Healthcare
Workforce Management im Gesundheitswesen
Im Gesundheitswesen waren im Jahr 2022 deutschlandweit 40.000 Pflegestellen unbesetzt. Deshalb hat der Gesetzgeber Konsequenzen gezogen: Mit der neuen Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) und der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) gibt das Bundesgesundheitsministerium Kliniken ein Hilfsmittel an die Hand, um das Pflegepersonal zu entlasten und gleichzeitig die Versorgungsqualität zu steigern. Eine Software mit den Funktionen Zeitwirtschaft und Personaleinsatzplanung ermöglicht es Healthcare-Organisationen, Dienstpläne anhand dieser neuen Vorgaben regelkonform zu steuern und dabei die Interessen von Patienten und Belegschaft zu berücksichtigen.
Best-of-Breed HCM
Ein wichtiger Grundpfeiler für die Leistungsfähigkeit einer Workforce-Management-Lösung ist die technische Möglichkeit, sie in vorhandene ERP-Systeme zu integrieren. Im Gesundheitswesen ist darüber hinaus die Anbindung an Krankenhausinformationssysteme (KIS) von höchster Relevanz. Im Rahmen einer Healthcare-Partnerinitiative hat SAP deshalb einen modularen Best-of-Breed-Ansatz auf Basis der SAP Business Technology Platform (BTP) geschaffen.
Ziel ist es, ERP-Standardprozesse um Speziallösungen zu ergänzen und so den Mehrwert für die Kliniken zu erhöhen. Je nach individuellem Bedarf lassen sich über SAP oder S/4 Hana klinikspezifische Lösungen integrieren, beispielsweise für patientenbezogene Abläufe wie Aufnahme, Diagnostik und Therapie oder betriebswirtschaftliche Prozesse wie Einkauf, Logistik oder Buchhaltung. Zu den zertifizierten Partnerlösungen gehört im Bereich Personalmanagement die modulare Atoss Medical Solution mit den Funktionen Zeitwirtschaft, Personalbedarfsplanung und Personaleinsatzplanung. Über standardisierte Schnittstellen stehen für die Dienstplanung und die Lohn- und Gehaltsabrechnung relevante Daten sowie wichtige Personalbedarfstreiber wie die aktuelle und prognostische Patientenbelegung valide zur Verfügung.
Mitarbeiterorientierte Dienstplanung
Als einziger Supramaximalversorger in Rheinland-Pfalz muss die Universitätsmedizin Mainz ein stark schwankendes Patientenaufkommen bewältigen. Deshalb plant die Klinik die Arbeitszeiten der rund 8700 Mitarbeitenden, darunter Ärztinnen und Ärzte, Sonder- und Funktionsbeschäftigte, Pflegekräfte, Technik und Verwaltung, seit vielen Jahren mit der Atoss Medical Solution. Die Workforce-Management-Software fügt sich nahtlos in den gesamten klinischen Versorgungsprozess und die vorhandene IT-Systemlandschaft ein.
Um tagesaktuelle Daten rund um die Dienstplanung und das Arbeitszeitmanagement intelligent nutzen zu können, muss die Lösung mit einer Reihe weiterer Systeme kommunizieren. So werden beispielsweise Stammdaten und Informationen zu Qualifikationen der Beschäftigten aus Personalinformations- und Bildungsmanagementsystemen importiert. Aus dem Krankenhausinformationssystem fließen Personalbedarfstreiber wie Patientenzahlen in die Dienstplanung ein. Und auch die Lohnarten zur Abrechnung der geleisteten Dienste, inklusive arbeitszeitgesetzlicher und tariflicher Zuschläge, werden kostenstellengenau an das Lohn- und Gehaltssystem übergeben.
Die Atoss Medical Solution verfügt darüber hinaus über eine Standard-Schnittstelle zur klinikweiten SAP-Zeitwirtschaft. Planungsrelevante Daten aus der Zeitwirtschaft und SAP ESS stehen dem Planer jederzeit topaktuell zur Verfügung. So werden Wünsche der Mitarbeitenden nach der Eingabe im Self Service direkt in die Dienstplanung übertragen. Saldenstände inklusive Ampelfunktion, erfasste Abwesenheiten wie Urlaube und auch Verfügbarkeiten sowie Ein- und Austritte der Mitarbeitenden sind in Echtzeit verfügbar. Die Planungsdaten werden automatisch zurück an die SAP-Zeitwirtschaft übertragen.
Zudem sind die Dienstpläne im SAP ESS für Ärzteschaft und Pflegende ersichtlich und werden an Inpuls, ein System für die Personalbedarfsmessung auf Intensivstationen, exportiert. Auf diese Weise lassen sich Kennzahlen bezüglich des Pflegeaufwandes generieren. Der nahtlose Datenaustausch zwischen diesen Systemen und eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie ermöglichen der Universitätsmedizin Mainz eine wirtschaftliche und gleichzeitig mitarbeiterzentrierte Planung sowie eine hohe Versorgungsqualität.
