Kampf um die Datenhoheit


Die bisherige Diskussion um Industrie 4.0 greift zu kurz, weil sie auf die in Werkshallen genutzte Technologie fokussiert. Dabei liegen die entscheidenden Werthebel nicht in der Technologie, sondern in der klugen Interpretation der Daten, die entlang der Wertschöpfungskette entstehen.
Damit zeichnet sich ab: Wer strategische Kontrollpunkte entlang der Datenerhebung und Auswertung etablieren kann, wird am meisten von der nächsten industriellen Revolution profitieren.
Ein immenser Innovationsschub erfasst die Fertigungswirtschaft: Die fortschreitende Digitalisierung in der Industrie, zusammengefasst unter dem Schlagwort Industrie 4.0, führt zu Effizienzsteigerungen im Produktionsprozess und mehr Wachstum.
Wer die neuen Spielregeln der Digitalisierung beherrscht, kann bessere Entscheidungen treffen, Prozesse stärker integrieren und lukrative Geschäftsmodelle entwickeln.
„Bis zu 1,4 Billionen US-Dollar an zusätzlicher jährlicher Marge sind dank der digitalen Industrie weltweit im Jahr 2030 zu heben“
sagt Thomas Kautzsch, Partner bei Oliver Wyman und Leiter des globalen Beratungsbereichs Automotive und Manufacturing Industries.
Der prognostizierte Mehrwert entsteht zum einen durch Kostensenkungen, zum anderen durch profitables Wachstum.
Die Studie „Digitale Industrie – Der wahre Wert von Industrie 4.0“ gibt Aufschluss über die entscheidenden Stellschrauben und Konfliktfelder der nächsten Jahre:
„Spannend wird vor allem die Frage, wer sich das zusätzliche Wertpotenzial einverleibt. Denn das Phänomen Industrie 4.0 verändert potenziell in hohem Maße das Machtgefüge zwischen den an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen“
sagt Kautzsch.
Etablierte Fertigungsunternehmen haben laut Studie zwar eine gute Ausgangsposition, müssen aber schnell und strategisch klug handeln. Zu den Gewinnern werden jene Marktteilnehmer zählen, die imstande sind, datengetriebene Entscheidungen zu treffen.
„Das Gerangel um die Datenhoheit hat bereits begonnen, der Kampf ist aber noch keineswegs entschieden“
sagt Tobias Sitte, Co-Autor der Studie und ebenfalls Partner bei Oliver Wyman.
Damit kommen auf Unternehmen etwa im Maschinen- und Anlagenbau in erster Linie strategische Fragen zu, nicht technologische. Die technischen Treiber hinter der rasanten Transformation sind weitgehend identifiziert:
Vernetzte Maschinen halten Einzug in die Produktionsstätten, hinzu kommen immer umfassendere 3D-Druckverfahren, Simulationssoftware und die Möglichkeit, praktisch in Echtzeit große Datenmengen zu erheben und zu analysieren (Big Data).
Mangelnde Kreativität
Von Führungskräften werden zunehmend datenbasierte und transparente Entscheidungsprozesse gefordert. Gut gerüstet sehen sich bisher offenbar die wenigsten Manager.
Im Rahmen der Studie gaben alle Entscheider der befragten Maschinen- und Anlagenbauer ausnahmslos an: Es fehle an „Kreativität, um über bestehende Betriebs- und Geschäftsmodelle hinauszudenken“.