SAP-Lizenzen – Technik schlägt Recht
Teil 1 – Stefan Autengruber:
Indirekte Nutzung – wer definiert das? Als Jurist beginnt man mit der Frage: Was ist die Rechtsgrundlage? Erst wenn klar ist, welche Rechtsnormen anzuwenden sind, erörtert man den Sachverhalt.
Die Subsumption des Sachverhalts zu den Rechtssätzen ergibt die Antwort. Indirekte Nutzung stützt sich auf zwei Anspruchsgrundlagen: einerseits auf das Urheberrecht, das den Urheber schützt und ihn berechtigt, ein Lizenzentgelt für sein geistiges Werk einzufordern, andererseits auf eine vertragliche Vereinbarung.
Ohne rechtlich genau auf die Unterschiede einzugehen, sei festgestellt, dass sich die indirekte SAP-Nutzung (fast) ausschließlich auf die vertraglichen Vereinbarungen bezieht.
SAP bietet jetzt zwei Indirekt-Nutzungsmodelle an. Der Kunde hat das Wahlrecht. Um sich für ein Modell entscheiden zu können, muss man Vorteil und Risiko eines jeden Modells kennen beziehungsweise erarbeiten.
Beim Documents-Lizenzmodell passiert dies durch Zählen aller Dokumente, welche im ERP-System ursprünglich erzeugt werden. Es muss nach Document-Art genau unterschieden werden, ob es ein Mitarbeiter oder ein Externer erzeugt hat.
Eine komplexe Aufgabe, für die SAP aktuell noch keine automatisierten Reports zur Verfügung stellt. Der Aufwand verbleibt beim Lizenznehmer und es ist fraglich, ob ein Basis-Administrator auch alle Dokumente des Fachbereiches kennt und diese richtig qualifizieren kann.
Beim Named- User-Lizenzmodell ist der Weg genauso mühsam und schwierig. Nur wer alle Verträge und alle Preis- und Konditionenlisten (PKL) der SAP über jeden Zukauf hinweg kennt und in Einklang bringt, kann ein Gesamtverständnis für die indirekte Nutzung erzeugen.
Wer sich im Dschungel der unterschiedlichen Begrifflichkeiten verirrt, sei gewarnt: Der Begriff Modifikation wird von Technikern und Vertragsexperten konträr interpretiert. Daraus entsteht oft ein Lizenzchaos, dass SAP nie aufgeklärt hat.
Irgendwann hatte man dann einfach auf den Begriff „use“ gewechselt, der nur im Begriffskern stimmt. Deswegen der Rat an SAP-Kunden: Nur wer sein Lizenzmodell nach den SAP-Preislisten analysiert und weiß, welche Dokumente wie erzeugt werden, kann objektiv entscheiden, welches der Modelle am günstigsten ist.
Teil 2 – Färbinger:
SAP hat ein neues Lizenzmodell für die „indirekte Nutzung“ vorgestellt, das im ersten Ansatz aufgeräumt und logisch erscheint. Ob es so etwas wie indirekte Nutzung auch im wirklichen Leben geben kann oder ob es nur eine Fata Morgana ist (siehe E-3 Kolumne „Das Letzte“ auf Seite 95 dieser Ausgabe), soll hier nicht weiter diskutiert werden.
Das neue SAP-Lizenzmodell orientiert sich an der Erzeugung von Dokumenten und unterscheidet hierfür mehrere Dokumentklassen. Auf Wunsch der SAP hat der Bestandskunde lediglich für die Herstellung eines Dokuments zu zahlen: maximal 50 Cent.
Es gibt Mengenrabatte und „minderwertige“ Dokumente, die in der Erzeugung preiswerter sind. Ein Außenstehender mag diese Lizenzregeln als transparent und fair empfinden.
Andreas Oczko, Vorstand des SAP-Anwendervereins DSAG, hat diese Regeln mit ausverhandelt und findet sie brauchbar. Einigen SAP-Bestandskunden mögen diese neuen Regeln die Angst vor der „indirekten Nutzung“ nehmen.
Aber hier wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht – wobei diesmal der Wirt nicht in Form eines Juristen, sondern als Informatiker auftritt. Man muss nicht viel von IT verstehen, um die Herausforderung zu erahnen, die es bedeutet, in einem komplexen SAP-System den Geburtsort eines Dokuments eindeutig zu bestimmen – und nur dann lassen sich auch die richtigen Lizenzrechnungen stellen.
Mit traditionellen IT-Werkzeugen ist es nahezu unmöglich, in einem SAP-System, das auf Dutzende Server – on-premise und in der Wolke – verteilt ist, den Entstehungsort aufzuspüren und mit absoluter Gewissheit zu sagen, dass es sich um ein „neues“ Dokument handelt, denn nur dann darf der Dokumentenzähler in Gang gesetzt werden.
Man stelle sich ein globales SAP-System bestehend aus ERP/ECC 6.0, Abap- und Java-Stacks, NetWeaver-Instanzen, S/4 on-premise und als SAP Cloud Platform inklusive Ariba, SuccessFactors, Hybris, Concur, BusinessObjects etc. verbunden mit Tausenden von IoT-Sensoren und anderen Software-Komponenten wie Salesforce und Office 365 vor.
SAP hat bei der Vorstellung des neuen Lizenzmodells für die „indirekte Nutzung“ auch Werkzeuge zur Vermessung des Geburtsorts der entsprechenden Dokumente angekündigt.
Sollte es jemals so ein Dokumenten-Lizenzvermessungs-Werkzeug geben, das auch zur Zufriedenheit von DSAG und Bestandskunden arbeitet – Respekt!