Die Systemintegration als S/4-Schwerpunkt
Die aktuelle Stimmung ist politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich eine große Herausforderung. Diese hat jedoch nur am Rande mit der schlechten Stimmung rund um SAP zu tun, wie aus diversen Medien zu entnehmen ist. Das Thema Integration dürfte aber ein Teil davon sein. Was sind die Hintergründe und Zusammenhänge dafür?
Wie schon einleitend erwähnt, war die SAP-Geschäftsstrategie für das notwendige Firmenwachstum vor allem durch Zukäufe von zahlreichen Cloudanbietern unter dem vorigen Chef Bill McDermott geprägt. Damit hat dieser auch seine wesentlichen Ziele erreicht: einerseits die positive Kapitalmarktentwicklung von SAP an der Börse und andererseits die Optimierung seines persönlichen Einkommens. Aus heutiger Sicht war dies jedoch zu kurzsichtig. Manche der Zukäufe waren Fehlinvestitionen und für die strategisch richtigen Applikationen wurde die notwendige technische Integration auf der SAP-Plattform versäumt. Das hatte negative Auswirkungen auf die S/4-Strategien „Cloud only“ oder „Cloud first“.
Eine erfolgreiche S/4-Transformation für die Kunden hängt unmittelbar mit der Integration zusammen, welche in gewohnter Form einfach nicht gegeben war. Diese Fehlentwicklung wurde SAP erst mit der Übernahme der Konzernführung durch Christian Klein bewusst. Die notwendige Integration der Cloudprodukte wurde damit zur Hauptaufgabe, die zu viel Zeit und Geld gekostet hat und nach wie vor kostet. Diese wichtige, aber späte Erkenntnis hat auch höchst negative Auswirkungen auf dem Kapitalmarkt nach sich gezogen. Das Thema Integration lässt sich eben nicht als tolle Vision verkaufen. Mit dem „Aufräumen ohne Visionen“ kommt Christian Klein derzeit ziemlich unter Druck.
Nach den Hintergründen gibt es aber auch einige praktische Hinweise für die vielen laufenden Transformationsprojekte, was die Integration betrifft. Bei den meisten Bestandskunden werden die S/4-Projekte mit einer hybriden Applikationslandschaft umgesetzt, also in On-premises-Systemen mit Cloudlösungen. Im Mittelpunkt stehen dabei die zahlreichen eigenen SAP-Cloudlösungen mit der neuen S/4-Technologie. Hier geht es nicht um die Integration, sondern um die zeitgerechte Verfügbarkeit der notwendigen Funktionen gemäß den Roadmaps in Abstimmung mit dem Projektplan.
Die angesprochenen Integrationsprobleme verursachen vor allem die großen Zukäufe wie Ariba, Fieldglass, Concur und SuccessFactors. Diese würden zwar betriebswirtschaftlich Sinn machen, haben aber andere Entwicklungstechnologien. Damit ist die funktionale Integration in die SAP-Coresysteme eine Mammutaufgabe. Die einheitliche Oberfläche bleibt trotz redlicher Bemühungen vonseiten SAP ohnehin ein Wunschkonzert. Bei der Einführung dieser Lösungen sollte im Vorfeld eine aktuelle Bestandsaufnahme gemacht werden. Einerseits natürlich mit SAP direkt, aber andererseits zur Qualitätssicherung auch mit entsprechenden Referenzkunden und den DSAG-Arbeitsgruppen.
Ein weiteres umfangreiches, aber unterschätztes Integrationsthema sind die Eigenentwicklungen. Hier gibt es mehrere Themen zu behandeln. Zu Beginn sollten alle Eigenentwicklungen, wie Reports und Programme, auf ihre Notwendigkeit hin geprüft werden. Viele werden nämlich nach Systemänderungen oder Personalwechsel nicht mehr verwendet. Dem SAP-Betrieb stehen dafür entsprechende Analysewerkzeuge zur Verfügung. Die notwendigen Eigenentwicklungen sollten rechtzeitig auf die neue S/4-Technologie umgestellt werden. Diese Phase kann und sollte schon vor dem S/4-Projektstart begonnen werden, weil die Umstellung mit viel Zeitaufwand verbunden ist.
In einem weiteren Schritt ist mit einer Fit-Gap-Analyse zu untersuchen, welche Eigenentwicklungen durch die neuen S/4-Applikationen im Standard abgelöst werden können. Schlussendlich ist auch die technische Integration der Eigenentwicklungen in die Cloudlösungen sicherzustellen.