SAP Hana – Metamorphose
Es gab 2013 bei SAP in Palo Alto eine bedeutende Pressekonferenz von Professor Hasso Plattner und dem damaligen Technikvorstand Vishal Sikka. Auf die Frage nach der aktuellen Version der SAP-Datenbank Hana antwortet Plattner:
„Bei Hana wird es keine Versionsnummern geben, denn die Datenbank wird kontinuierlich weiterentwickelt.“
Die Vorstellung damals war, dass es jeweils immer nur eine gültige Ausprägung gibt und die aus dem ERP bekannten und gefürchteten Versionswechsel stets im Hintergrund und transparent ablaufen – der Bestandskunde sollte sich also keine Gedanken über Versionen und Updates machen.
Die Idee eines „Continuous Improvement“ ist faszinierend und erinnert an eine biologische Metamorphose. Warum sollten Informatiker nicht von der Natur lernen? Viele Jahre später muss aber die SAP-Community feststellen, dass SAP mit dieser Idee katastrophal gescheitert ist. Die Zahl der real existierenden Hana-Versionen ist kaum zu überblicken, die daraus entstehenden Probleme sind gewaltig.
Das Beste ist nicht gut genug: Ein SAP- Bestandskunde, der seine zukünftige Bankanwendung auf Hana laufen lassen will, kann nicht sorglos zum Besten greifen, was momentan die Kombination aus Hana 2 und IBM-Power-Server darstellt.
Die SAP’sche Bankenlösung ist nur für Hana 1 freigegeben und für diese Hana-Version ist wiederum der HP Superdome der leistungsfähigste Server. Dumm gelaufen, denn der HP Superdome ist superteuer und bei Weiten nicht so leistungsfähig wie IBM-Power.
Die Grafik auf der folgenden Seite zeigt über der Zeitachse die unterschiedlichen Hana-Implementierungen bei SAP selbst. Überraschend ist nicht nur die hohe Anzahl an sehr unterschiedlichen Versionsständen, sondern auch die Tatsache, dass am 1. Oktober vergangenen Jahres bei SAP noch 41 Prozent aller Hana-Systeme der Version 1 zuzurechnen waren.
Zwei Jahre nach Vorstellung von Hana 2 auf der SAP TechEd 2016 in Barcelona waren bei SAP selbst erst 59 Prozent der existierenden Hana-Datenbanken auf Version 2 umgestellt.
Ziel für das abgelaufene Jahr war es, die Adaptionsrate für alle Hana-Instanzen von 40 Prozent auf etwa 70 Prozent zum Jahreswechsel 2018/2019 zu steigern. Was auch annähernd gelang.
Nichts anderes wird bei SAP ähnlich kontrovers diskutiert wie die Notwendigkeit von Hana 2. Die Vision von Professor Plattner und Ex-Technikvorstand Sikka war eine versionslose Hana-Metamorphose.
Nach dem disruptiven Abgang von Vishal Sikka zu Beginn des Jahres 2014 gab es im gleichen Jahr ein paar Wochen später eine Telefonpressekonferenz des neuen Technikvorstands Bernd Leukert.
Nach Meinung des E-3 Magazins sprach Leukert von einer notwendigen „Runderneuerung“ der Datenbank Hana. Diese Aussage wurde umgehend von der SAP-Presseabteilung verneint und als falsch hingestellt.
Leider blieb die Presseabteilung bis heute den Beweis schuldig, weil es von der Telefonkonferenz offensichtlich kein Audiofile gibt. In der E-3 Redaktion gibt es jedoch Zeugen, die ebenfalls das Wort „Runderneuerung“ gehört hatten.
Zwei Jahre später dann aber zur SAP TechEd 2016 in Barcelona die indirekte Bestätigung: Technikvorstand Bernd Leukert präsentiert Hana 2.
„Mit der Einführung von SAP-Hana im Jahr 2010 hat die SAP eine Vorreiterrolle im Bereich In-memory-Technologie übernommen. Auf unserem Weg haben wir zukunftsweisende Neuerungen vorangebracht – auf einer äußerst stabilen Stammdatenplattform für unsere Kunden“
erklärte Bernd Leukert, der damals als Vorstandsmitglied den Bereich Products and Innovation bei SAP verantwortete.
„Mit der Markteinführung von SAP Hana 2 setzt SAP einen Meilenstein in der Branche, denn die Plattform stellt die nächste Generation von SAP Hana dar, die Kunden beim Aufbruch in eine erfolgreiche digitale Zukunft unterstützen wird.“
Hana 2 ist seit dem 30. November 2016 für Kunden erhältlich. Und Leukert kündigte in Barcelona auch einen Paradigmenwechsel an:
„Als Innovationsplattform wird SAP Hana 2 zweimal pro Jahr Erweiterungen bereitstellen, um eine agile Entwicklung zu unterstützen.“
Damit war es mit der Metamorphose vorbei und die Bestandskunden durften sich auf zweimalige „Runderneuerung“ pro Jahr einstellen. Das Ergebnis dieser Versionspolitik ist deutlich im Zeitdiagramm abzulesen.
