Transformationsprojekt mit Pioniercharakter
Somit galt es, die Buchungskreise beider Gesellschaften in S/4 miteinander zu verschmelzen. Ein Projekt mit Pioniercharakter. Zusammen mit cbs hat KHS den technisch anspruchsvollen Merger sorgfältig vorbereitet, einen Change-Management-Prozess eingeleitet und die Verschmelzung in kürzester Zeit erfolgreich realisiert. Die KHS-Gruppe ist einer der führenden Hersteller von Abfüll- und Verpackungsanlagen in den Bereichen Getränke und flüssige Lebensmittel mit Hauptsitz in Dortmund. Das Traditionsunternehmen ist weltweit tätig und verfügt über eine hohe Exportquote.
Die Entwicklung und Produktion von kompletten Abfüll- und Verpackungsanlagen sowie Einzelmaschinen für die Bereiche Getränke und flüssige Lebensmittel bilden die Kernkompetenz der KHS. Der Konzern erzielte im Jahr 2020 mit 5085 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,13 Milliarden Euro. Im Jahr 1993 aus dem Zusammenschluss der 1868 in Dortmund gegründeten Holstein und Kappert sowie der 1887 in Bad Kreuznach errichteten Seitz-Werke entstanden, zählt die KHS zu den führenden Anbietern am Markt. Die Unternehmensgruppe ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der zum Salzgitter-Konzern gehörenden Salzgitter Klöckner-Werke.
Mit der Übernahme von Corpoplast zur KHS im Jahre 2008 legte die Gruppe den Fokus auf den Ausbau ihrer PET-Kompetenz. Am Standort in Hamburg bietet KHS seinen Kunden ein umfangreiches Beratungsprogramm zu Kunststoffbehältern und stellt darüber hinaus Maschinen zur Herstellung und Beschichtung von Kunststoffbehältern her. Zu den Kunden zählen renommierte Getränkemarken auf der ganzen Welt.
Enge Intercompany-Verflechtung
Um die Abwicklung von Aufträgen noch effizienter zu gestalten, setzte das Unternehmen vor zwei Jahren ein umfassendes Road-map-Programm auf. Ziel war es, die bestehenden elf unterschiedlichen SAP–Systeme zu konsolidieren. Eine Vorgabe war, die Töchter der KHS weltweit in das neue S/4-System zu migrieren. Alle Gesellschaften sollten künftig mit einem ERP-System arbeiten.
„Wir haben schon eine sehr enge Intercompany-Verflechtung gehabt. Zahlreiche Aufträge kamen von der Muttergesellschaft und die Verflechtungen wurden immer enger. Daher war es ein Unternehmensziel der Gruppe, diese Prozesse zu harmonisieren“, erklärt Mathias Offermann, Vice President IT bei KHS. Die Tochter Corpoplast sollte dabei vollständig im Konzern aufgehen, weshalb die IT-Prozesse entsprechend anzupassen waren. Ziel war es, die Aufwände bei Aufträgen durch die Muttergesellschaft und sich anschließenden Rechnungen zu reduzieren, um die internen Prozesse effizienter zu gestalten und damit die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.
„Aufgrund der Unternehmensgröße und Komplexität war dieser Buchungskreis-Merger anspruchsvoll, denn in Hamburg sind immerhin 400 Mitarbeiter beschäftigt. Dort wird die komplette Wertschöpfungskette abgedeckt, inklusive Konstruktion, Produktion oder Versand. Da sind alle SAP-Module im Einsatz und es wurde richtig Volumen gemacht“, so Mark Dinnups, Head of Global SAP Services.
Die größte Herausforderung im Projekt war die aufwändige Konsolidierung und -Datenmigration im Bereich Finance & Controlling unter den neuen S/4-Hana-Strukturen, und das innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne von weniger als sechs Monaten. Hinzu kam, dass eine passende Auslaufstrategie für alte Projekte erarbeitet werden musste. Es gab Unterschiede zwischen dem alten und neuen System in puncto Faktura-Art, also zwischen HGB und Percentage-
of-Completion (PoC-Methode). In der Übergangsphase galt es, mit zwei Systemen gleichzeitig zu arbeiten. Anwender mussten also in dieser Phase im Einzelfall prüfen, mit welcher Art von Projekt gearbeitet wird, und dementsprechend agieren. Das erhöhte die Komplexität des Projekts nochmals.
„Sehr geholfen hat uns dabei die Unterstützung durch ein professionelles Change Management“, betont Jens Jensen, Leiter Werkscontrolling Team Nord von KHS. Alle Corpoplast-Mitarbeiter wurden auf dem Weg zur Eingliederung mitgenommen. „Das war ein herausfordernder Prozess. Denn der gute Zusammenhalt in der Belegschaft und die Identität des Standorts waren zu erhalten. Für uns war es wichtig, die Motivation der Anwender hochzuhalten, sich an den Tests zu beteiligen“, erläutert Jensen.
Für die Datenmigration kam die Standardsoftware cbs ET Enterprise Transformer zum Einsatz. Dabei hat das Projektteam frühzeitig alle technischen Möglichkeiten des Tools, Vorgehensweisen und Migrationspfade erörtert und abgeklopft. Buchungskreis-Merger sind nichts Neues, aber in S/4 hat cbs eine solche Verschmelzung zum ersten Mal durchgeführt. Im S/4-Umfeld ist dies vermutlich auch eine der ersten Verschmelzungen weltweit, die mit SLT-Technologie realisiert wurde. Durch dieses Projekt habe man wertvolle Erkenntnisse gewonnen und sei noch sensibler geworden im Hinblick auf kritische Themen: In S/4 gibt es im Vergleich zum SAP ERP/ECC 6.0 unterschiedliche Datenstrukturen, unterschiedliche Tabellen und unterschiedliche Zugriffsfolgen. Diese verhalten sich ganz anders. Das ist sehr komplex, und daher gilt es bei einer solchen Migration mit den richtigen Werkzeugen zu arbeiten.
Mark Dinnups, Head of Global SAP Services: „Wir haben innerhalb von nur vier -Monaten einen beachtlichen Merger hingelegt. Wir haben im bestehenden System migriert, und zwar mit einer ganz kurzen Cutover-Phase, noch dazu mit ganz geringen operativen Nachwehen und ohne jegliche Inkonsistenzen. Alles ist rundgelaufen. Das ist ein Case, den es so heute noch nicht am Markt gibt.“
Migration und Optimierung
Mathias Offermann von KHS erklärt: „Bei einer solchen Migration schauen wir auf die Kernprozesse. Wir wollen natürlich, dass der Betrieb so ruhig wie möglich weiterläuft. Das hat sehr gut funktioniert − auch wenn die komplette Buchhaltung die Zahlen nachher ganz anders aggregiert.“ Die User konnten nach dem Go-live genau dort an Bestellungen, Lieferungen, Fakturen oder Projekten weiterarbeiten, wo sie vorher aufgehört hatten. Da KHS global unterwegs ist, gibt es immer wieder Optimierungsbedarf im Bereich ERP. Daher wird es also weitere Prozessharmonisierungen geben, egal ob es um Vertriebsgesellschaften geht oder Produktionsstandorte, egal ob es SAP-Systeme sind oder Non-SAP-Firmen. Vielleicht wird es dann wieder ein gemischtes Team aus KHS-Kollegen und cbs-Experten geben, das sich an die Aufgabe macht. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch“, sagt Offermann.