Reset bei SAP-Chef Christian Klein
Es ist erstaunlich, wie viel Hoffnung SAP-Chef Christian Klein in IT-Techniken wie KI oder Cloud setzt. Offensichtlich hat ihm niemand erklärt, dass es sich hier lediglich um Werkzeuge als Mittel zum Zweck handelt. In der gesamten Coverstory des Manager Magazin ist lediglich von KI und Cloud die Rede.
Der Erfolg von SAP beruhte niemals auf aktuellen Techniktrends. SAP bediente sich der angebotenen Werkzeuge immer: von SQL-Datenbanken über Client/Server-Computing bis hin zu Virtualisierung. Diese Informatikwerkzeuge waren aber niemals Selbstzweck. Im Gegenteil: Sie waren Mittel zum Zweck, der damals und aktuell ERP-Software ist. Das Ziel sind globale und agile Aufbau- und Ablauforganisationen, die den SAP-Bestandskunden das erfolgreiche Unternehmertum ermöglichen sollen.
Christian Klein hingegen versucht es nicht mit betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Kontinuität, sondern mit einem Reset. Diese Disruption soll sich in der Cloud widerspiegeln. Die Hoffnung ähnelt einem Kaltstart eines PCs. Funktioniert der Computer nicht nach den Vorstellungen des Anwenders, wird neu gestartet. In der Hoffnung, dass ein Rest alle Probleme löst.
Ein Reset ist aber in den allerwenigsten Fällen ein Problemlöser. Mit dem Neustart geht wertvolle Zeit verloren, die für eine Fehleranalyse notwendig wäre. Naturgemäß gibt es Situationen, in denen ein Reset der ersehnte Exit ist, aber so schlimm steht es nicht um SAP. Die jüngste Umfrage des Anwendervereins DSAG hat ergeben, dass die SAP-Bestandskunden sehr kritisch den ERP-Weltmarktführer beobachten und bei Weitem nicht mit allem zufrieden sind – aber auch nicht Ausschau nach Alternativen halten.
SAP hat eine kritische und konstruktive Community, in der das Revolutionäre eines Resets keine Berechtigung hat. Die Radikalität eines Christian Klein erklärt sich vielleicht durch das Fehlen von Visionen und Strategien. Wer keine eigenen Ideen entwickeln kann, ist geneigt, vermeintlichen oder wahren Megatrends hinterherzulaufen. Der SAP mangelt es an Eigenständigkeit. Diese Kritik höre ich in der SAP-Community, aber ich lese sie kaum in anderen Medien. Ist der Qualitätsjournalismus tot? Nein, wenn die SAP-Texte in Manager Magazin, Wirtschaftswoche und Handelsblatt zur Beurteilung herangezogen werden.
Es gibt aber auch eine andere Welt: Ein sehr engagierter Kollege vom Spiegel berichtete über den Besuch der legendären Uhrenmesse in Genf. Dort wurde er von einem Uhren-Influencer gefragt, warum er über Produkte und Firmen berichtet, wenn er kein Geld bekommt. „Wir sind nicht käuflich“, war seine eindeutige und wohltuende Antwort.
Nicht jeder Text über Produkte und Firmen muss im Umkehrschluss demnach gekauft sein. Diese eindeutige Unterscheidung zwischen Qualitätsjournalismus und Influencer-Handwerk erscheint notwendig.
Eine Coverstory über den Reset des Christian Klein ist demnach Qualitätsjournalismus, natürlich nicht gekauft, aber auch keine Majestätsbeleidigung. Die Gratwanderung zwischen den Extremen ist nicht einfach, aber ein Reset erscheint auch nicht notwendig. Klein muss noch viel lernen.