„SAP Hana 2 ist die Fortsetzung der technologischen Innovation bei SAP und wurde entwickelt, um Unternehmen zu helfen, die sich in rasantem Tempo verändernden Herausforderungen der digitalen Wirtschaft besser bewältigen zu können“
bescheinigte damals Carl Olofson, Vice President für den Bereich Forschung bei IDC, dem Technikvorstand Bernd Leukert.
„SAP Hana 2 wurde für den digitalen Wandel entwickelt und bietet neue, erweiterte Funktionen, die besseres Datenmanagement und schnellere Anwendungsentwicklung ermöglichen.
Außerdem sind über SAP Hybris as a Service neue SAP-Hana-Microservices in der Cloud verfügbar, mit denen sich Innovationen vorantreiben lassen, zum Beispiel Anwendungen zur Erkenntnisgewinnung, die SAP-Kunden Wettbewerbsvorteile verschaffen.“
2016 hieß es in Barcelona: Hana-2-Erweiterungen für Hochverfügbarkeit, Sicherheit, Workload-Management und Administration helfen IT-Unternehmen, einen unterbrechungsfreien Geschäftsbetrieb sicherzustellen.
Mit der neuen Option Active/Active-Read-Enabled können Anwender Sekundärsysteme, die vorher nur für die Systemreplikation verwendet wurden, nutzen, um leseintensive Workloads ohne Performanceverluste zu bewältigen.
Erweiterungen für Unternehmensmodellierung, Datenintegration, Datenqualität und Tiered Storage (verteiltes Speichern) ermöglichen Unternehmen, sämtliche Daten zu nutzen, ganz gleich, wo diese hinterlegt sind.
Eine neue Version der Webanwendung SAP Enterprise Architecture Designer, die auf der Plattform Hana-2 basiert, bietet IT-Unternehmen die Möglichkeit, komplexe Informationsarchitekturen zu verwalten und die potenziellen Auswirkungen neuer Technologien zu visualisieren, bevor diese implementiert werden.
Und die Realität? Angesichts der zahlreich parallel existierenden Hana-Versionen ist es schwer, den Überblick zu behalten und die jeweils richtigen Service-Updates einzuspielen.
Daraus ergibt sich mitunter eine äußerst instabile Hana-Systemarchitektur. Auf den DSAG-Technologietagen dieses Jahr in Bonn beklagten einige Bestandskunden die unzureichende Stabilität der In-memory-Datenbank: Ein Anwender berichtete in Bonn von drei Notfall-Patches innerhalb von vier Monaten! Sein Wunsch an SAP: mehr Stabilität und bessere Planbarkeit von Updates.
Warum kam es zu diesem Hana-Chaos? Auf der Website der Analysten von Brightwork gibt es zahlreiche Hana-Research-Notes, die detailliert die Entstehungsgeschichte von Hana und die technische Entwicklung erklären.
Viele Analysen von Brightwork laufen immer wieder auf die gleiche Tatsache hinaus: Professor Hasso Plattner, sein Team am Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam, sein Mitarbeiter Alexander Zeier (heute Accenture) und Ex-SAP-Technikvorstand Vishal Sikka sind keine ausgewiesenen Datenbank- und Compiler-Konstrukteure.
Die Brightwork-Analysten kritisieren das Datenbankdesign, nicht die Idee, die diesem zugrunde liegt. Wie Datenbanken und Compiler zu konstruieren sind, ist ein eigenes Fach der Informatik. Als dann später die Idee „Hana“ an die professionellen Entwickler bei SAP übergeben wurde, war es für viele Richtungsentscheidungen schon zu spät.
Unter anderem mühte sich SAP-SVP Franz Färber viele Jahre ab, Hana auch auf einer virtuellen Umgebung zum Laufen zu bringen und die zahlreichen Anomalien auszumerzen. Vieles ist seit den ersten Hana-Tagen gelungen, aber noch ist das Ziel nicht erreicht: eine stabile ERP-, CRM- und BW- Datenbank.
Die neue Hiobsbotschaft: Auf der Bilanzpressekonferenz dieses Jahr kündigten SAP-Chef Bill McDermott und CFO Luka Mucic ein Restrukturierungsprogramm an, zu dem auch die Freisetzung von etwa 4400 SAP-Mitarbeitern gehört.
Unter anderem hat es auch ein Hana-Labor in Kalifornien mit 250 Technikern und Programmieren getroffen, wie auf der Website thelayoff.com/sap-ag nachzulesen ist. Die Wahrscheinlichkeit, die „Runderneuerung“ von Hana mit stark reduziertem Personalstand zu Ende zu bringen, erscheint als äußerst gering.