SAP kippt – positiv oder negativ
Es war gute Tradition, dass am Eröffnungstag des DSAG-Jahreskongresses der SAP-CEO einen Vortrag ablieferte. Im ersten Jahr seiner Amtszeit sprach Ex-CEO Jim Hagemann Snabe noch auf Englisch – es war die Zeit der SAP-Doppelspitze gemeinsam mit dem Amerikaner Bill McDermott. Am Ende seines Vortrags verkündete Snabe unter begeistertem Applaus, dass er Deutsch lernen will und im nächsten Jahr dann in der Muttersprache der Besucher seine Keynote halten wird. So war es.
So viel Respekt gegenüber den DSAG-Mitgliedern gibt es nicht mehr. Warum Christian Klein als SAP-Chef den Weg nach Leipzig scheut, ist nicht bekannt. Gerüchte behaupten, er werde nicht mehr lange SAP-Chef sein und gedanklich sei er schon abgetreten. Conversion, Transformation, Releasewechsel – Namen sind nur Schall und Rauch. Tatsache ist, dass trotz zahlreicher Unwägbarkeiten und Herausforderungen immer mehr SAP-Bestandskunden auf Hana und S/4 umsteigen – mit Erfolg. Was lange Zeit undifferenziert und vage war, scheint sich nun als ein positiver Trend abzuzeichnen. SAP kippt ins Positive, oder?
Tatsache ist aber auch, dass SAP am Abgrund steht und kippt, wie Jürgen Röder, seit 2001 Finanzredakteur beim Handelsblatt, schreibt. Über SAP hat Jürgen Röder Anfang September auf Handelsblatt online Folgendes veröffentlicht: „Das langfristige Kursbild bei dem Dax-Schwergewicht ist sehr brisant. Bei dem SAP-Papier steht derzeit die wichtige Unterstützungszone um 95 Euro im Fokus, die auch während des Corona-Crashs Mitte März nicht unterschritten wurde. Am heutigen Mittwoch wird die Aktie bei 85,35 Euro gehandelt, ein Minus von 0,2 Prozent. Sollte sich die Aktie nicht bald wieder über 95 Euro erholen, droht bei SAP der gesamte Aufwärtstrend der vergangenen zwanzig Jahre zu kippen.“
Es ist für Professor Hasso Plattner kein schönes Bild, wenn im fünfzigsten Jahr des Bestehens die Erkenntnis reifen muss, dass die vergangenen zwanzig Jahre eine Fehlentwicklung waren. Damit muss nicht nur die Regentschaft von Bill McDermott, sondern auch Hana, S/4 und Christian Klein abgeschrieben werden. Weil SAP-Finanzvorstand Luka Mucic den ERP-Konzern nicht führen und retten durfte, wird es ab Beginn des neuen Jahres auch einen neuen Finanzvorstand geben: Dominik Asam kommt von Airbus und war auch dort CFO.
Dominik Asam hat eine sehr interessante und erfolgreiche Berufslaufbahn hinter sich und wird mit viel Erfahrung bei SAP einziehen. Kaum verwunderlich wäre, wenn ihn Professor Hasso Plattner in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gleich zum neuen CEO ernennt, weil Christian Klein andere Karrierepläne hat – ähnlich wie Luka Mucic. Was dann mit dem Börsenkurs passiert, ist ungewiss: Optimisten lassen den Kurs weit über 100 Euro steigen, Pessimisten lassen den Kurs auf weit unter 85 Euro abstürzen. SAP kippt – ins Positive oder Negative.
Bezüglich des Ertrags könnte SAP schon sehr bald ins Positive kippen. Geplant ist eine Erhöhung der Cloud-Subskription und Pflegegebühr jeweils um 3,3 Prozent. Ob es zukünftig auch besseren Support, mehr Leistung und eine deutliche Weiterentwicklung der SAP Business Suite 7 (ECC) geben wird, ist aber ungewiss. Tatsache ist, dass die alten Versprechungen nicht mehr gelten: Mit dem Skalierungseffekt eines Cloud Computing werden nicht nur AWS, Google, Microsoft und SAP mehr verdienen, sondern für die Bestandskunden sollte es auch preiswerter werden.