich weitere Fragen auf:
Wie lange wird beim Digital-Access-Lizenzmodell für die indirekte Nutzung der Sonderrabatt von 90 Prozent für die Erstbeschaffung Bestand haben? Angeblich tüftelt SAP an einem neuen Modell der Lizenzierung. Wann wird es kommen und wie sieht es aus? Werden die Lizenzkosten für die Hana-Runtime-Datenbank noch lange bei 15 Prozent des Lizenzbestandswerts bleiben oder bald erhöht werden?
Hohe Wartungsgebühren
Wann werden die Wartungskosten wieder erhöht? Diese Frage hat SAP bereits beantwortet: Kürzlich wurde in einem Kundenschreiben auf die vertraglich vorgesehene Möglichkeit einer jährlichen Anpassung der Wartungsgebühren hingewiesen und eine Preisanpassung zum 1. Januar 2024 um satte fünf Prozent für Standard-, Enterprise- und PSLE-Supportverträge angekündigt. Diese „moderate“ Anpassung wird mit der Entwicklung des Verbraucherpreis-index begründet.
Nach einer langen Phase der Stabilität hatte SAP bereits im vergangenen Jahr bis zu 3,3 Prozent auf die Wartung aufgeschlagen. Damit hat SAP im vergangenen Jahr 11,9 Mrd. Euro eingenommen – bei einer Bruttomarge von 88 Prozent. Welche Marge erwirtschaftet Ihr Unternehmen?
Nun kommen für SAP bei annähernd gleichen Kosten nochmals Hunderte Millionen Euro Ertrag jährlich dazu. Der Mehrwert durch SAP-Support und damit verbundene Leistungen steige im Gegensatz dazu allerdings „seit Jahren nicht im gleichen Maße wie die dafür erhobenen Preise“, sagte DSAG-Fachvorstand Thomas Henzler. „Produkte wandern in die Cloud und müssen dort dann extra erworben werden.“ Altsysteme würden hingegen von Innovationen ausgeschlossen.
Unter der Führung von Christian Klein steht SAP schon länger unter dem Druck, die Profitabilität deutlich zu erhöhen. Das Management hatte nach der strategischen Neuausrichtung im Herbst 2020 wieder signifikant steigende Gewinne in Aussicht gestellt, was jedoch nicht eintrat. Nun soll das Betriebsergebnis im laufenden Geschäftsjahr endlich zweistellig wachsen.
Diese Strategie soll die Kassen der SAP noch stärker füllen und zudem Christian Klein retten. Dafür werden Kunden mit noch mehr Druck zu S/4 und in die Cloud gedrängt – wo SAP kontinuierlich profi-table Umsätze einfährt. Statt nur Anwendungssoftware mit Wartung zu verkaufen – und bei SAP S/4 seit Jahren zwangsweise zusätzlich die Hana-Datenbank zu verordnen –, wird in der Cloud die Wertschöpfung um den IT-Betrieb ausgeweitet. Die Kunden geraten in eine nochmals verstärkte Abhängigkeit und können mittelfristig nicht mehr ohne SAP operieren.
Als SAP-Bestandskunde sollten Sie folgende Szenarien dringend nutzen, um sich aktiver mit der Zukunft Ihrer SAP-Anwendungen und Ihres IT-Betriebs zu beschäftigen, und Konsequenzen aus der klar absehbaren weiteren Politik der SAP ziehen, z. B. (Teil-)Alternativen zu SAP suchen und bewerten; Austausch und Beratung innerhalb der DSAG und Industrieverbände; Austausch von SAP-Kunden unterei-nander; sowie Beratung durch seriöse und erfahrene SAP-Lizenz-, Architektur- und Vertragsberater.