Kernkompetenz: ERP-Software
Es gibt einen Problem- und Sündenfall und der heißt aktuell SAP. Den Ausflug von Professor Hasso Plattner in den Datenbankbereich wollen meine Stammtischschwestern und -brüder und ich verzeihen und akzeptieren. Die Ausgangssituation wurde von Plattner und seinen Studenten am Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam richtig analysiert: Damalige ERP-Systeme waren in einigen Fällen für effizientes Arbeiten und hohe Produktivität zu langsam. Die Hardware konnte auf Basis eines vernünftigen Preis- und Leistungsverhältnisses nicht mehr erbringen, sodass die Rettung in neuen Software-Konzepten zu suchen war.
Das grundlegende Konzept der SAP-Datenbank Hana ist eine Technik, die den gesamten Datenbestand im Hauptspeicher des Servers ablegt, aufgrund der mathematischen Fähigkeit neuer Serverprozessoren die Daten komprimiert und einige allgemeingültige Funktionen von den Applikationen als Datenbankfunktionen zur Verfügung stellt – wodurch die App-Schicht entlastet wird. In Summe und speziell für analytische Anwendungen eine wahre Informatikrevolution – die Ergebnisse sind teilweise spektakulär.
Im ERP-Umfeld gibt es noch viel Verbesserungspotenzial. Die Kernkompetenz „ERP-Software“ lässt sich noch steigern. Für die ERP-Entwickler bei SAP könnte es noch für viele Jahre Arbeit geben, stattdessen sollen bis zu 10.000 Stellen wegrationalisiert werden und der junge SAP-Chef Christian Klein setzt nicht auf ERP, sondern auf KI und Cloud. Meine Stammtischschwestern und -brüder und ich wissen aber, dass Cloud eine Kernkompetenz der Hyperscaler ist und dass KI enorme Ressourcen verschlingt, die SAP momentan nicht aufbringen kann – somit ist und wird SAP ein Trittbrettfahrer in Sachen KI bleiben, was für die SAP-Community nichts Gutes bedeutet.
Warum, fragen wir uns am SAP-Stammtisch, vernachlässigt die SAP ihre ERP-Kernkompetenz und fokussiert sich auf Techniken wie KI und Cloud? Eine erhellende Nachricht auf dem deutschen Onlineportal Handelsblatt überraschte mich vor einigen Tagen positiv: Der deutsche Industriekonzern Siemens konnte Defizite aus unterschiedlichen Geschäftsfeldern mit einem starken Software-Geschäft kompensieren.
Offensichtlich lässt sich noch immer mit der Handwerkskunst des Informatikers auch Geld verdienen, siehe SAP-Datenbank Hana. Mittlerweile sind die Hana-Lizenzeinnahmen für SAP mehr als relevant und die Daseinsberechtigung der Datenbank wird von niemandem mehr angezweifelt (gelegentlich vielleicht noch von Chefredakteur Färbinger, aber das ist eine andere Geschichte).
Algorithmen und Datenstrukturen scheinen noch das Rückgrat der Digitalisierung zu sein. Dafür sind naturgemäß technische Hilfsmittel wie KI und Cloud notwendig. Warum aber erklärt SAP-Chef Christian Klein die IT-Werkzeuge KI und Cloud zu strategischen Komponenten, statt wie in der Vergangenheit die analytische und betriebswirtschaftliche Innovation der SAP-ERP-Software auszubauen? Naturgemäß ist es sehr verlockend, IT-Megatrends hinterherzulaufen, statt eigene Wege zu konzipieren.
Die Stärke von SAP waren und sind betriebswirtschaftliche Algorithmen, Software zur Steuerung der unternehmerischen Aufbau- und Ablauforganisation. Werden für diese Algorithmen und Datenstrukturen nun IT-Hilfswerkzeuge wie etwa KI verwendet, dann muss das nicht schaden, auch eine Cloud kann mitunter eine sinnvolle Erweiterung der ERP-Architektur werden. Ob aber SAP-Chef Christian Klein nun unmittelbar den ERP-Konzern an KI und Cloud ausrichten soll, das erscheint meinen Stammtischschwestern und -brüdern und mir diskussionswürdig.
SAP hat mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware viel Geld verdient. Wir erwarten eine Weiterentwicklung dieses erfolgreichen Wegs. Kaum ein SAP-Bestandskunde erwartet vom ERP-Weltmarktführer besondere Leistungen im Bereich KI und Cloud, solange viele Herausforderungen der Digitalisierung auf organisatorischer und betriebswirtschaftlicher Seite nicht gelöst sind. Verwirrt wurde die SAP-Community durch Meldungen, dass SAP bis zu 10.000 Stellen, vorrangig in der Entwicklung, streichen oder restrukturieren will. Wer soll in Zukunft die betriebswirtschaftliche Software weiterentwickeln?