Wir brauchen SAP S/5 Hana
Naturgemäß hat SAP den Nachfolger der Business Suite gewissenhaft geplant. Professor Hasso Plattner hat in Potsdam das Konzept einer In-memory-Datenbank entwickelt und es galt ein modernes Finance-System zu errichten. Simple Finance mit der Datenbank Hana war der erste große Wurf. Es ist ein On-prem-System mit der betriebswirtschaftlichen Expertise einer jahrzehntelangen und erfolgreichen SAP-Historie.
Und dann ist SAP-Chef Christian Klein irgendwann falsch abgebogen. Statt das 2015 präsentierte ERP-System S/4 nach zwanzig Jahren in den verdienten Ruhestand zu schicken, wird es nun künstlich auf der Intensivstation bis 2040 am Leben gehalten. In der schnelllebigen IT-Welt ist diese Zeitspanne vollkommen unrealistisch und kontraproduktiv. Diese Lebensspanne ist kein Qualitäts- und Servicebeweis, sondern ein Innovationskiller.
Für das letzte On-prem-System aus dem Haus SAP wäre eine Lebensspanne von 2015 bis 2035 vollkommen ausreichend gewesen. S/4 mit der On-prem-Datenbank Hana auf einer IBM-Power-Architektur wäre ein Erfolg geworden, wie davor R/3 Enterprise und Business Suite 7, weil es den Bedürfnissen der SAP-Bestandskunden entsprochen hätte. S/4 hätte der krönende Abschluss einer On-prem-ERP-Entwicklung sein können.
Naturgemäß hätte SAP den Spott der jungen Cloud-Entrepreneure aushalten und sich die kritischen Fragen der Finanzanalysten gefallen lassen müssen. Aber wo würde sich dann der SAP-Aktienkurs befinden? Die Frage ist nicht zu beantworten. Ein aktueller Bericht über die Deutsche Bank auf Manager Magazin online zeigt jedoch wieder einmal, wie wenig ein Aktienkurs über den wahren Zustand eines Unternehmens aussagt.
Allgemein bekannt sollte das Postbank-Debakel der Deutschen Bank sein. Das Manager Magazin schreibt unter anderem über den Vorstand: „Wie soll die Truppe aus acht Männern und einer Frau das Institut endlich auf die nächste Stufe führen? Wenn die Bank schon an der Integration einer Tochter scheitert, die sie gut kennt, weil sie seit mehr als einem Jahrzehnt Teil des Konzerns ist.“ Und weiter ist auf Manager Magazin online zu lesen: „Daran ändert auch die Aktienkursentwicklung der vergangenen Monate nichts. Die Titel haben seit Herbst vergangenen Jahres um gut 40 Prozent zugelegt und inzwischen den höchsten Stand in Sewings Amtszeit erreicht.“ Christian Sewing ist der Chief Executive Officer der Deutschen Bank.
Offensichtlich entwickelt sich in der professionellen IT-Szene vieles, vielleicht sogar alles, in Richtung Cloud. Es lässt sich nun trefflich streiten und diskutieren, ob SAP wieder einmal einen Megatrend verschlafen hat. Es ist aber ein akademischer Streit, denn SAP ist kein Start-up oder Hersteller von Software für Endverbraucher. Zu den SAP-Bestandskunden gehören die erfolgreichsten und größten Unternehmen der Welt.
Die SAP-Bestandskunden haben für ihre Aufbau- und Ablauforganisation ganz andere Erwartungshaltungen. Cloud-Innovationen junger Start-ups sind für eine kommende ERP-Generation enorm wichtig. Aktuell zählen jedoch Agilität, Stabilität, Verlässlichkeit und Performance. Die Relevanz von SAP wird an anderen Parametern gemessen, als der Endanwender sie in den Bereichen Office oder Gaming kennt. Hier jedoch versagt SAP mit S/4.
Die jüngste Umfrage der deutschsprachigen SAP-Anwendervereinigung (DSAG) zeigt, dass das ERP-Produkt Business Suite 7 noch immer viel Sympathie der Anwender hat und dass SAP mit dem Hinterherlaufen der aktuellen Megatrends wie KI und Cloud viel an Relevanz verliert. SAP ist der führende Anbieter globaler Unternehmenssoftware, die tagtäglich Millionen von Bestellungen, Aufträgen und Rechnungen zu produzieren hat. Verlässlichkeit und Stabilität in der Aufbau- und Ablauforganisation können hier durch nichts ersetzt werden. Experimente mit der Cloud sind kontraproduktiv.
Aber ohne Cloud wird auch SAP keine Zukunft haben, deswegen brauchen die SAP-Bestandskunden ein S/5. Der Nachfolger eines erfolgreichen On-prem-S/4 muss naturgemäß ein Cloud-System sein. S/5 muss aber von Grund auf als Cloud-Native das Licht der IT-Welt erblicken. S/4 wurde als On-prem-System geboren und über die Jahre zu einem Cloud-System verbogen. Das erbringt keine Relevanz für die Anwender, wie die DSAG-Umfrage beweist. Aber ein Cloud-S/5 auf dem reichen Wissensschatz eines R/3 Enterprise, einer SAP Business Suite 7 und eines S/4 wäre einen Versuch wert. Vielleicht besinnt sich SAP-Chef Christian Klein noch eines Besseren und beendet die aufwendigen und künstlichen Lebenserhaltungsmaßnahmen eines S/4 bis 2040. Es ist Zeit, an ein S/5 zu denken!