SAP-KI-Dystopie
Indirekte Nutzung verhindert den KI-Erfolg
Um die selbst verschuldete ERP-Komplexität zu verringern, hat SAP im Jahr 2018 ein neues Preismodell vorgestellt. Dieses soll den Bestandskunden helfen, den Bedarf an zusätzlichen Lizenzen für die indirekte Nutzung ihrer eigenen Daten zu ermitteln. Die rechtliche Grundlage ist juristisch umstritten.
Ein Beispiel: Der SAP-Bestandskunde verwendet eine Abrechnungssoftware eines Drittanbieters, hierbei werden automatisch Daten an eine SAP-Lösung übermittelt werden. Diese Datenverbindung kann gegenüber SAP lizenzpflichtig werden! SAP verschickt unregelmäßig Listen von Programmen, die aus Sicht von SAP eine indirekte Datennutzung verursachen. In der Regel muss der SAP-Bestandskunde seine IT-Infrastruktur nach Datenverbindungen durchforsten, die zwischen den eigenen SAP-Systemen und anderer Software bestehen. Das ist mühselig und zeitraubend, aber es ist notwendig! SAP ist in Lauerstellung und kann bei indirekter Nutzung sehr hohe Lizenznachforderungen einklagen.
Letztendlich ist der Taschenspielertrick leicht durchschaubar: SAP will nicht, dass die eigenen Bestandskunden neben ERP, CRM, HCM, SCM etc. Software von anderen Anbietern einsetzen. Weil aber meistens das SAP ERP das führende System ist, sind alle Fremdsysteme indirekte Nutzer der in SAP generierten und vorhandenen Daten. Was diese juristisch umstrittene Sichtweise für zukünftige generative KI bedeutet, muss noch ausdiskutiert werden.
Generative KI lebt von fremden Daten
Es ist ein Wesensmerkmal generativer KI, dass die Systeme zu Beginn leer und dumm sind. Mit vielen Trainingsdaten erwachen diese KI-Systeme. Letztendlich ist es sehr komplexe Statistik, die die Daten klassifiziert und zurückspielt. Tatsache ist, ohne Trainingsdaten gibt es keine generative KI.
Ähnliches gilt jedoch auch für ein CRM-System von Salesforce, das an ein SAP-ERP-System angeschlossen wird. Würde dieses fremdartige CRM nicht mit Daten aus dem SAP-System versorgt werden, gäbe es kein Beziehungsmanagement zu den Endkunden. ERP und SCM und CRM und HCM bedingen einander – indirekt helfen sie einander, aber nur SAP will für diesen Daten- und Bluttransfer auch Lizenzen einkassieren.
Während der Datenaustausch zwischen SAP und Salesforce noch weitgehend kontrolliert und minimalistisch ablaufen kann, wird es bei generativer KI schon wesentlich chaotischer und voluminöser. Je mehr, umso besser.
Abap scheitert an Datenarmut
Je mehr Trainingsdaten eine KI gefüttert bekommt, desto intelligenter kann sie werden. Ein Beispiel: Aktuell scheitert SAP noch an einem Co-Pilot für Abap, die eigene Programmiersprache der SAP. Es gibt weltweit viel zu wenig Abap-Programmcode, um eine generative KI wie ChatGPT von OpenAI zu trainieren. Auch SAP selbst hat kein Large Language Model, mit dem sich ein Abap-Co-Pilot im Sinne einer generativen KI herstellen lässt.
Das offizielle Fehlen eines Abap-Co-Pilot sagt jedoch nur etwas über die Willenlosigkeit und geringen KI-Ressourcen der SAP selbst aus. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! SAP-Partner Microsoft hat nach inoffiziellen Angaben bereits einen experimentellen Abap-Co-Pilot und bei Microsoft gibt es mit Sicherheit auch nicht mehr Abap-Code, oder?
Indirekte Nutzung versus KI-Trainingsdaten
Das SAP-Konstrukt für die indirekte Nutzung von Daten, die in SAP-Systemen generiert und gespeichert wurden, ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Tod jeder generativen ERP-KI. Ohne ausreichende Trainingsdaten drohen den SAP-Bestandskunden eine KI-Dystopie und der finanzielle Untergang. Alle Daten eines SAP-ERP-Systems für die indirekte Nutzung zu lizenzieren würde wahrscheinlich jeden Bestandskunden überfordern. Mit dem Konzept der indirekten Nutzung ist SAP der erste Innovationsfeind ihrer eigenen Kundenbasis.
Den ERP-Datenschatz heben
Die aktuelle Situation ist ambivalent, denn SAP ist sehr bemüht, umfänglich ERP-Daten zur Verfügung zu stellen. Mit den Zukäufen Signavio und LeanIX lassen sich SAP-ERP-Systeme auf einem wesentlich höheren Niveau analysieren, was letztendlich optimale Trainingsdaten hervorbringen wird. Aleph-Alpha-Mitgründer Jonas Andrulis schwärmte auf einer KI-Tagung des deutschen Handelsblatts von der Kombination Process Mining mit Signavio und einem Large Language Model (LLM) aus seinem Haus.
Das SAP-Unternehmen Signavio könnte mit ERP-Process-Mining die Trainingsdaten für das Aleph-Alpha-LLM von Jonas Andrulis liefern, wenn nicht das Damoklesschwert der indirekten Nutzung über allem schweben würde.