Toxisches Hana
SAP Hana, ein Erbe von Professor Hasso Plattner
In einer aktuellen Spiegel-Reportage von Tim Bartz und Christian Bergmann (für Spiegel-Abonnenten hier online lesbar) heißt es zu Beginn: „Das Werk des Milliardärs ist historisch. Sein Erbe möglicherweise toxisch. Gründer Hasso Plattner verlässt nach mehr als 50 Jahren den Softwarekonzern SAP – Deutschlands einzigen Technologieriesen von Weltrang. Doch was wird aus dem Riesen ohne seinen schillernden Gründer?“
Mehrere Fragezeichen schweben über der Datenbank Hana, die immer mehr zur Belastung für den ERP-Konzern wird: Es gibt einen Copyright- und Intellectual-Property-Streit mit Terradata in den USA; es gibt den Unmut der SAP-Bestandskunden bezüglich doppelter Lizenzzahlungen; und es gibt die hohen Hana-Gebühren bei der Entwicklung preiswerter Apps auf der BTP (SAP Business Technology Platform).
Das doppelte SAP-Lottchen
„Das doppelte Lottchen“ ist ein Roman für Kinder des deutschen Schriftstellers Erich Kästner (geb. 23. Februar 1899 in Dresden; gestorben 29. Juli 1974 in München). Kurz der Inhalt: Zwei zehnjährige Mädchen, Lotte Körner aus Frankfurt/M. (DE) und Luise Palfy aus Salzburg (AT), lernen sich im Salzkammergut am Wolfgangsee kennen. Es stellt sich heraus, dass sie Zwillinge sind und ihre Eltern sich vor Jahren getrennt haben. Sie beschließen, die Plätze zu tauschen, um die jeweils anderen Väter und Mütter kennenzulernen. Anfangs gelingt es ihnen, ihre Eltern zu täuschen – das Spiel nimmt seinen Lauf!
Ob SAP die Bestandskunden mit der ERP-Datenbank Hana täuschen wollte, das wird wohl nie beantwortet werden. Tatsache ist jedoch, dass SAP mit Hana viele Lizenzgebühren einnimmt und die meisten SAP-Bestandskunden über einen längeren Zeitraum doppelte DB-Gebühren zahlen müssen, ohne einen doppelten Nutzen daraus ziehen zu können.
AnyDB und SAP Hana
Bei zurückliegenden SAP-Releasewechseln konnten die Bestandskunden ihre Datenbank jeweils behalten. In vielen Fällen war lediglich ein Versionswechsel auf ERP-Ebene notwendig. Die Datenbank konnte früher oder auch später auf einen neuen Stand gebracht werden.
Mit dem Übergang zu SAP S/4 müssen die Bestandskunden auch die Hana-Datenbank nutzen. Zum ERP-Releasewechsel kommt nun auch ein Datenbankwechsel, was nicht nur die SAP-Basis-Mannschaft in doppelter Weise herausfordert. Auch der CFO muss tief in die Tasche greifen, denn während der gesamten Umstellungszeit sind sowohl Datenbankgebühren für das vorangegangene ERP mit AnyDB (Oracle, Microsoft oder IBM) als auch Hana zu entrichten.
Auch wenn eine S/4-Conversion technisch innerhalb weniger Wochen durchführbar ist, so kann der gesamte ERP-Releasewechsel auch mehrere Jahre dauern. In der Zeit der S/4-Conversion muss der SAP-Bestandskunde sein altes ERP-System (meistens SAP Business Suite 7 mit AnyDB) als auch S/4 Hana betreiben und bezahlen. Aus den doppelt zu entrichtenden DB-Gebühren ergibt sich jedoch betriebswirtschaftlich kein Vorteil.
Unseliges SAP-DB-Junktimieren
Letztendlich ist es eine unheilvolle Kombination von ERP und Datenbank. Die sogenannte Junktimierung ist auch eine juristische Technik bei Verhandlungen über Verträge oder Gesetzen. Fakt ist: Ohne das eine geht das ganze andere nicht.
Wer S/4 wählt, muss auch Linux als Betriebssystem und Hana als Datenbank anerkennen. SAP zieht daraus doppelten Nutzen: Zusätzlich zu den S/4-Lizenzeinnahmen ergeben sich nun auch Gebühren für Hana und der Support wird für SAP wesentlich einfacher. Nun müssen nicht mannigfaltige Kombinationen aus unterschiedlichen Betriebssystemen, Datenbanken und ERP-Versionen serviciert werden, sondern lediglich die stringente IT-Architektur aus Linux, Hana und S/4.
Eigentor SAP Hana
Aktuell verdient SAP mit Hana viel Geld, ob in Zukunft die Rechnung aufgeht, das ist noch nicht ausgemacht. Auf der SAP Business Technology Platform gibt es mit CAP und RAP sehr interessante Entwicklungskonzepte für Fiori-Apps. Naheliegend ist in vielen Fällen die Nutzung der Datenbank Hana für diese Anwendungen, was aber weitere und zum Teil sehr hohe DB-Gebühren nach sich zieht. Eine preiswerte Low-Code-App-Entwicklung wird plötzlich durch die hohen Hana-Lizenzgebühren unwirtschaftlich. Kurzfristig verdient SAP sehr gut (siehe auch Aktienkurs), aber langfristig könnten Hana und S/4 viele SAP-Bestandskunden zum Umdenken motivieren.