Hat der SAP-Weg ein Ziel?
Von FUEs bis BTP
Wie gut, wie schlecht ist SAP? Wohin wendet sich SAP? Wir wissen es nicht, denn SAP kommuniziert kaum mit der SAP-Community. Es gibt Webinare und Newsletter, aber keinen Diskurs, der den Weg erklärt. Der Wiener Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889 bis 1951) prägte unter anderem den Begriff Diskurs. Er nannte diese Art der Kommunikation auch Sprachspiel, was im ersten Moment ein wenig irritiert. Erwachsene Menschen spielen nicht. Wittgenstein meinte jedoch, dass jede sinnvolle Kommunikation auch Regeln braucht, eben Spielregeln. Nach welchen Regeln spielt SAP?
Im Tractatus logico-philosophicus schrieb Wittgenstein: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Naturgemäß meinte er damit nicht, dass es etwas zu verschweigen gibt, sondern dass nur diese Themen diskutiert werden sollen, über die sich sinnvoll sprechen lässt, also über Tatsachen reden, die sich auch objektiv und naturwissenschaftlich beweisen lassen. Soll also die SAP-Community über das SAP’sche Lizenzmodell FUE, Full Usage Equivalent, einen Diskurs führen? Und was ist die SAP Business Technology Platform?
Full Usage Equivalent
Seit vielen Jahren fordert der Anwenderverein DSAG eine sinnvolle Preisliste, also eine logisch konstruierte SAP-Preisliste, die schnell verständlich ist. Mit den vielen User-Types und Engine-Preisen scheitert SAP jedes Quartal von Neuem. Die Excel-Ausführung der Preisliste ist längst ein Tabellenmonster geworden. Die dazugehörigen Lizenzvermessungen vergrößern das Unglück regelmäßig.
Mit einem dreiseitigen Fachartikel im E3 Mai 2024 und Fachvorträgen sowie Diskursen auf dem SAP Competence Center Summit am 5. und 6. Juni in Salzburg werden wir wieder einmal versuchen, Licht in die SAP-PKL (Preis- und Konditionenliste) zu bringen. In diesen Salzburger Diskursen kann sich ein Lottogewinn verstecken: Bei korrekter Anwendung der PKL können SAP-Bestandskunden hohe Lizenzgebühren vermeiden!
Business Technology Platform
Diese SAP-Plattform hat keine einheitlichen Regeln, somit scheint ein Sprachspiel (Diskurs) nicht möglich zu sein. Wolfram Jost von der Scheer Group hat in einer Keynote Ende Februar in Heidelberg der BTP jede Existenzberechtigung als Plattform abgesprochen. Sie ist eine wunderbare Ansammlung von einzelnen und nützlichen Funktionen, die aber alle eigenen Regeln gehorchen. Das Gemeinsame fehlt, das, was letztendlich eine Plattform ausmacht. Ein Diskurs über alle S/4-Herausforderungen und notwendigen Modifikationen ist laut Wolfram Jost auf der SAP Business Technology Platform nicht zu erkennen.
Roadmap ohne Diskurs
SAP marschiert voran, sagt aber nicht, wohin die Reise führt. Im Gepäck findet der SAP-Bestandskunde KI und Cloud, das kann gut, aber auch schlecht sein. SAP erklärt sich nicht. Selbst der Anwenderverein DSAG erscheint ratlos über den Weg und die Mitglieder bescheinigen in einer aktuellen Umfrage dem ERP-Weltmarktführer sinkende Relevanz.
Um den Weltmarktführer für betriebswirtschaftliche Standardsoftware steht es schlecht. SAP hat den Kompass verloren und Strategiechef Sebastian Steinhäuser glaubt, Visionen zu haben. Sogar bei der Selbstreflexion, dass nun die Kommunikation besser werden muss, versagt er spektakulär! Auf die einfache Frage meiner Kollegin beim Manager Magazin, Christina Kyriasoglou, antwortet er „wahrheitsgemäß“. Wird Ihre Reise denn jetzt einfacher? „Wir haben über die letzten drei Jahre viel gelernt, würden nicht mehr alles genauso machen, aber die Reise ging grundsätzlich absolut in die richtige Richtung.“
Nun also sagt Strategiechef Sebastian Steinhäuser selbst, dass es „die letzten drei Jahre“ sind (nicht die vergangenen Jahre). Dann wird er wohl keinen klaren Plan mehr brauchen, „wie wir SAP auf das nächste Level heben wollen“. Lesen Sie hier das Interview, aber erschrecken Sie nicht über den Zustand der SAP.
Das Letzte von SAP
Die sprachliche Unterscheidung zwischen „letzte Woche war ich wieder einmal im Kino“ und „vergangene Woche“ mag auf den ersten Blick pedantisch erscheinen. Was aber, wenn die fleißigen ERP-Programmierer bei SAP mit den Abap-Befehlen genauso unpräzise umgehen würden? Software-Qualität ist ein hohes Gut. Algorithmen entstehen nach wohlgeformten Regeln (Syntax). Das Sprachspiel formt die Semantik, also den Content. SAP sollte bei der Kommunikation mit der Community sowohl Syntax als auch Semantik wertschätzen.