SAPs kostenfreie Zugaben?
Rechenzentrumstradition versus Cloud Computing
SAP war lange Zeit anders als die Technologiekonzerne aus den USA. Aus den erschaffenen und errungenen Werten sollte das weitere Wachstum entstehen. Jeder erfolgreiche Schritt sollte evolutionär die Grundlage für den nächsten Erfolg legen. Diese Metamorphose war viele Jahre ein Zeichen soliden IT-Handwerks. Beginnend mit den SAP-Gründern bis zu CEO Kagermann wuchs SAP aus eigenem Antrieb und mit eigenen Ideen. Der Fokus lag bei einer ganzheitlichen Sicht auf die Aufbau- und Ablauforganisation der SAP-Bestandskunden. Das vorherrschende Betriebsmodell war das eigene Rechenzentrum. Cloud war optional.
Es folgte eine Sturm-und-Drang-Zeit mit teils chaotischen Cloud-Aufkäufen. Ein Höhepunkt war die Übernahme von Qualtrics, einem US-amerikanischen Softwareunternehmen spezialisiert auf Enterprise Feedback Management. Von 2018 bis 2023 gehörte es zum deutschen Softwarekonzern SAP. In der CEO-Ära von Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott wurden zahlreiche Unternehmen aufgekauft, sodass der aktuelle SAP-Chef, Christian Klein, bis heute mit der Cloud-Konsolidierung der vielen und guten Ideen beschäftigt ist.
Cloud-native versus Best-of-Breed
Das verbliebene Restrisiko sind nicht die zahlreichen Zukäufe und Übernahmen, sondern die fehlende Orchestrierung im Sinne der SAP-Community. Wenn aus Vorhandenem wieder Neues erwachsen soll und die Metamorphose das weitere Wachstum prägt, dann minimiert sich das Risiko für die SAP-Bestandskunden. SAP-Chef Christian Klein plant das Gegenteil. Er geht mit Cloud und Best-of-Breed hohes Risiko ein, weil er allgemeinen und beliebigen IT-Trends hinterherläuft.
SAP-Bestandskunden sind es gewohnt, über viele Jahre zu planen. Spontane IT-Shows, kurzfristige Roadmaps und kurzlebige Trends stehen nicht im Fokus von SAP-Verantwortlichen. Für Schockmomente und Kurskorrekturen sorgte in der Vergangenheit Professor Hasso Plattner. Auch Plattner irrte mitunter, aber er war immer hellwach, um seine SAP wieder neu zu positionieren und auf Kurs zu bringen.
Rise und Grow mit SAP
KI, Rise und Grow sind die Baustellen einer verunglückten Orchestrierung: SAP hat bei KI keine klare Linie. Zahlreiche Partnerschaften sind lediglich der Versuch, nicht den Anschluss an die internationale IT-Community zu verlieren. SAP hat einiges versprochen und vieles geliefert. Die wenigsten KI-Lösungen sind aber mit den Bedürfnissen der SAP-Community orchestriert. KI funktioniert bei SAP, aber der Mehrwert für die SAP-Anwender ist überschaubar.
Noch immer werden die SAP-Angebote Rise und Grow nachgebessert und justiert. Die Aussagen, für was und für wen nun die beiden Angebote gedacht sind und was für das S/4-Customizing wirklich notwendig ist, sind innerhalb von SAP und bei den SAP-Partnern divergent. Cloud Computing ist eine Sehnsucht von SAP-Chef Christian Klein, aber kein Mehrwert für die SAP-Bestandskunden. Cloud kann einen Zusatznutzen für den CIO haben, gewisse Risiken mindern, aber in nur wenigen Fällen ist Cloud ein Entscheidungskriterium. In der SAP-Community zählen Funktionalität, Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit.
Natürlich war früher nicht alles besser, aber unter Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Henning Kagermann, Gerd Oswald und auch Michael Kleinemeier, Werner Brandt und Claus Heinrich waren der Zusammenhalt und die Kommunikation wesentlich offener, besser und direkter. Vertriebsbeauftragte der SAP sind mittlerweile nur noch Überbringer schlechter Nachrichten. Die aktuelle Strategie von Christian Klein beinhaltet demnach ein Restrisiko und ist hinsichtlich KI-Strategie, Rise und Grow nicht nachhaltig. Ein erfreulicher Aktienkurs bleibt somit ein Trostpflaster nach dem Abschied von Professor Hasso Plattner.
Signavio und LeanIX
SAP verkauft den aktuellen Blindflug als Erfolgsweg in eine glorreiche S/4-Cloud-Zukunft. An der Börse wird dieses Märchen geglaubt und der Aktienkurs ist stattlich, aber die SAP-Community weiß es besser: So kann es nicht weitergehen. Bestandskunden schauen sich nach Alternativen um. SAP verliert an Relevanz, siehe DSAG-Investitionsumfrage aus diesem Jahr. Der Blindflug von SAP-Chef Christian Klein soll durch KI erhellt werden, was natürlich nicht passieren wird, weil KI nur ein weiteres Werkzeug wie Cloud Computing ist. Was die SAP-Bestandskunden brauchen, sind Lösungen – digitale Transformationsprozesse – und keine weiteren IT-Werkzeuge. Auch kostenfreie Zugaben sind nur ein Trostpflaster und keine Lösung: Wenn Signavio und LeanIX kostenfrei den Weg zu den SAP-Bestandskunden schaffen, beginnt wieder die Diskussion über die Relevanz der Produkte.