Mit Automatisierung wider den Fachkräftemangel
Die Gender-Pay-Gap ist nicht die einzige Lücke, die in Deutschland klafft. Auch zwischen Babyboomern und Generation XYZ existieren Gräben, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutscher Unternehmen ernsthaft bedrohen können, wenn wir nicht jetzt dagegen steuern. Auf beiden Seiten herrschen zum Teil völlig andersartige Sichtweisen auf und Anforderungen an Arbeitskultur, Work-Life-Balance, Digitalisierung und Karrierekonzepte.
Monoton und altbacken
Da ist auf der einen Seite die 17-jährige Schülerin, sprichwörtliche Digital Native und gefühlte acht Stunden täglich unterwegs auf TikTok, Snapchat und Instagram. In Kürze möchte sie eine Berufsausbildung starten, am liebsten im kaufmännischen Bereich und gerne bei Ihnen im Unternehmen. Wenn es dort nun noch so zugeht wie anno dazumal, mit Umlaufmappe, Stempeln und Papierablagen? Liebe auf den ersten Blick dürfte das nicht werden. So analog arbeitet doch nun wirklich kaum eine Firma mehr. Ein SAP- oder anderes ERP-System dürfte mittlerweile Standard sein. Wenn die IT-Abteilung „Fiori“ indes für eine Eissorte hält und nicht für ein neuartiges Konzept, Benutzeroberflächen intuitiv und userfreundlich zu gestalten, dürften auch hier die Entfremdungseffekte rasch einsetzen.
Mit ERP-Masken, die zehn Jahre älter sind als ihre künftigen Nutzer, kann man nicht punkten beim Nachwuchs. Darauf kommt es aber an, denn der wird knapp in den kommenden Jahren, wenn die komplette Babyboomer-Generation nach und nach in Rente geht. 1965 wurden in Deutschland rund doppelt so viele Menschen geboren (1.325.386) wie 2005 (685.795). Die Nachfrage nach qualifiziertem Nachwuchs übersteigt also massiv das Angebot, was zu einem grundlegenden Wandel im Jobmarkt führt. Ein Missverhältnis, das sich über die nächsten Jahre noch verstärken wird. Die nachfolgenden Fachkräfte – insbesondere, wenn sie gut ausgebildet sind – können sich ihre Jobs aussuchen. Und sie werden nicht dorthin gehen, wo Arbeitsprozesse monoton, manuell gesteuert und altbacken sind.
Wandel im Jobmarkt
Wer auch künftig offene Stellen in der kaufmännischen Abteilung mit qualifizierten Kräften besetzen will, muss also etwas bieten. Und zwar mehr als den (bereits zum Klischee gewordenen) Kicker-Tisch, morgendliche Obstkörbe oder Latte macchiato von handgerösteten Kopi-Luwak-Bohnen aus dem Vollautomaten im Dauerbetrieb. Das ist schön, aber nicht genug. Es geht um die alltägliche Arbeitskultur und die manifestiert sich in den Arbeitsmitteln.
Hier lohnt es sich, einmal näher hinzusehen. Wie sind die Prozesse gestaltet, wie nutzerfreundlich die eingesetzten Tools? Würde ein Digital Native gern damit arbeiten wollen? Auf diesen Perspektivenwechsel kommt es an, nicht darauf, dass man es doch immer schon so gemacht hat. Wer für einen hohen Grad an Automatisierung sorgt, ermöglicht es seinem Personal, sich auf sinnvollere Tätigkeiten konzentrieren zu können. Gleichzeitig lässt sich damit der Fachkräftemangel zumindest teilweise ausgleichen. Und ganz abgesehen davon: Intuitive, nutzerfreundliche Software sowie vereinfachte Prozesse werden alle lieben, Nachwuchskräfte wie alte Hasen gleichermaßen.
Digitalisierungsprojekte sollten dabei nicht allein aus der IT heraus top-down durchgepeitscht werden. Daran sind schon viele IT-Vorhaben gescheitert. Vielmehr sind – im Sinne einer ausgeprägten Feedback-Kultur – die künftigen User auf allen Ebenen frühzeitig miteinzubeziehen. Nur wer Wertschätzung erfährt und weiß, dass die eigenen Anforderungen und Vorstellungen in das künftige Arbeitsumfeld einfließen, zeigt sich später motiviert. Auch dies gilt wiederum für alle, ob Boomer oder Gen XYZ!