Nutzen Sie die indirekte Nutzung
Teil 1
Stefan Autengruber
Zu Jahresbeginn präsentierte mir Peter Färbinger einen Schatz aus dem E-3 Archiv: die SAP-Preislisten von sieben Jahren mit dem ersten Exemplar von 2005. Würden die Bestandskunden sich dieser Fakten entsinnen, so könnten sie mit juristischem Know-how und technischen Kenntnissen viele Lizenzprobleme lösen.
Indirekte Nutzung wäre kein „Gespenst“ mehr. Ob die SAP-Installation eine Sales- und Service- oder Engines-Lizenz benötigt, könnte der Bestandskunde aus seinen Vertragsinhalten schließen. So wird klar, was und wie weit SAP auditieren darf.
Der Sachverhalt des Getränkeherstellers Diageo aus UK wird hier beispielhaft nach Deutschland transformiert und analysiert. Aufgrund dieser Erkenntnisse können sich SAP-Kunden orientieren, die 2005 erstmals die Business Suite lizenziert haben und Salesforce als Drittsoftware im Einsatz haben.
Diageo hat 2005 die Business Suite lizenziert. Es gab bis 2012 zahlreiche Vertragsergänzungen. Wie überall wurden die Vertrags-Templates basierend auf dem deutschen Recht in den Jahren 2008 bis 2010 auf Vorlagen umgestellt, die von SAP in den USA verwendet werden.
Es beginnt der Stilbruch in der juristischen Handschrift der SAP: Die Templates werden ein unübersichtliches und kasuistisches System. Aber was rechtens ist, bestimmt nicht SAP, sondern ergibt sich zumeist aus dem Erstvertrag und seinen Vertragsbestandteilen.
Der Erstvertrag legt das Lizenzmodell und die Bedingungen für die Nutzung der Schnittstellen fest. Weitere Zukäufe ändern daran nichts. Wenn jemand etwas Falsches kauft (z. B. eine Application-Modell-Engine in der Business-Suite-Umgebung), muss dies korrigiert werden, ändert aber nicht die rechtliche Beurteilung der Schnittstelle.
Diageo lizenzierte die Business Suite und zusätzlich XI in der NetWeaver-Full-Usage-Lizenz. Eine umfangreiche und weise Lizenzierung! Ein Modell, das SAP dazu vorgesehen hatte, die Nutzung von Fremdsystemen zu ermöglichen und Schnittstellen in Bausch und Bogen korrekt abzubilden.
Wenn eine Schnittstelle lizenziert wird, durchbricht dies die Kette der Lizenzpflicht. Alle dahinter liegenden Nutzer sind frei. Jeder Bestandskunde von damals hätte NetWeaver Full Use und die XI Engine lizenzieren sollen und hätte so einen Freifahrtschein für indirekte Nutzung erworben.
Wäre Diageo in Deutschland lizenziert worden und hätte man das System richtig aufgesetzt, so hätte SAP den Prozess verloren.
Teil 2
Peter M. Färbinger
Man kann mit SAP-Software glücklich werden – muss man aber nicht! Speziell das Thema Lizenzierung hat in den vergangenen Jahren vielen SAP-Bestandskunden das Leben erschwert.
Offizielle Lizenzvermessungen wurden immer mehr zur SAP’schen Geldbeschaffung. Für echte Leistung will kein Bestandskunde SAP etwas vorenthalten: Klare Rechnung, gute Freundschaft!
Aber das Thema „indirekte Nutzung“ hat den Beigeschmack, dass nicht Leistung lizenziert, sondern Geld für die Walldorfer Kassen beschafft werden soll. Beim E-3 Magazin vergeht kaum ein Tag, an dem wir das Thema nicht mit SAP-Partnern, Bestandskunden und unseren Lesern diskutieren.
Ein Grund für diese unerfreuliche Situation liegt in der SAP’schen Historie, PKL und Vertragsgestaltung. Seit vielen Jahren mahnt der Anwenderverein DSAG eine Konsolidierung der SAP-Preisliste (PKL) ein.
Geschehen ist wenig. Oder, wie Lizenzexperte Stefan Autengruber beobachtet: Es wird immer noch komplexer. SAP behandelt ihre Bestandskunden immer nachlässiger. Wir hören in der E-3 Redaktion, dass früher der SAP-Vertriebsbeauftragte ein Freund und Berater des Bestandskunden war, der die Historie kannte und mit dem man gemeinsam Lösungen diskutierte.
Heute kommt der Vertriebsbeauftragte mit den Ergebnissen der Lizenzvermessung und präsentiert eine Lizenznachzahlung.
Der SAP NetWeaver ist ein tolles Produkt. Dies hatte schon Ex-Vorstandsmitglied Shai Agassi erkannt und auf den einschlägigen Veranstaltungen in Frankfurt/M. kräftig die Werbetrommel gerührt.
Ich vermute, dass er nach „Basar-Mentalität“ hier viele Lizenzfallen eingebaut hat, um kräftig nachlizenzieren zu können. Es gibt die Runtime-Lizenzierung und die Full-Use-Lizenzierung.
Als Runtime wird definiert, was „unter die bestimmungsgemäße Geschäftstransaktionsnutzung“ zu subsumieren ist. Full Use ist alles andere und insbesondere die Anbindung von Non-SAP- Systemen. Das gab und gibt es in etwas anderer Form auch heute noch.
Und damals erschien es klar und deutlich: Wenn eine Schnittstelle lizenziert ist, durchbricht dies die Kette der Lizenzpflicht. Alle dahinter liegenden Nutzer sind frei.
Bestandskunden, die 2005 Business Suite, XI und NetWeaver Full Use lizenziert haben, kann man nur raten: Nutzen Sie die indirekte Nutzung! Denn diese ist für Sie kostenfrei, wenn man das System richtig aufgesetzt hat und die Preislisten versteht.