Sapphire 2024: Sicher und alles paletti
Aber warum blickt der Aktienmarkt positiver auf SAP als die Kunden? Für die nach Neuigkeiten lechzenden Aktienmärkte müssten die Themensetzung und die Ankündigungen auf den beiden Sapphire-Kundenkonferenzen in Orlando (USA) und Barcelona (Spanien) etwa langweilig wirken. Künstliche Intelligenz (KI) hat den Hype-Glamour eigentlich eingebüßt, jetzt ist eher die Zeit der Umsetzung.
Die gezeigten Anwendungsfälle reichen von der Erstellung von Stellenausschreibungen – eher langweilig – zu Joule for Consultants. Das könnte ein Gamechanger werden und bedroht Heerscharen von Programmierern, die hoffen, durch die Umstellung in Richtung Hana ein Auskommen zu finden.
Dann wird auch noch Geld ausgegeben, um das SAP-Portfolio zu ergänzen: Rund 1,5 Milliarden Dollar kostet der auf der Sapphire USA angekündigte Kauf von WalkMe. Diese Software, ursprünglich aus dem Training und Onboarding kommend, soll helfen, dass die Endanwender die neu eingeführte SAP-Software, die schon durch SAP Signavio und LeanIX unterstützt wird, auch sinnvoll nutzen.
„WalkMe baut auf der Anwendungslandschaft eines Unternehmens auf, erkennt, wo Reibungsverluste entstehen, und bietet den maßgeschneiderten Support und die Automatisierung, die das Unternehmen benötigt, um die anstehende Arbeit direkt in den Arbeitsabläufen und in allen beteiligten Anwendungen zu erledigen“, heißt es in der SAP-Pressemeldung zum Kauf. Doch richtig Treibstoff für den Aktienkurs steckt da auch nicht drin.
Vielleicht ist es aber das fehlende Stück, damit die Endanwender überzeugter sind von der SAP-Strategie. Laut DSAG-Umfrage aus dem Frühjahr bewerten 31 Prozent der Befragten die S/4-Cloud-Strategie für das eigene Unternehmen negativ, jeder sechste sogar sehr negativ. Nur zwölf Prozent sind positiv eingestellt, ein Prozent sogar sehr positiv.
Mit so viel Gegenwind sollte man erwarten, dass SAP die Kundenkonferenzen in Orlando und Barcelona nutzt, um die Strategie zu erklären, und Kunden begeistern mag mit neuen oder wenigstens aus Kundensicht relevanten Themen. Doch so richtig scheint das nicht zu gelingen. Rise with SAP bekommt noch einen Enterprise-Architekten spendiert, der Kunden beim Umstieg in die Cloud begleitet. Laut SAP sind immerhin schon 6000 Rise-Verträge unterschrieben; das deckt sich ziemlich mit der Aussage aus der Umfrage der DSAG, die davon ausgeht, dass jeder sechste SAP-ERP-Anwender die Nutzung plant oder es sogar schon nutzt.
Bis 2027/28 ist noch mit einem wachsenden Markt im Bereich der SAP-Berater zu rechnen, der Druck durch das Wartungsende und eine Umstellungsquote von unter 50 Prozent sorgen für konstant steigende Nachfrage und Preise. Auch sorgt das Damokles-Wartungsende 2027 dafür, dass sich die neu angefangenen Migrationen mehrheitlich im Bereich Brown- oder Bluefield bewegen – die Chance, auf der grünen Wiese neu anzufangen und wirklich alte Zöpfe abzuschneiden, wird so natürlich verpasst.
Bleibt noch die Business Technology Platform (SAP BTP), die sich zur Schaltzentrale der Transformation entwickeln soll. Die Partner nutzen die Tools schon, SAP natürlich auch, die Kunden sind noch etwas weniger euphorisch unterwegs; zu teuer und undurchsichtig scheint das Preismodell zu sein.
Was bleibt hängen von den beiden Konferenzen? Es war solide Arbeit – vielleicht nicht schlecht in eher unruhigen Zeiten. Aber so ein bisschen mehr Begeisterung und Aufbruchstimmung zu spüren wäre schön gewesen. SAP wird erst einmal nicht verschwinden, zu unersetzbar sind insbesondere der Finanzteil und die Bereiche rund um die Produktion.
Das Lizenzmodell und die entsprechenden Verträge – auch in der Cloud-Variante – sorgen auch weiterhin für regelmäßige Einnahmen. Aber ein bisschen darf man sich im SAP-Headquarter Walldorf schon fragen, warum Firmen wie ServiceNow oder Workday so groß werden konnten und die eher „neuen“ Themen agil besetzt haben.