Arbeitsbelastung sichtbar machen
Zum 1. Januar 2023 trat die neue Pflegepersonalregelung PPR 2.0 in Kraft. Bis ins Jahr 2025 hinein soll sich das Instrument zur Personalbedarfsbemessung nun in der stationären Patientenversorgung etablieren. Anhand dieses Bemessungsinstruments muss jedes Krankenhaus ein Ausfallkonzept vorweisen können, das eine Regelbesetzung gewährleistet und eine Überlastung des Pflegepersonals verhindert. Bald drohen sogar Sanktionen, wenn die festgelegten Werte dauerhaft unterschritten werden. Vor diesem Hintergrund haben die Universitätsmedizin Mainz und Atoss gemeinsam eine Lösung entwickelt, um die PPR 2.0 digital abzubilden. Diese objektiviert durch Messungen die Arbeitsbelastung auf den Stationen, macht den Dienstplanungsprozess transparenter und effizienter. Gleichzeitig ermöglicht sie die Umsetzung der Vorgaben aus dem hauseigenen Entlastungstarifvertrag.
Die Patientendaten fließen aus dem Krankenhausinformationssystem SAP I.S.H.med. in die WorkforceManagement-Software ein. Dort sind die Arbeitsplätze gemäß den Vorgaben aus der PPR 2.0 hinterlegt und mit Zeitwerten versehen. Ausgehend von der Patientenanzahl und den der Behandlung entsprechenden Leistungskennziffern wird der Personalbedarf berechnet und direkt im Dienstplan angezeigt. Abweichungen von den Sollvorgaben werden für Planungsverantwortliche kenntlich gemacht. So lässt sich genau berechnen, mit welcher Personalstärke Schichten besetzt werden müssen.
Zudem kann die Belastung gemäß dem Entlastungstarifvertrag (TV-E) sichtbar gemacht werden. Für die Betriebseinheiten wurden Sollvorgaben festgelegt, die die Vorgaben der PPR 2.0 ersetzen. Anhand dieser Vorgaben stellt die Klinik genau fest, wann Mitarbeitende in unterbesetzten Schichten arbeiten. Unterschreitet eine Schicht die Sollbesetzung, erfolgt eine automatische Erfassung und Dokumentation in der Software. „Wir verknüpfen die Daten der PPR 2.0 mit der Atoss-Software und erhalten dadurch eine Art Wetterbericht für die Belastung unserer Belegschaft. Damit können wir noch proaktiver einer Überlastung vorbeugen“, erklärt Christian Elsner, CFO der Universitätsmedizin Mainz.
Planungssicherheit und Compliance
Bei der Dienstplanung im Gesundheitswesen müssen Personalkapazitäten dynamisch und flexibel gesteuert werden, wobei die Beschäftigten zugleich größtmöglich auf ihre Arbeitszeiten Einfluss nehmen können. Dabei ist Transparenz nötig, um arbeitszeitgesetzliche und tarifliche Bestimmungen, wie sie beispielsweise durch den TVöD, TVÄ, TV-E, TV-L, die AVR oder den BAT vorgegeben werden, konsequent einzuhalten. Bei der Universitätsmedizin Mainz wird beispielsweise das Überschreiten der gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit direkt bei der Planung angezeigt. Für die Einhaltung von freien Sonntagen im Jahr ist in der Atoss Medical Solution ein Zähler eingerichtet, der jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres neu startet. Zuschlagspflichtige Spontaneinsätze („Holen aus dem Frei“ oder ein Diensttausch innerhalb von sechs Tagen) prüft die Software automatisch und direkt bei der Eintragung, sodass abrechnungsrelevante Zeiten auch korrekt an die Lohnabrechnung übermittelt werden.
Auch die PpUGV wird – wie auch die Zahlen zu PPR 2.0 oder TV-E – transparent direkt im Planungsprozess angezeigt. Dafür werden die Patientenbelegungen aus der Mittags- und Mitternachtsstatistik aus SAP I.S.H.med. in die Workforce-Management-Lösung eingespielt und im Dienstplan als Bedarf angezeigt – entweder aufgeschlüsselt als Zeitwert oder als Personalwert (FTE). So können die über 700 planungsberechtigten Mitarbeitenden der Universitätsmedizin Mainz effizient unter Einhaltung der Regularien selbstständig planen. Sie haben außerdem die Möglichkeit, Wunschdienste in SAP ESS anzugeben, die dann wiederum in Echtzeit in der Dienstplanung angezeigt werden.
So ist eine individuelle Arbeitszeitgestaltung in den einzelnen Fachbereichen möglich. Tagesaktuell steht der individuelle Zeitnachweis zur Verfügung – inklusive generierter Zeitzuschläge und gearbeiteter Tage unter Belastung. Als weiteres und nächstes Flexibilisierungsinstrument ist geplant, dem medizinischen Klinikpersonal über SAP ESS einen direkten Zugriff auf die Atoss-App und Schichttauschbörse zu ermöglichen. Die durch Workforce Management erzielte Flexibilität und Transparenz wirkt sich in Mainz messbar positiv auf die Arbeitgeberattraktivität und die Arbeitgebermarke aus.